Ein Bandscheibenvorfall zwang die junge Mutter aus Gmund dazu, ihren 25-Stunden-Job als Floristin im August vergangenen Jahres zu kündigen. Der üblichen dreimonatigen Sperrfrist entging sie durch ein ärztliches Attest. Von der ARGE, der aus Arbeitsagentur und Sozialamt bestehenden Arbeitsgemeinschaft, bekam die 33-Jährige bis dato die Differenz zur Grundsicherung als Miete gezahlt.
Diese wurde ihr auch noch ein halbes Jahr nach Ausspruch der Kündigung weitergezahlt. Doch dann musste ein neuer Bewilligungsantrag gestellt werden. Was die Gmunderin auch umgehend erledigte. Weil aber laut Arbeitsagentur die Gehaltsabrechnungen fehlten, stellte man die Zahlungen im Mai dieses Jahres ein. Per Email bat die 33-jährige ihren ehemaligen Chef um die fehlenden Unterlagen und reichte in der Zwischenzeit ihre Kontoauszüge mit den Gehaltszahlungen ein.
Wenn man auf andere angewiesen ist…
Geld bekam sie trotzdem keines überwiesen. „Man teilte mir mit, dass die Unterlagen nicht angekommen wären, und die Gehaltsbescheinigung noch immer fehlen würde“, so die junge Mutter und wundert sich: „Ich verstehe nicht, wie innerhalb eines Jahres Unterlagen verschwinden können.“ Und das, obwohl ihr ein Bestätigungsschreiben von der Arbeitsagentur vorliegt, aus dem hervorgeht, dass man die Unterlagen erhalten hätte.
Erneut bat die 33-Jährige ihren ehemaligen Chef um die Bestätigung ihrer Gehaltsauszahlungen und wies ihn darauf hin, dass „das Landratsamt auf ihn zukommen würde“, wenn er ihrer Bitte nicht nachkomme. Parallel dazu stellte sie dem Arbeitsamt eine Vollmacht aus mit der Befugnis, die Unterlagen selbst einzufordern. In der Hoffnung, dass mithilfe offizieller Unterstützung mehr Druck dahinter stecke. Auf Nachfrage bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber, warum dieser denn die Gehaltsabrechnungen der Arbeitsagenur verweigere, antwortet dieser:
Davon weiß ich gar nichts. Bei mir hat sich nie jemand gemeldet.
Erst am vergangenen Wochenende habe er ein Schreiben vom Landratsamt erhalten, das im Auftrag der Arbeitsagentur die fehlenden Unterlagen einforderte. Währenddessen hatte die zweifache Mutter neben ihrem Bandscheibenvorfall und den zunehmenden körperlichen und physischen Belastungen einen weiteren Schlag zu verkraften. Ihr Vermieter hatte ihr die Wohnung gekündigt, weil die Mietzahlungen ausgeblieben waren.
Sie sucht das Gespräch. Glücklicherweise ist der Vermieter bereit, den Vertrag um drei weitere Monate zu verlängern. Dank der finanziellen Unterstützung ihrer Mutter ist die 33-Jährige in der Lage, zwei Monatsmieten nachzuzahlen. Ein Zeitvorteil. Momentan lebt sie vom Kindergeld und den 120 Euro, die der Vater der Kinder an Unterhalt überweist.
Irgendwo verbuddeln geht nicht
In ihrer Not wählt die junge Mutter den Weg der Öffentlichkeit, obwohl man ihr davon abgeraten hat. „Mama, darf ich noch ein bißchen draußen spielen?“ unterbricht die fröhliche Stimme der neunjährigen Tochter plötzlich die Situation. Schnell wischt sich die Mutter die Tränen von der Wange und lächelt: „Klar, Liebes.“
Das laute Geräusch der zufallenden Tür richtet ihr Rückgrat für einen Moment wieder auf, bevor es kurz darauf wieder in sich zusammenfällt: „Immer muss ich gute Laune haben. Immer muss die Wohnung aufgeräumt sein. Dabei würde ich mich am liebsten verbuddeln.“
„Ich verstehe das einfach nicht“, so die 33-Jährige. „Ich schicke alle erforderlichen Unterlagen weg und nichts passiert. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.“ Die ganze Geschichte sei inzwischen so verworren, dass sie schon an sich selbst zweifle.
Die Kraft lässt nach, die Zweifel kommen
Wie ernst die Lage ist, scheint die zuständige Sachbearbeiterin nicht zu interessieren. Im Gegenteil. Vor ein paar Tagen sei sie aufgefordert worden, für die Umschulung, die sie zur Zeit als Hauswirtschafterin macht, Bafög zu beantragen. „Ein Prozess, der die Bewilligung wieder verlängert“, weiß die 33-Jährige. Dabei sei schon seit August vergangenen Jahres bekannt, dass sie zur Schule gehe.
Warum man ihr kein Überbrückungsgeld zahle oder einen Vorschuss leiste, könne sie nicht verstehen. Einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz habe sie jetzt eingereicht, ebenso einen auf Akteneinsicht bei der Arbeitsagentur. Auf unsere Nachfrage bei der Pressestelle des Landratsamtes erhalten wir von der stellvertretenden Pressesprecherin Sophie-Marie Stadler die Auskunft:
Das Landratsamt kann grundsätzlich nur vollständige Anträge prüfen. Da es sich um die Verwendung öffentlicher Gelder handelt, ist diese strenge Prüfung zwingend erforderlich und gesetzlich vorgeschrieben.
Bis Ende Januar bleibt der Behörde nun Zeit für die Bearbeitung der Unterlagen. Sollten die Mühlen der Bürokratie weiterhin so langsam mahlen, bliebe die junge Mutter im Sog der Abwärtsspirale gefangen. Dreimal sei ihr der Kreislauf in der Zwischenzeit schon zusammengebrochen, sagt sie.
Gäbe es nicht ihre Mutter und ihre Freundin, die sie mit Essen versorgen, wüsste sie nicht, wie sie sich und ihre beiden Kinder im Alltag über Wasser halten kann. Zuviel Kraft muss sie für den Papierkram und die Auseinandersetzung mit den Ämtern aufwenden. Und doch bleibt ein Funken Hoffnung, dass irgendwann statt Lethargie und Pessimismus wieder Brot und Butter auf dem Teller liegen.
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