Waren es gestern noch insgesamt 18,5 Millionen Euro an Steuerhinterziehung, die Hoeneß eingestand, so sprechen heute Ermittler bereits von 27,2 Millionen. Allein 23,7 Millionen davon tischte am Nachmittag die für seinen Fall zuständige Steuerfahnderin aus Rosenheim auf.
Gabriele H. hatte die Einkommensteuererklärungen von Hoeneß auf Grund der neu eingereichten Unterlagen errechnet.
Dabei geht es um die Jahre 2003 – 2006. Weitere 3,5 Millionen würden für den Zeitraum 2007 bis 2009 noch anfallen, wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Ken Heidenreich, bestätigte. Die Gesamtsumme, die dem Fiskus vorenthalten wurde: demnach 27,2 Millionen.
Im Mittelpunkt der Befragung standen die Devisenspekulationen von Hoeneß in der Schweiz. Die Zeugin beeindruckte durch steuerliches Detailwissen. Hunderte von Millionen bewegte Hoeneß seit dem Jahr 2002. Seine Bank in Zürich unterhielt für ihn mehrere Unterkonten und trennte die Geschäfte nach Währungen, wie die Rosenheimer Steuerbeamtin erklärte. Sie konnte anhand der Ende Februar 2014 überlassenen Dokumente nachvollziehen, dass in einem Fall Hoeneß mit 150 Millionen Euro gegen Dollar wettete und in einem anderen Fall auch mal 70 Millionen Euro Gewinn machte.
Hoeneß müssen die Ohren geklungen haben, als Verteidigung, Zeugin und Ankläger zum Richtertisch gebeten wurden, um neueste schweizer Excel-Tabellen der Steuerfahndung zu studieren. Er saß lange Zeit allein auf seinem Stuhl und vernahm endlose Millionenbeträge von bis zu 131 Millionen pro Jahr, die er wohl hin und her geschoben hat. Er konnte nicht eingreifen. Für den Macher, Präsidenten und Manager Hoeneß waren dies sicher bittere Momente. Er atmete tief und schlug auch mal die Hände vors Gesicht.
Ursprünglicher Artikel von 13:34 Uhr
Der Prozess gegen Uli Hoeneß hat neue belastende Informationen für den Angeklagten zutage gefördert. Erst vor einer Woche habe die Verteidigung von Hoeneß den Behörden Informationen über sein Schweizer Konto zukommen lassen. Obwohl die Dateien schon am 18. Januar 2013, einen Tag nach der Selbstanzeige von Hoeneß, seinem Steuerberater vorlagen.
Die Verteidigung betonte heute allerdings, dass die Dateien nach und nach vervollständigt und erst kurz vor Prozessbeginn fertiggestellt wurden. Tag zwei im Steuerprozess.
Während draußen die Sonne scheint, verdüstert sich für Hoeneß im Saal 134 die Stimmung. Für ihn zieht seit seinem gestrigen Geständnis und dem Paukenschlag von insgesamt 18,5 Millionen Euro hinterzogener Steuern ein schweres Unwetter auf. Entsprechend ist heute auch sein Mienenspiel.
Ziemlich versteinert nimmt er mit seinen drei Verteidigern Platz. Schwarzer Anzug, dunkle Krawatte und weißes Hemd. Seine Frau Susi sitzt ihm schräg gegenüber und hat ihren Uli immer fest im Blick. Heute geht es ans Eingemachte. Alle Zahlen aus seinen Steuererklärungen kommen auf den Tisch. Aufklärung soll eine Frau im Hosenanzug bringen, die Zeugin der Anklage. Sie ist Steuerbeamtin der Bußgeld- und Strafsachenstelle in Rosenheim.
57.000 Blatt Papier werden gesichtet
Seit 17. Januar 2013 ist Gabriele H., eine Steuerfahnderin aus Rosenheim, mit dem Fall Hoeneß befasst. Hat Hoeneß einige Male in Wiessee aufgesucht und mit ihm telefoniert. Eine Freundschaft ist wohl nicht daraus geworden, denn die Beamtin belastet Hoeneß schwer. Bis zu 70 Millionen Euro Gewinn habe Hoeneß mit seinen Geschäften gemacht, so die Frau in ihrer heutigen Aussage. Sie hat die Vorlage für die Staatsanwaltschaft für die Anklage ausgearbeitet und etwa 40 PDF-Dateien auf mehreren USB-Sticks entschlüsselt. Da die letzten Unterlagen von Hoeneß erst Ende Februar 2014 eintrafen, sitzt seitdem ein ganzer Stab ihrer Mitarbeiter über den 57.000 Blättern, die zu sichten sind.
Mit ihr als Zeugin folgte ein mehrstündiger Exkurs über Verlust- und Rückerträge, Kapitalertragssteuern, steuerfreie Dividenden im In- und Ausland. Immer wieder wollte Richter Rupert Heindl Einzelheiten aus den Einkommensteuerbescheiden von Hoeneß ab dem Jahr 2002 wissen, bis aufs Komma genau. Im Ergebnis schlüsselte die Finanzbeamtin die Anklage auf, die Hoeneß einen Steuerbetrug von 3,5 Millionen Euro vorwirft. Vermutlich geht es am Nachmittag um die von Hoeneß eingeräumte Steuerhinterziehung von weiteren 15 Millionen Euro.
Ist eine Haftstrafe unausweichlich?
Jetzt muss er ins Gefängnis, glauben viele Prozessbeobachter nach dem gestrigen Tag. Auch wenn nur ein Teil der von Hoeneß genannten 18,5 Millionen Euro verjährt ist, weil die Tat in den Zeitraum zwischen 2003 und 2012 fällt. Auch sein umfassendes Geständnis, wenn es denn vollkommen ist, wird sicher strafmildernd beurteilt. Aber selbst wenn Richter Heindl Hoeneß nicht die rote Karte zeigen und ihn nicht in den Knast schicken sollte – noch teurer wird seine Zockerei allemal.
Denn zu den 18,5 Millionen Euro dürften auch die, so Staatsanwalt von Engel, zu Unrecht geltend gemachten Verlustvorträge in Höhe von 5,5 Millionen Euro dazu kommen. Doch nach seinem Geständnis sind diese Summen womöglich schon wieder Makulatur. Allein auf die hinterzogenen Steuern werden pro Jahr zusätzlich 6,2 Prozent Zinsen fällig – inklusive Soli, sagen Steuerexperten.
Das bedeutet in der Konsequenz, dass der 62-Jährige eine Steuerschuld, die zehn Jahre zurückliegt, mit 62 Prozent verzinsen muss. Bisher hatte Hoeneß schon eine Abschlagszahlung in Höhe von 10 Millionen Euro und eine Kaution für die Haftverschonung von 5 Millionen Euro geleistet. Sein Konto in der Schweiz habe sich nicht gelohnt, sagte Hoeneß zu Prozessbeginn, er habe mit einem Millionenverlust abgeschlossen.
Jetzt aber wird seine Devisenspekulation erst richtig teuer. Viele Millionen wird er nachzahlen müssen, ob in Freiheit oder aus dem Gefängnis, wird der Richter entscheiden. Hoeneß sagte, sein Geständnis werde zu einer Steuernachzahlung im zweistelligen Millionenbereich führen „was meinen wirtschaftlichen Schaden aus diesem Geschäft weiter erhöhen wird“. Hoeneß könnte froh sein, wenn es nur dabei bleibt. Die Luft für ihn ist ziemlich dünn geworden, denn seine Selbstanzeige vom vergangenen Jahr ist inzwischen wie eine Seifenblase zerplatzt.
SOCIAL MEDIA SEITEN