Aber auch anonyme Kommentare und der transparente Zugang zu Informationen und Unterlagen spielen dabei eine Rolle. Wie könnte er also aussehen, der Weg der Lokalpolitik ins Online-Zeitalter?
Das Hochwasser der vergangenen Tagen hat es gezeigt: Information verbreitet sich über das Internet in bisher nicht gekannter Geschwindigkeit. Leser informieren sich über soziale Netzwerke oder in Kommentaren gegenseitig über den aktuellen Stand. Viele der Informationen, die wir in einem Livestream aufbereitet haben, wurden uns ebenfalls von Lesern zugeschickt. Bilder wurden uns per E-Mail oder Handy-Upload zugesandt. Informationen kamen über soziale Netzwerke oder in Kommentaren.
Ohne dieses gesammelte Wissen hätten wir nicht in dem Maße informieren können, wie es uns möglich war. Der Dank gebührt dabei in erster Linie den Menschen, die geholfen haben ‒ und den Möglichkeiten, die das Internet dabei bietet.
Online-Vernetzung bietet neue Möglichkeiten
Was vielleicht für einige wie ein Lobgesang auf „das Netz“ klingen mag, soll nur eines zeigen: Durch die Vernetzung und das gesammelte und geteilte Wissen vieler Menschen konnten im Falle des Hochwassers mehr und bessere Information zur Verfügung gestellt werden, als es uns als Redaktion alleine möglich gewesen wäre. Egal, wie gut und wie viel wir auch immer gearbeitet hätten.
In der Lokalpolitik könnte es vielleicht ganz ähnlich sein, wenn man es schafft, dafür Interesse und Beteiligungsmöglichkeiten zu schaffen, die auch genutzt werden. Ein Ansatz ist dabei auch die Live-Übertragung aus den Ratssitzungen, die bisher am Tegernsee weitgehend abgelehnt wurde.
Münchner Stadtrat testet Live-Übertragung
In München dagegen versucht man ab kommendem Mittwoch, das Interesse der Bürger an der Arbeit und den Entscheidungen des Stadtrates zu stärken, indem man die Sitzungen live ins Netz überträgt. Anschließend sind die Videos in einer Mediathek abrufbar.
Begleitend stehen Informationen zu den Tagesordnungspunkten und Beschlussvorlagen in einem Ratsinformationssystem zum Abruf bereit. Im Münchner Stadtrat ist man sich dabei bewusst, dass diese Art der Transparenz ein erster Test ist, um mehr Nähe zum Bürger zu schaffen:
Das neue Angebot läuft zunächst für ein halbes Jahr im Probebetrieb. Während dieser Probephase soll getestet werden, wie gut das Angebot angenommen wird und inwieweit das Ziel, die Entscheidungsprozesse im Stadtrat noch transparenter zu machen, auf diesem Weg erreicht werden kann.
Eine solche Art der Live-Übertragung wird unter anderem eines der Themen sein, das am kommenden Donnerstag, 6. Juni, ab 20 Uhr auch auf einer Podiumsdiskussion der SPD-Bad-Wiessee im Hotel Post diskutiert wird. An der Diskussion nehmen auch wir teil, um uns an der hoffentlich spannenden Debatte zum Thema “Störfaktor Internet! ‒ Politik und neue Medien” zu beteiligen.
Störfaktor Internet? Anonymität steht oft in der Kritik
Gerade in der Lokalpolitik gibt es im Umgang mit den „neuen Medien“ viele spannende Chancen, aber mindestens genauso viele offene Fragen und Standpunkte, die es zu klären oder gemeinsam zu entwickeln gilt. Einer der großen Kritikpunkte gegenüber Netzmedien ist beispielsweise die gebotene Anonymität.
Egal, ob in Form sozialer Netzwerke, Blogs oder Nachrichtenangeboten wie der Tegernseer Stimme ‒ an anonymen Kommentaren scheiden sich immer wieder die Geister. Muss oder kann man diese ernst nehmen? Disqualifiziert sich jeder automatisch, der Meinung oder Information nicht mit dem eigenen Namen untermauert?
Ebenfalls kritisch sehen manche den Umgang einiger Lokalpolitiker mit dem Internet im Allgemeinen und sozialen Medien im Speziellen. Noch ist keine Gemeinde aus dem Tegernseer Tal in einem der sozialen Netzwerke vertreten. Keine der Gemeinden aus dem Tal hat die eigene Rathaus-Webseite als Medium genutzt, um beispielsweise über die aktuelle Situation aufgrund des Hochwassers zu informieren. Informationen aus erster Hand sind für Bürger oft nur schwer oder gar nicht zu bekommen.
Parteien vergeben „Chance der offenen Gespräche“
Viel anders sieht es im Umgang mit modernen Kommunikationsmöglichkeiten auch auf Parteiebene noch nicht aus. Zwar sind alle großen Parteien inzwischen im Internet vertreten. Die Möglichkeit, dadurch mit potenziellen Wählern in Kontakt zu treten, wird aber auch hier kaum genutzt. Nur selten werden Kommentare überhaupt zugelassen. Meist werden soziale Medien als einseitiger Kanal verstanden, um die eigene Botschaft an möglichst viele Menschen zu verbreiten.
Ein Fachmagazin für Öffentlichkeitsarbeit hat das jüngst so auf den Punkt gebracht:
Wundert es also wirklich, dass Parteien keinen langfristigen Dialog zustande bekommen? Wohl kaum. Viele Parteien setzen auf punktuelle Aktivitäten vor dem Wahltermin. Ein Widerspruch zum erhöhten Anspruch an Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit seitens der User im Social Web. Stimmvieh war gestern. Ernst gemeinter Dialog und Feedback werden heute und in Zukunft verstärkt erwartet.
Das Internet von heute bietet die Grundlage für Partizipation. Nie konnten die individuellen Interessen der Bürger schneller abgefragt werden. Mehr denn je können Parteien und Politiker das Sprachrohr der Gesellschaft sein. Wenn sie denn wollen.
Wie und ob das Internet Möglichkeiten bietet, auch Lokalpolitik neuen Auftrieb zu geben und bei mehr Menschen das Interesse an der Politik im direkten Lebensumfeld zu wecken, ist Thema des Bürgerforums “Störfaktor Internet! ‒ Politik und neue Medien” am kommenden Donnerstag, 6. Juni, um 20 Uhr im Raum Wiessee im Hotel zur Post.
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