Die gestrige Verhandlung vor dem Miesbacher Amtsgericht dauerte über zwei Stunden lang. Trotzdem war es bis zuletzt für Richter Walter Leitner und die Staatsanwältin schwierig, sich ein Bild von jenem Tag im Dezember zu machen. Laut Strafbefehl soll die angeklagte 29-jährige Asylbewerberin die Hand ihrer 27-jährigen ‘Gegnerin’ auf eine eingeschaltete Herdplatte gedrückt haben. Die 27-Jährige trug Verbrennungen ersten Grades davon, die Angeklagte wurde mittlerweile nach Holzkirchen verlegt.
Gleich zu Beginn räumt die 29-jährige Afghanin ein, dass sie beim Streit mit der Hand die andere Asylbewerberin im Gesicht getroffen habe. „Aber ihre Hand auf die Herdplatte gedrückt habe ich nicht.“ In den Augen der Angeklagten lief der Streit laut Merkur etwas anders ab. Sie wollte in der Gemeinschaftsküche damals Brot backen, als die 27-Jährige dazukam. „Sie sagte zu mir, dass ich nicht kochen darf, weil ich jeden Tag koche und sie jetzt mal dran ist.“ Doch die Angeklagte habe es eilig gehabt und wollte noch das Essen fertig zubereiten.
Die ‘Waffe’? Ein Brotlaib
Ab diesem Moment sei alles Schlag auf Schlag gekommen. „Sie hat den Teig meines Brotes genommen und einfach auf den Boden geschmissen“, schildert die angeklagte Afghanin. Auch die 27-Jährige soll Brot gebacken haben – doch anstatt es zu essen, „hat sie mir das Brot ins Gesicht gehauen.“ Doch damit sei wohl noch nicht Schluss gewesen. Die Jüngere soll der Angeklagten dann auch noch eine Pfanne mit Reis auf den Kopf geschlagen haben. „Dann bin ich gegangen“, so die Angeklagte.
Ihre Gegnerin schilderte die Ereignisse bei ihrer Zeugenaussage erwartbar anders. Sie hätte nicht backen dürfen und die 29-jährige Angeklagte hätte ihre Hand auf die Herdplatte gedrückt. Laut Richter Leitner und Staatsanwältin sagten die Beweis-Fotos jedoch etwas anderes. Leitner vermutete, dass sich die 27-Jährige eher selbst beim Herausnehmen den Brotlaibes verbrannt haben könnte. Die Situation wurde nicht besser, als sich das vermeintliche Opfer bei der Vernehmung zunehmend in Widersprüchen verstrickte.
Bis Leitner die 27-Jährige unterbrach: „Ich habe jetzt zwei Seiten von Ihrer Aussage mitgeschrieben und Sie haben mir immer noch nichts Konkretes erklärt. Da die Staatsanwältin derselben Meinung war, wurde die Zeugenaussage beendet. In ihrem Plädoyer fasste die Staatsanwältin die Verwirrung nochmal zusammen:
Ich weiß nicht, wer uns hier mehr Unwahrheiten aufgetischt hat. Das Verletzungsbild passt auch nicht zur Beschreibung des Vorfalls, weshalb ich Freispruch beantragen werde.
Verteidigerin Juliane Scheer schloss sich an, da ihrer Meinung nach die Zeugenaussagen überhaupt keinen Sinn ergeben haben. Richter Leitner pflichtete bei und sprach die 29-jährige Afghanin frei. „Wir haben keine unmittelbaren Tatzeugen. Doch wäre die Hand wirklich auf die heiße Herdplatte gedrückt worden, dann müsste der Arm aussehen wie gekochtes Fleisch“, so der Richter abschließend.
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