Auch am Ostufer muss es nicht teuer sein
Tegernsee kümmert sich um bezahlbaren Wohnraum

Kürzlich beschrieben wir, wie Bad Wiessee sich nachhaltig um bezahlbaren Wohnraum kümmert. Prompt meldete sich der Nachbar von gegenüber – Tegernsee. Auch hier will man in den überhitzten Wohnmarkt eingreifen. Erfolgreich?

Die Neureuthstraße in Tegernsee. / Foto: Redaktion

“Diese Menschen halten den Laden am Laufen.” Das sagt der Tegernseer Bürgermeister Johannes Hagn über jene, die in den gemeindeeigenen oder genossenschaftlichen Wohnungen leben. Der CSU-Mann hat eine sehr konkrete Vorstellung, was eine Kommune machen muss, um nicht in ein gentrifiziertes Ghetto-Dasein abzurutschen. Tegernsee kümmert sich seit Jahren schon um Schaffung von Wohnraum. Aktuell besitzt die Stadt am Ostufer selbst 34 Wohnhäuser mit 150 Wohnungen, die ETVS nochmal 51 Wohnungen.

“Dann kommt ein Mehrfamilienhaus in Rottach-Egern, das wir mit der dortigen Gemeinde gemeinsam besitzen”, ergänzt Hagn im Gespräch. Wir treffen den Bürgermeister in seinem Büro mit Blick über den See. Hagn, freigestellter Zollbeamter, hat konkrete Vorstellungen zum Thema Wohnen. Damit eckt er auch bei einzelnen Gruppen an. Jene der Zweitwohnler zum Beispiel. Die fühlen sich vom 57-jährigen nach Piratenart ausgenommen. Hagn hatte sich in den vergangenen Jahren für eine konsequente Erhöhung der berüchtigten Zweitwohnungssteuer starkgemacht. Interessant dabei: Es liegt im Ermessen der Gemeinde, diese Steuer überhaupt zu erheben. Kreuth z.B. will gar keine Zweitwohnungen haben, verzichtet damit auf massive Erlöse, vermeidet aber eben Leerstand. “Eine einzige Wahrheit gibt es hier nicht”, sagt Hagn. Es ist eine Entscheidung, ob man einen Trend mitgestaltet, oder ihn versucht, aufzuhalten. Der Bürgermeister von Tegernsee will den Wohnungsmarkt am besten aktiv beeinflussen, die Monaccoisierung, wie er es nennt, vermeiden, aber mit den Erlösen aus der Steuer auch eben neuen Wohnraum erwerben und ihn mit bezahlbaren Mieten den Bürgern zur Verfügung stellen. Über 1 Million Euro knöpft Hagns Kommune den Zweitwohnlern ab. Zehn Millionen Euro wurden so in den vergangenen Jahren wieder zurück in bezahlbaren Wohnraum investiert.

Und so gibt es einen interessanten Effekt: Die Mieten für diese Wohnungen beginnen bei absurd erscheinenden 2,90 Euro für die einfachste Ausstattung und enden bei 9 Euro für den Neubau. Die meisten Wohnungen liegen zwischen 6 Euro und 8 Euro je Quadratmeter. Nebenaspekt: Damit liegt Bad Wiessee mit seinen Neubau-Mieten 20 Prozent über jenen von Tegernsee. Gut, ist aber eben auch das schönere Westufer …

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Man könnte es Umverteilung nennen. Hört ein CSU-Politiker sicher nicht gern. Aber für Hagn ist das eben eine kommunale Daseinsvorsorge. Er will eine durchmischte Gesellschaft und weiß auch seinen Stadtrat hinter sich bei dieser essenziellen Frage. Wer sich auf den Immobilien-Websites umschaut, kann angesichts der dortigen Preise über den kommunalen Ansatz nur staunen. In Tegernsee werden auch gern das Vierfache der Gemeinde-Mieten aufgerufen. “Uns ist es wichtig, jenen Menschen, die, zugespitzt formuliert, den Laden am Laufen halten, Wohnraum zur Verfügung zu stellen.” Und wer sind die? “Polizisten, Krankenschwestern – die Mittelschicht, die das schöne Leben am Tegernsee für die Vermögenden erst möglich machen? “Ja, da gehören auch die Alleinerziehenden, junge Lehrer oder auch Menschen im Service dazu. So viele Personalwohnungen haben wir hier nicht”, erklärt Hagn. Noch etwas für rechte Verschwörer: Von den 200 Wohnungen in Tegernsee wurden zwei (!) Flüchtlingen zur Verfügung gestellt.

Aber noch vor gut 20 Jahren ließ ein angespannter Haushalt große Sprünge beim Erwerb von Häusern nicht zu. Tegernsee hat dann aber in den Folgejahren teils ohne großes Zutun vom Boom des Zuzugs profitiert, zum Teil ihn aber auch geschickt für eigene Einnahmen genutzt. Extreme Reiche werden nicht vergrault, liefern schöne Steuereinnahmen, aber weniger Vermögende können eben auch in Tegernsee leben. Voraussetzung: Sie müssen sich auf eine Warteliste setzen lassen.

Wie geht es weiter? Kauft Tegernsee noch Wohnraum hinzu? Johannes Hagn: “2019 wurde der Antrag zur Bebauung der Amerikanerwiese gestellt. In der Folge hat der Stadtrat beschlossen, den Außenbereich zu schützen und dafür geeignete Bestandsobjekte zu Marktkonditionen zu erwerben. Daher kaufen wir geeignete Mehrfamilienhäuser an, sobald diese auf dem Markt sind. Inzwischen werden uns diese auch direkt angeboten.” Gern profitierte Tegernsee von Erbschaften. Komplette Häuser fielen so in den kommunalen Schoß. Das passiert nicht einfach so. Hagn war oft schon zu Lebzeiten bei den Erblassern, besprach Wege und Möglichkeiten. Es ist ein Arbeiten im Hintergrund, der dem allgemeinen Geschwätz, man könne nur Bonzen am Lago die Bonzo finden, widerspricht. Es setzt allerdings auch das aktive Bemühen der Kommunalpolitik voraus, diese mühsame, sehr langsam wirkende Arbeit anzugehen.

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