Frisches Theater in Tegernsee: Wie sich die Volksbühne nach und nach modernisiert

Andreas Kern als Johnny bei den Proben.

Ergänzung vom 26. April / 07:01 Uhr
Letzten Samstag war es soweit: Die große Premiere des neuen Stücks am Tegernseer Volkstheaters ging über die Bühne. “Johnny kehrt z`ruck” stand zum ersten Mal auf dem Spielplan. Und nachdem was wir bei den Proben zu sehen bekamen, konnte man von den Schauspielern einiges erwarten. Doch scheinbar hat das Ensemble diese Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern grandios überzeugt.

Allen voran die beiden Hauptdarsteller Andreas Kern und Claudia Mabell, die laut dem Merkur vor allem mit ihrem Gesang das Publikum zu “frenetischem Beifall und zu dem einen oder anderen schmachtenden Seufzer” trieben.

Zur Livemusik von Peter Aigner gaben Kern und Mabell vom ersten Ton an alles was in ihnen steckte. Andreas Kern, der den Johnny spielte, rockte über die Bühne wie ein zweiter Elvis Presley. Hüftschwung, Mikroständer und Luftgitarre inklusive.

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Spätestens bei „So wie damals“ – einem romantisch-schnulzigen Duett zwischen Johnny und seiner Elvira (gespielt von Claudia Mabell) konnten Beide Akteure stimmlich mehr als Überzeugen. Der Merkur urteilt: “Große Gefühle und Romantik standen förmlich greifbar im Tegernseer Ludwig Thoma-Saal.”

Wie uns Andreas Kern, der nicht nur Schauspieler sondern gleichzeitig auch Spielleiter des Tegernseer Volkstheaters ist, bereits bei den Proben gesagt hat, hat er sich vorgenommen das alte Bild des klassischen Volkstheaters aufzubrechen. Ein neuer Wind soll in Tegernsee wehen. Der 45-jährige möchte zusammen mit seiner Mannschaft das Publikum noch stärker in die Stücke mit einbeziehen. Und das hat er mit seinem “Johnny” scheinbar bereits mit der ersten Aufführung erreicht.

Die nächste Vorstellung ist am 08. Mai in Tegernsee. Karten und weitere Informationen gibt es unter www.tegernseer-volkstheater.de.

Ursprünglicher Artikel vom 09. April:
„Wie war’s wohl g’wen mit uns zwoa? Damals?”
“Wenn’s mit uns zwoa was ’wor’n war’? Damals?”

Rock’n-Roll schallt aus dem Ghettoblaster. Die Männerstimme übertönt spielend die Bässe. Die Bühnenbretter knarzen, wenn der groß gewachsene Schauspieler über das Holz läuft. Wie Verschworene haben sich die Darsteller im Bühnenraum des Ludwig-Thoma-Saals getroffen. Auf die Bühne geht’s über die Hintertreppe. „Bühneneingang – Zutritt nur für Beteiligte!“ steht auf einem Schild.

Tagsüber Regie – Nachts Student

Andreas Kern wendet sich auf der Bühne theatralisch seiner Gesangspartnerin Claudia Mabell zu. „Abgehen!“ ruft Max laut aus dem Zuschauerraum. Der 20-Jährige Student ist beim neuen Stück des Tegernseer Volkstheaters der Regisseur. Extra für „Johnny kehrt z’ruck“ lernt er für sein Theaterstudium nachts: Vormittags ist täglich Probe im Ludwig-Thoma-Saal. In zwei Wochen werden über 200 Leute im Saal sitzen. Heute ist Musikprobe.

Claudia Mabell und Andreas Kern bei den Proben

„Ois war’ ganz normal, des gleiche, wie damals.“ Mabell, die in der Komödie eine Operndiva gibt, antwortet ihrem Johnny auch auf Bairisch. Normal für ein Volkstheater. Etwas ungewöhnlich aber für dieses zeitgemäße Stück, das eigentlich überall spielen könnte. So eine Art schräge Persiflage auf Castingshows wie „DSDS“, die uns tagtäglich im Fernsehen begleiten.

Tägliche Proben. Zwei Monate lang.

Der schrille Sound des Ghettoblasters tönt durch den Saal. Auf der hell erleuchteten Bühne sind die zwei Hauptdarsteller aber unter sich. In Zivil. Heute ist nur Probe. Der Text sitzt schon. Trotzdem spielen beide mit ihrem Textbüchlein in der Hand. Die anderen Darsteller kommen erst später dazu. Vier Stunden geht die Probe. Von Elf bis Drei. An die zwei Monate dauert es, bis so ein Drei-Akter sitzt.

„Das Entscheidende ist, sich in die Figur hineinzufinden“, behauptet Claudia Mabell. Der Text komme dann wie von selbst dazu. Und den lernt die ausgebildete Schauspielerin und Sängerin am besten auf auf den täglichen Autofahrten. Mabell kommt, wie fast alle der Schauspieler aus München.

Volkstheater ist ein Generationenbetrieb

Andreas Kern ist nicht nur Schauspieler, sondern auch der Spielleiter im Tegernseer Volkstheater. Heute lebt er im Chiemgau, aufgewachsen ist er am Tegernsee. „Ich spiele, seit ich 17 bin“, sagt der Mittvierziger. Zuerst im Chiemgauer Volkstheater, das seine Mutter führte, dann auch in anderen Theatern. Nachdem sein Bruder Florian sein Wirken im Tal beendete, nahm sich Kern dieser Herausforderung an.

Andreas Kern: Spielleiter und Schauspieler

Das liegt in der Tradition der Familie: Urgroßvater Hans Lindner hatte das Theater 1898 gegründet und an seinen Sohn weitergegeben, der es wiederum an seinen Sohn vererbte. Kern ist heute die Seele des Theaters und macht fast alles selbst: er legt die Stücke fest, schreibt die Texte, entwirft das Bühnenbild, kümmert sich um Requisiten und steht natürlich selbst auf der Bühne. Ab und zu gibt er Dramaturgie oder Regie aus der Hand. Wie beim aktuellen Stück.

Schauspieler, Radio- und Fernsehsprecher

„Wir sind ein eingespieltes Team“, sagt Kern über das achtköpfiges Ensemble. „Jeder sagt, was er denkt und Kritik ist absolut erwünscht.“ Jedes einzelne Mitglied bringt sich persönlich ein: Barbara Kutzer, Rudi Gall, Wolf Friedrich, Christa Hofstetter und Claudia Mabell. Alle sind sie freischaffend tätig und festes Ensemble-Mitglied im Tegernseer Volkstheater. Zum Leben reicht das natürlich nicht: Claudia Mabell beispielsweise ist auch Mitglied bei der Rottacher Ludwig-Thoma-Bühne und Sprecherin im Radio- und Fernsehbereich.

„Johnny kehrt z’ruck“ – Premiere am 23. April

Angeheizt vom jungen Regisseur Henninger lassen sie die Schauspieler bei der Probe ganz schön die Fetzen fliegen. „Die Zuschauer werden ins Stück mit einbezogen“, verrät Spielleiter Kern. Wie genau, das bleibt bis zur Premiere am 23. April aber noch ein Geheimnis.

Über 200 Plätze gilt es pro Aufführung zu verkaufen

Wer den Ludwig-Thoma-Saal füllen will, der muss sich etwas einfallen lassen. 268 Karten wollen verkauft werden. Und das rund 40 Mal in diesem Jahr. Die restlichen 45 Vorstellungen finden in ganz Bayern statt. Das Ensemble ist gefragt und viel unterwegs. Dem Familienleben schade es aber nicht, sagt Kern, der selbst noch einen „Nachzügler“, eine vierjährige Tochter hat. „Vormittags machen wir normalerweise Büro, da kann ich viel Zeit mit meiner Familie verbringen.“ Seine Frau Tina kümmere sich ums Büro, um Öffentlichkeitsarbeit und Kartenreservierung, aber auch um künstlerische Aufgaben wie das Malern von Bühnendeko.

Am Ende muss die Kasse stimmen

Künstlerische und wirtschaftliche Faktoren müssen bei der Stückauswahl immer berücksichtigt werden. Gefällt uns das Stück? Passt es für unser Ensemble? Können wir uns das Bühnenbild leisten? Die richtige Inszenierung komme dann meist wie von selbst. „Wenn ich was schreibe, habe ich alles schon im Kopf.“ sagt der Spielleiter. Bühnenbild und Rollenverteilung, alles habe er schnell vor Augen. „Da läuft ein richtiger Film ab.“

Volkstheater hat Zukunft

Bisher geht sein Vorgehen auf. Komödien, Lustspiele, Schwänke, Volksstücke, ziehen viele Zuschauer an. Einige Stücke waren richtige Kassenschlager. Nur „Boxhandschuh und Lippenstift“ sei nicht so gut gelaufen. Komödie sei ein schwieriges Geschäft, sagt Kern. Dafür, dass er das Theater erst seit 2008 führt, ist er mit dem Erfolg aber zufrieden.

Der Wunsch nach Weiterentwicklung spornt den Spielleiter zu immer neuen Ideen an. „Frisches Theater“ will er machen. Der entscheidende Schritt dorthin: Die Tegernseer Studiobühne, die sich ab August im Schalthaus, dem ehemaligen Tegernseer E-Werk, etabliert. Theater für junge Leute und Junggebliebene. Neuartige Stücke. Schräge Inszenierungen. Das alles in einer kleinen, kultigen Location. Rund 100 Stühle gibt es hier.

Im alten Schalthaus wird auch bewirtet

Die Möglichkeit der Bewirtung wird ein neues Publikum ansprechen. Da ist sich der Theatermann sicher. Anschließend steht die Eröffnung des Kindertheaters auf dem Programm. Dort, wo er hin will, ist Andreas Kern aber noch lange nicht – ein ausverkauftes Haus, das ist sein erklärtes Ziel. In einem ist sich der Spielleiter der Tegernseer Volksbühne trotzdem sicher: „Volkstheater hat Zukunft. Man muss nur den Generationswechsel schaffen“.

Hier noch einige Eindrücke von den Proben im Tegernseer Volkstheater:

Der 20-jährige Theaterstudent Max H. führt Regie

Bei den Proben wird sich noch nicht verkleidet

Ein Stuhl 😉

Der ständige Austausch ist wichtig

Nachts Student - Tags Regisseur: Max H.

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