Ein Comedy-Drama von der heimischen Erben-Front am Tegernsee
Teile und herrsche

Sonntagmittag. Die SUV-Dichte auf der Strecke Gmund-Bad Wiessee nimmt zu. Kurz nach dem Ortseingang biegen die Bürger-Boliden in die Erbschleicher-Alley ab. Er oder sie am Steuer kennt sich aus. Ist im Tal geboren und aufgewachsen. Durfte gehen. Hinaus. Jenseits der A8 das Glück finden, irgendwo zwischen Pfaffenhofen und Egmating. Einmal im Monat kommen sie zurück zu ihren Wurzeln. Warum?

Der Blick, das Tal – da muss doch was mit dem Erbe gehen/ Quelle Freihaus-Brenner

Das Leben mit dem anspruchsvollen Partner und der ahnungslosen Brut ist in der Peripherie der Großstadt teuer. Warum nicht die elterliche Haziette zu Geld machen? Aber was machen mit Mama oder Papa?  Also werden sie zähneknirschend ausgeführt und abgefüllt. Alte Geschichten, tausend Mal gehört, werden ertragen, nur damit die Eltern oder Großeltern, das Erbe nicht dem Tierheim, der AfD oder der freundlichen Pflegekraft aus Polen oder Gabun geben. Ein erneut rein fiktives Beispiel aus unserem Tal:

Ein Restaurant hoch oben über dem Tegernsee. Familie Schmaitzl aus Gräfelfing fährt mit ihrem BMW-E-SUV (Vaters Dienstwagen, Referatsleiter Verkehr, Stadt München) die Serpentinen hinauf. Stimmung ist angespannt. Kinder kamen nicht rechtzeitig aus dem Bett. Die handelnden Personen:

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Vater Johannes, 55, schütteres Haar, trainiert für Triathlon, Magenprobleme wegen Hausbau und jüngerer Freundin aus Nachbar-Referat “Gleichstellung”. Geboren noch im alten Krankenhaus Tegernsee (“Da haben die das schlimme Hotel hingestellt. Schlimm. Schlimm”). Tegernseer Gymnasium bis zur 10. Klasse, dann wegen Minderleistung nach Holzkirchen abgeschoben. Notausgang Sport-Abi)

Mutter Janeen, 53, Generation “Labialfalte”, halbtags Lehrerin an einer Bogenhausener Privatschule (Französisch und Biologie), gibt Shakra-Kurse am Staffelsee und macht viel Yoga in Schwabing. Aufgewachsen in der Steppe Sachsen-Anhalts. Mit Mühe den Akzent abtrainiert. Ihr Vater: AFD-Funktionär, lebt mit einer Vietnamesin zusammen. Wird wegen seiner politischen Ausrichtung von der Woke-Familie gecancelt.

Sohn Quirin, 28, zwei Mal das Studienfach gewechselt, jetzt an einer Privatuni, studiert Sport-Management. Will Start Up gründen. Ihm fehlen jedoch Geld und Durchhaltevermögen. Nicht schlagender Burschenschaftler

Tochter Liv, 18, engagiert bei der so genannten „Last Generation“, klebte sich schon mal am Mittleren Ring fest, wünscht sich Intim-Piercing und BMW-E-Mini zum Geburtstag. Das will Mutti nur erlauben, wenn sie das Abi schafft.

Oma, “das Ahndl”, Zenzi, 81, Witwe des legendären Holz-Großunternehmers Schmaitzl aus Gmund, schwerhörig und schwerreich, unter anderem ein Feriendomizil am Gardasee und 70er-Jahre-Landhausvilla in Rottach-Egern („Da kann man mindestens einen Vierspänner draufknallen“, sagt der Schmierlappen von der Immo-Klitsche in Rottach-Egern). Die alte Dame ist der eigentliche Grund für den Ausflug. Darf vorne sitzen beim Sohnemann, während der Rest der Familie hinten eingezwängt Platz genommen hat und die Augen verdreht.

Opa Manfred, bereits verstorben, aber irgendwie auch dabei. Mittelständischer Unternehmer aus dem Tal (erst Landmaschinen, später Immobilien), enorm viel Schwarzgeld garantiert versteuertes Vermögen rechtzeitig in den 70ern in die Schweiz gebracht, damit den Wohlstand nachhaltig am See gesichert.

Später noch ein Verdauungsgang zur Prinzenruh. “Mei, is des schee” / Quelle: Nina Häußinger

Oben angekommen (Aibl/Das Tegernsee/Brenner et al):

Vater:           läuft leicht gebückt um den Tisch

“Verdammt, wo ist die Aufladestation hier? Hinterwäldler allesamt hier.”

Mutter Janeen:   verheddert sich mit der Holzperlenkette ihres Smartphones                  

“Quirin, hilf der Oma mal aus dem Pelzmantel”.

Quirin verdreht die Augen, schlurft zur Beifahrertür. Er ist missmutig. Der Janker, dem ihn seine Mutter aufgedrängt hat, juckt und müffelt.

Zenzi:                streicht über Chanel-Kostüm, hatte der Ehemann 1984 aus Paris mitgebracht. Passt immer noch.

“Mei, du trägst Manfreds Janker auf. Wie schön! Den hat meine Schwiegertochter also nicht weggeworfen…”

Lächelt schlangengleich Janeen zu, die grinst verkniffen zurück.

Vater:           Zeigt hinunter ins Tal, wo endlose Rückreise-Kolonnen aus Österreich beide Seeseiten verstopfen

“Schau Mama, wie schön unser Dägansä do…” Versucht es mit heimischen Idiom

Zenzi:           

“Wos sogst du?”

Vater:           

“Der Dägansä, da…unten…mei, wie schön…”

Oma Zenzi:                 

“Ja, mei. Aber zuviele Tschuschn hier. Ukrainer. Aber mit dem Manni war ich oft hier oben. Da lebte der Gunther Sachs. Ein griabiges Mannsbild. Mit dem war ich auch…Ich bin ja damals…”

Oma hat im letzten Lebensjahrzehnt das starke Bedürfnis, über die körperliche Liebe der Vergangenheit zu sprechen. Ist allen peinlich. Aber das mögliche Erbe zwingt zum Schweigen.

Vater: hoffend, dass seine Kinder mit dem Begriff “Tschusch” nichts anfangen können

“Ja, wissen wir doch. Komm, nimm den Arm von Deinem Enkel Quirin. Der hilft dir gern.”

Zenzi: zeigt nach Gmund.

“Da drüben hat der Himmler gewohnt…”

Tochter Liv, leise zur Mutter murmelnd:

“Die ist immer noch voll Nazi.”

Beim Essen Hochzeitssuppe, Kalbsmedaillon, Leipziger Allerlei und Bayerisch Creme zum Dessert, für Tochter gibts Tofu

Mutter:         

“Oma, der Quirin ist ja jetzt bald mit dem Studium fertig, der peilt seinen Bachelor an…”

Zenzi:                 

“Ja, endlich mal. Mei Manfred hat in seinem Alter ja schon fast hundert Arbeiter in Miaschboch beschäftigt.”

Quirin schaut aus dem Fenster. Liv scrollt durch ihr Insta-Profil. Vater fragt nach einem Weißwein. Erntet einen bösen Blick der Gattin, bestellt eine Holunderschorle für Siebenfuffzig. Janeen trinkt mit einem Hieb ihr mit Eiswürfeln und Chardonnay gefülltes Glas leer. Sie muss ja nicht fahren. Zudem steht am Abend noch eine Diskussion mit dem Gatten über diese Trulla aus der Gleichstellungsabteilung an, die ihm nachstellt…

Mutter:                     

“Also, der Hans und ich, wir haben gedacht, also…also das Haus in Rottach, das ist ja sehr groß für dich allein….”

Zenzi:                

“Ach nein, ich habe ja die Sunshine aus Nigeria, die macht da alles. Vielleicht bekommt die auch alles…” Eisiges Schweigen. Mutter stößt unterm Tisch Vater an.

Vater:

“Also, Mama, wir haben uns das etwas anders vorgestellt, also allein schon wegen der Erbschaftssteuer…”

Schaut hilfesuchend zu seiner Frau, die nur mit den Schultern zuckt.

Zenzi:              

“Ach, ihr wollt zurück ins Tal? Mei, das ist doch schön. Meine Putzfee könnt ihr sicher auch mal haben. Dann sind wir ja viel häufiger beieinander.”

Stille am Tisch. Alle schauen erwartungsvoll zu Oma, die nun seelenruhig ihre Suppe schlürft.

Vater:           

“Mutter, also wir dachten, du überschreibst schon jetzt uns das Haus, also dann sparen wir ja enorm…”

Zenzi zu Schwiegertochter:                

“Dein Mann will mein Geld und jetzt mein Haus. Ich soll also ins Heim. Niemals. Der Manfred dreht sich im Grab um, wenn er wüsste, wie Du zu seiner Zenzi wärst.”

Peinliche Stille. Der Ober steht plötzlich wie aus der Erde gewachsen am Tisch, reicht die Miniatur-Speisekarten. Vater sucht nach der Lesebrille.

Mutter:         Spürt die falsche Richtung der Diskussion. Also: gegen den Staat und Steuern predigen

“Nein, Mama. Du siehst das ganz falsch. Wir wollen nur diese absurde Steuer umgehen. Dieser Staat will uns alle ausnehmen. Das ist doch nicht gerecht, wenn wir vom Erlös des Hauses nur zwei Millionen übrig hätten. Das reicht ja nicht mal für uns, geschweige denn für die Kinder. Wir dachten, dass du deinen Enkel vielleicht unterstützen willst.”

Zenzi:                

“Ach, die haben doch schon alles. Die schaffen das doch auch so. Unser Manfred hat immer gesagt: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Ja, so war er. Unser Manfred. Kam aus dem Krieg. Mit nichts. Und dann war die Firma seines Vaters quasi nicht mehr da. Ausgebombt, die Fremdarbeiter alle weg. Schlimme Zeit. Aufbauen. Wieder richtige Löhne zahlen. Schwielen hatte ich an den Fingern. Aber der Manfred hat am Abend immer gesagt: Bald sind wir so reich, da schenke ich dir einen Mohren.”

Tochter Liv verschluckt sich an ihrem Wasser. Quirin checkt seine WhatsApp, schickt eine Nachricht an seine Buddies: “Voll irre alle hier?”

Vater:           bemüht leise zu seiner Tochter

“Nein, nicht was du denkst, Liv. Das war so ein Holzmohr, der hielt die Hände auf. Da konnte man die Schlüssel reinlegen. Der steht noch bei uns im Keller.“

Zenzi:                

“Genau, der Roberto. So haben wir den genannt. Wie den Roberto Blanco.”

Mutter:         mit bebender Stimme letzten Trumpf ziehend

“Naja, wir könnten ja vorerst hierher ziehen…Der Johannes kann vieles aus dem Home office machen.”

Die Zenzi greift in ihre Tasche. Eltern schauen sich überrascht freudig an. Fragen, die zurückbleiben: Kommt jetzt der Scheck? Der Auszug aus dem Nachlass? Wird Janeen die Nerven behalten, wenn die Gleichstellungstrulla überraschend am Nebentisch auftaucht? Bekommt Liv das Piercing? Schafft es Oma bis zur Prinzenruh? Wird die Erbschaftssteuer abgeschafft?

Fortsetzung folgt

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