Erst kürzlich trafen sich Wiessees Bürgermeister Robert Kühn und die SPD-Gemeinderäte aus dem Tal. Das große Thema: Die zunehmende Verstädterung und die Immobilien-Preisentwicklung. „Damit einher geht der Verlust der Identität der Menschen und der Besonderheit unseres wunderschönen Tals. Diesen Prozess gilt es aufzuhalten“, heißt es in einer aktuellen Mittelung.
SPD wirft Landratsamt vor, alles durchzuwinken
Der Entwicklungsdruck werde beschleunigt durch die enormen Preissteigerungen für Grund und Boden. „Dies lässt für die Mehrheit der hier Lebenden und Arbeitenden kaum noch Spielraum für eigenes Eigentum. Die Knappheit an bezahlbaren Mietwohnungen ist der Beleg dafür.“ Das Tal sei zum Spielball von Investoren geworden, die sich nicht um den Zusammenhalt der Gemeinschaft bemühen, sondern nur den Gewinn aus Immobiliengeschäften anstreben.
Angesichts der geltenden Bauvorschriften, im bayerischen Baurecht ebenso wie im Bundesbaugesetz, seien den Gemeinden oft die Hände gebunden. „Dazu kommt eine zu große Freizügigkeit der Genehmigungsbehörde Landratsamt, die Zweifelsfragen eher zum Vorteil des Bauwerbers und damit zum Nachteil der Ortsgestaltung in den Gemeinden entscheidet“, lautet die deutliche Kritik Richtung Landratsamt.
Das Landratsamt wiederum weist diesen Vorwurf zurück und stellt klar: „Ein Landratsamt ist im Gegensatz zu einer Gemeinde schadensersatzpflichtig, wenn einem Bauwerber sein Baurecht zu Unrecht versagt wird, da Bauanträge von den Staatlichen Bauämtern an den Landratsämtern und nicht von den Gemeinden genehmigt werden. Das Landratsamt ist an Recht und Gesetz, in diesem Fall Baugesetzbuch und Bayerische Bauordnung, gebunden.“
Im Zweifelsfall folge das Bauamt immer der Empfehlung der Gemeinde, solange diese den genannten Bauvorschriften entspricht. Dass das nicht immer klappt, macht jedoch ein jüngstes Beispiel deutlich: Erst Ende Juni wurde ein ablehnender Bescheid des Landratsamtes vom Verwaltungsgericht München aufgehoben. Zuvor sei das Landratsamt der Auslegung der Gestaltungssatzung der Gemeinde Rottach-Egern gefolgt.
Das Landratsamt weiß sehr wohl um die prekäre Lage des Tegernseer Tals mit seinem unglaublichen Siedlungsdruck und einer Sondersituation am Immobilienmarkt, jedoch ist das für das derzeit in ganz Deutschland geltende Bauplanungsrecht irrelevant. Den Bauämtern fehlen hier jegliche Steuerungsmöglichkeiten.
Am ehesten hätten diese Steuerungsmöglichkeiten noch die Gemeinden über die Bauleitplanung, sprich Bebauungspläne. „Obwohl man hier fairerweise ergänzen muss, dass auch diese Möglichkeiten in bereits dicht besiedelten Gebieten begrenzt sind, weil es dort oftmals schwierig ist, noch eine tragfähige städtebauliche Begründung für einen Bebauungsplan zu finden“, gibt das Landratsamt zu.
Quadratmeterpreise von bis zu 4.500 Euro
Die aktuellen Zahlen aus einem Gutachten zu Bodenrichtwerte am Tegernsee untermauern jedoch erneut die stetigen Sorgen. Insbesondere in der Stadt Tegernsee sind diese enorm gestiegen. Beispielsweise in Tegernsee-Nord, also dem Bereich Richtung Point-Parkplatz, liegt der Quadratmeterpreis für Wohnbaufläche inzwischen bei 1.400 Euro. Zum Vergleich: 2018 waren es noch 1.050 Euro.
Je besser die Lage, desto höher auch die Preise: In höheren Lagen mit Seeblick ist der Quadratmeterpreis von 1.900 Euro auf rund 3.000 Euro geklettert. Seegrundstücke sind erwartungsgemäß noch teurer: Dort kostet der Quadratmeter bis zu 4.500 Euro.
Auch Rottach-Egern schlägt teuer zu Buche: Im südlichen Bereich kostet der Quadratmeter 2.300 Euro, 600 Euro mehr also noch im Jahr 2018. Die teuersten Wohngegenden sind Hagrain und Ellmau mit rund 2.000 Euro pro Quadratmeter. Laut einer aktuellen Übersicht zu landwirtschaftlichen Richtwerten liegt der Preis für Grünflächen in Tegernsee, Rottach und Bad Wiessee übrigens bei elf Euro – in Gmund sind es sogar zwölf.
„Der Markt ist überhitzt“
Die Preisspirale im Tegernseer Tal dreht sich immer schneller – und ein Ende ist nicht in Sicht. „Der Markt ist überhitzt“, erklärt Tegernsees Bürgermeister Johannes Hagn (CSU) gegenüber dem Merkur. Und weil keine Flächen da sind, steigt der Druck. Er befürchtet zudem, dass der Großraum München bis 2040 auf fünf Millionen Menschen anwächst.
Doch was können Kommunen dagegen tun? Hagn macht deutlich: „Wir können zwar nicht in den Markt eingreifen, können aber versuchen, Objekte zu kaufen und dann selbst als Anbieter zu agieren.“ Auch die Zweitwohnungssteuer sei ein wesentliches Instrument, da sie komplett in die Beschaffung von bezahlbarem Wohnraum fließe.
Von Zweitwohnungen bis hin zu Tourismus
Die SPD sieht die einzige mögliche Lösung in einer Zusammenarbeit: „Die Gemeinden müssen sich zusammenschließen, um gemeinsam zu retten, was noch zu retten ist.“ Dabei schlägt sie von teuren Immobilienpreisen eine Brücke zu Zweitwohnungen und damit auch zum steigenden Tourismus. Die Natur und die Umwelt müssten bewahrt und Außenbereiche geschont werden. Auch der Ausverkauf von Almen und die Kommerzialisierung des Natursports müssen Grenzen haben.
Das Tal verliert sonst sein Gesicht und die Menschen, deren Heimat das Tal ist. Ihre Kultur und das Brauchtum werden zu touristischen Events und wir alle zu Statisten in unserer eigenen Heimat.
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