Tierschützer und Forstleute an einem Tisch

Bei der jährlichen Hegeschau in Miesbach präsentieren Jäger Geweihe und Hörner erlegter Tiere. Anhand der Trophäen soll der Zustand der Tiere im Jagdgebiet beurteilt werden. Und um den steht es nicht gut. Vor allem bei der Gams werde der ganze Mittelbau weggeschossen. Bayern betreibe die „wildfeindlichste Politik“.

Die Akteure der Hegeschau: Forstbetriebsleiter Jörg Meyer (v.l.), Veranstalter Martin Weinzierl vom Jagdverband und Hilmar von Münchhausen als Fachreferent / © alle Fotos Klaus Wiendl

Die Miesbacher Hegeschau am Samstag war ein Novum. Erstmals hielten Tierschützer aus dem Tegernseer Tal und aus Garmisch eine Mahnwache, an der die zahlreichen Jäger und Forstleute vorbei mussten. Auf Transparenten wurde ihnen entgegengehalten, „wer Waldbau nur mit der Kugel betreibt, hat seinen Beruf verfehlt“, „sicher gibt es inzwischen mehr Gamsbärte auf den Hüten, als Gams in unseren Bergen“ oder „weißer Tod, Gams in Not, Bestand bedroht“.

Auch auf dem Podium saß erstmals mit Johanna Ecker-Schotte aus Rottach-Egern eine Tierschutz-Aktivistin neben Forstleuten, Waldbesitzern und Jägern. Möglich machte diese gesellschaftliche Öffnung einer Hegeschau Martin Weinzierl, Kreisvorsitzender des Jagdverbandes. Dem schon seit zehn Jahren, wie er der Tegernseer Stimme sagt, die Erlegung des Gamswildes große Sorgen bereitet. Doch es ist sein Kampf gegen die Bayerischen Staatsforsten, wie der Kopfschmuck erlegter Tiere in ihren Revieren zeigt.

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Selbst Gams-Kitze mit nur 14 Kilogramm werden in den Staatsforsten geschossen / © Klaus Wiendl

Schon Kitze mit nicht mal einem Jahr und 14 Kilogramm werden rausgeschossen. Weinzierl beklagt, dass es „inzwischen bei der Gams auch keinen gesunden Sozialstrukturverband mehr gibt“. Alte Geißen als Führungstiere gebe es kaum noch. Eine Gams könnte aber bis zu 20 Jahre alt werden. „Wenn aber bei 400 erlegten Gamsen gerade noch ein Prozent bleibt, das ein Alter von acht bis zehn Jahren erreicht, dann ist dies sehr bedenklich“. Örtlich breche der Gamsbestand mit den herausgeschossenen Geißen schon zusammen. Weinzierl will nun bei Gesprächen mit den Staatsforsten mehr Rücksichtnahme auf die Mittelklasse erreichen, „ohne dass die Politik ein Machtwort spricht“.

Wald vor oder mit Wild?

Doch die Jagdpolitik der Staatsregierung stand im Mittelpunkt der Kritik. Ihr Grundsatz „Wald vor Wild“ stieß hier auf wenig Gegenliebe, ob bei Rednern oder etlichen Zuhörern im Saal. Auch wenn Landrat Wolfgang Rzehak (Grüne) nicht anders konnte, als der gesetzlichen Vorgabe „Wald vor Wild“ Folge zu leisten. „Unsere Jagdbehörde setzt dies auch um“. Man müsse aber auch einen Ausgleich schaffen, denn auch Wildtiere hätten eine „Daseinsberechtigung“. Jagd und Forst seien kein Gegensatz, sondern profitieren voneinander. „Doch angesichts des Klimawandels müssen auch unsere Wälder geschützt werden“.

Ingrid Pongratz dagegen hält es mehr mit „Wald und Wild“. Schäden im Wald würden nicht nur durch das Wild entstehen, mahnte Miesbachs CSU-Bürgermeisterin, auch die monströsen Holzvollernter wie die Harvester machte sie dafür verantwortlich. „Wie gehen wir mit der Natur um, darauf sollten wir uns wieder besinnen“.

Alexander Radwan (MdB) spricht sich für einen “Wald mit Wild” aus / © Klaus Wiendl

Für „Wald mit Wild“ plädierte Alexander Radwan, der örtliche CSU- Bundestagsabgeordnete: „Diesen Grundsatz, der Jahrhunderte in Bayern gegolten hat, sollten wir hochhalten“. Er warnte vor einem erneuten Volksbegehren zu diesem Konflikt. Denn darüber würden dann Menschen entscheiden, die nichts über eine „verantwortungsvolle Jagd in der Realität“ wüssten, aber darüber entscheiden wollten. Diesen Prozess müssten alle Beteiligten „gemeinsam gestalten“.

Abschussquote verfehlt

Ziemlich allein auf weiter Flur argumentierte Forstbetriebsleiter Jörg Meyer. Er beklagte angesichts des schneereichen Winters, dass vorgegebene Abschusszahlen nur zum Teil erreicht worden seien. Beim Rotwild gebe es nur eine Quote von 80 Prozent. „Auch beim Reh- und Gamswild haben wir die Abschussplanvorgaben zum Teil nicht erfüllen können“. Daher würde ihn als Revierleiter auch die zu hohe „Bissbelastung“ bei der Tanne beunruhigen, wenn andererseits die Rotwildbestände bei den Fütterungen deutlich angestiegen seien. Eine gesunde Balance im Wald sei damit nicht gewährleistet.

Aber nur wenn wir vorbildlich unterwegs sind, werden wir auch die Akzeptanz der Gesellschaft für uns Jäger erhalten können.

Deshalb sei für Meyer bei der Jagdausübung wichtig, dass immer auch die Vorgaben des Tierschutzes eingehalten werden. Das war das Stichwort für die Tierschützer. Ecker-Schotte zeigte sich besorgt, „ob die Gams, das Wappentier des Bergsteigerdorfes Kreuth überleben wird, denn ihre Abschusszahlen sind viel zu hoch“. Ganze Familien würden zerstört. Denn die Jäger würden unter einem „massiven Druck stehen“, die Abschussquoten zu erfüllen. Aber oberstes Gebot des Tierschutzes sei der Erhalt der Muttertiere.

Konzepte, wie das Wild als Teil des Ökosystems dem Wald erhalten bleiben könne, gebe es schon. „Zeigen Sie Mut, zukunftsfähige Alternativen einzufordern“. Das Ziel müsse „Wald und Wild“ sein. Ein Abschussplan sollte auch wildbiologischen Kriterien entsprechen. „Dies ist nicht der Fall“. Die Forderungen der Tierschützer: „Kürzere Jagdzeiten und Wildruhezonen mit Betretungsverbot und keine Drückjagden mit Treibern und Hunden auf die Gams“.

Die „Totschieß-Politik“ Bayerns

Kein Blatt vor den Mund nahm der Festredner Hilmar von Münchhausen von der Deutschen Wildtierstiftung aus Hamburg. Er geißelte die Jagdpolitik des Freistaats. Dieser würde eine der „wildfeindlichsten Politiken Deutschlands“ betreiben. Als Lobbyist für die Wildtiere müsse er beim Schalenwild feststellen, „dass in Bayern außerhalb der Rotwildbezirke eine gnadenlose und kompromisslose Totschießpolitik stattfindet“.

Hilmar von Münchhausen mit seinem Vortrag “Unfrei im Freistaat?” / © Klaus Wiendl

Der Grundsatz, „Wald vor Wild“ würde jeder Nachhaltigkeit Hohn sprechen. In Bayern werde eine klare Priorität für die Forstwirtschaft gesetzt, statt eine Balance zwischen Ökonomie und Ökologie zu suchen. Man müsse endlich den politischen Vorsatz fassen: „Wald mit Wild“. Ansonsten würde die Vernichtung der Wildtiere weiter vorangetrieben werden. „Totschießen“ sei einfacher, als eine Bewirtschaftung mit Wildtieren.

Laut Münchhausen sehe man leider zu, „dass die Forstwirtschaft in vielen Regionen Reh und Gams vernichtet“. Deshalb warnte Münchhausen die Staatsregierung mit Blick auf das erfolgreiche Volksbegehren Artenvielfalt: „Die Menschen in Bayern folgen nicht mehr einfach einer staatspolitischen Doktrin, denn sie lassen sich mobilisieren“. Eine Umfrage der Wildtierstiftung in Bayern habe gezeigt, dass 55 Prozent der Befragten den Grundsatz „Wald vor Wild“ ablehnen würden. Für richtig würden ihn 38 Prozent halten. Dabei wüssten die Menschen gar nicht, welch gnadenlose „Wald vor Wild-Politik“ betrieben werde.

Es ist eine Schande, wie wenig Lebensraum dem Rothirsch in Bayern zur Verfügung steht.

Am 1. Mai wird wieder die Jagdsaison eröffnet. Dann endet die Schonzeit für Rehböcke und junge Rehe.

Hier noch einige Eindrücke von der Hegeschau 2019 in Miesbach:

Engagieren sich für den Tierschutz: Tessy Löderman aus Garmisch und die Rottacherin Johanna Ecker-Schotte (v.l.) bei der Mahnwache / © Klaus Wiendl

Die Ausstellung von Jagdtrophäen schreibt das Bayerische Jagdgesetz vor / © Klaus Wiendl

Hunderte von Geweihen zieren den Waitzinger Keller / © Klaus Wiendl

Großes Interesse am Kopfschmuck erlegter Tiere / © Klaus Wiendl

Jäger sind zur Teilnahme an der Hegeschau verpflichtet / © Klaus Wiendl

Johanna Ecker-Schotte beklagt den Feldzug gegen die Gams / © Klaus Wiendl

Landrat Wolfgang Rzehak verteidigt den Grundsatz “Wald vor Wild” / © Klaus Wiendl

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