Transparenter geht nicht! Oder doch?

Eine Forderung nach mehr Transparenz. Und das von einer Stelle, von der man sie zunächst nicht erwarten würde. Der Rottacher Gemeinderat Josef Lang (CSU) hat am vergangenen Dienstag öffentlich angeregt, den Medien neben der Tagesordnung der monatlichen Gemeinderatssitzungen weitere Unterlagen und Informationen zur Verfügung zu stellen.

„Mehr geht nicht“, meint dagegen Bürgermeister Franz Hafner (FWG) – und irrt.

Dass dies durchaus möglich ist, zeigen neben unzähligen Beispielen in Deutschland auch ein paar Gemeinden in der Nähe von Mannheim. Dort erhalten nicht nur die Pressevertreter die vollständigen Unterlagen, die den Gemeinderäten zugehen – frei Haus. Auch die Bürger bekommen an der Gemeinderatssitzung alle Dokumente zur Verfügung gestellt. Mehr Transparenz geht dann wirklich nicht.

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Bei der Wiesseer Gemeinderatssitzung: Viele Dokumente auf den Tischen der Gemeinderäte.

Falschinformationen und Missinterpretationen, wie sie jüngst in den hiesigen Medien vorkamen, müssen nicht sein. Das meint zumindest Josef Lang und stieß mit seinem Vorschlag bei Bürgermeister Hafner auf keine große Gegenliebe.

Grund für den Vorstoß Langs war eine Falschmeldung, die auch die Tegernseer Stimme verbreitet hat. Nach dieser hätte der TTT-Chef Georg Overs auf der letzten Rottacher Gemeinderatssitzung Rede und Antwort stehen sollen. De facto war es nur der Bürgermeister, der über die aktuellen Übernachtungszahlen informieren wollte.

Langs Vorschlag bringt Hafner zum Lachen

Daher regte Lang an, in Zukunft über die Tagesordnung hinaus auch ein paar Details zu den einzelnen Punkten an die Medien zu übersenden. Ein Vorschlag, der Rottachs Bürgermeister zum Lachen brachte.

Er selber stünde fast jederzeit für Rückfragen von Pressevertretern zur Verfügung und rufe auch zurück, sollte er einmal einen Anruf verpassen. Eine noch transparentere Medienarbeit könne man Hafners Meinung nach fast nicht anbieten. „Und ich übernehme doch nicht die Arbeit der Presse“, versuchte sich der Bürgermeister zu erklären. Selbst wenn man zusätzliche Informationen zur Verfügung stellen würde, könne es immer noch zu Missverständnissen kommen.

Rottachs Bauamtsleiter Walter Hübsch ging ein wenig weiter als sein Chef. Vorab zusätzliche Informationen über die Tagesordnung hinaus zu versenden, sei schwierig. Komplexe Zusammenhänge zusätzlich im Vorfeld zu erläutern, auch aufgrund der Zeitproblematik kaum möglich.

Für Lang alles keine Gründe. Er selbst mache auch schon seit 20 Jahren von Berufswegen her Pressearbeit und habe dabei die Erfahrung gemacht, dass es zu keinen Missverständnissen kommt, wenn alle relevanten Informationen umfänglich zur Verfügung gestellt werden.

Für die Vertreter der Medien hätte eine Übersendung von Beschlussvorlagen und Infomaterial zu den Gemeinderatssitzungen auch noch den Vorteil, dass die eigentlichen Diskussionen in den Gremien besser und aufmerksamer verfolgt werden könnten.

Teilweise sind die Sachverhalte komplex. Eine Vorbereitung auf umfangreiche Themen könnte Missverständnissen vorbeugen.

Blick über die Landesgrenze hinaus nach Baden-Württemberg

Dabei ist der Weg an die Öffentlichkeit keineswegs außergewöhnlich, wie uns Hardy Prothmann, Chefredakteur des Rheinneckarblogs, erklärt:

Tegernseer Stimme: Hallo Herr Prothmann, welche Informationen bekommt bei Ihnen die Presse von den Gemeinden?

Hardy Prothmann: Wir erhalten in der Regel eine Woche vor einer Gemeinderatssitzung die Tagesordnung und dazu die Beschlussanträge mit Begründung, warum welcher Beschluss gefasst werden soll. Teilweise sind bei den Unterlagen auch Pläne zu Grundstücken, Präsentationen zu Bauvorhaben oder Verträge, die zwischen den Gemeinden und Investoren geschlossen werden. Auch Protokolle werden übersandt.

Tegernseer Stimme: Das heißt, wenn ein Medium anfragt, geht die Antwort an alle?

Hardy Prothmann: Nein. Nur wenn die Gemeinde von sich aus informiert, also Pressemitteilungen verschickt oder eben die Gemeinderatsunterlagen, die aktuell verhandelt werden. Journalisten, die selbst recherchieren, bekommen individuelle Antworten – oder auch nicht.

Tegernseer Stimme: In welchem Fall werden Informationen verweigert?

Hardy Prothmann: Dafür kann es gute Gründe geben, beispielsweise die Verschwiegenheitspflicht, wenn Dritte betroffen sind. Das ist von Fall zu Fall verschieden.

Kluge Bürgermeister arbeiten aber mit der Presse zusammen, weil sie dann einen gewissen Einfluss auf die Berichterstattung nehmen können, indem sie Informationen weitergeben, die dann meist auch transportiert werden. Weniger kluge Bürgermeister selektieren bei der Presse und müssen dann damit rechnen, dass sie bei Veröffentlichungen nicht mehr gehört werden.

Tegernseer Stimme: Und was ist der Vorteil für die Gemeinden, wenn Sie im Vorfeld von sich aus umfassend informieren?

Hardy Prothmann: Durch gut aufbereitete Zahlen und Inhalte haben wir als Presse auf alle Fälle korrekte Zahlen. Ein Beispiel: Die Stadt Weinheim hat einen Imagefilm drehen lassen – zu den Kosten wollte man sich nicht äußern. Als Gerücht gingen dann 5.000 Euro in der Stadt rum. Das haben wir geschrieben. Danach gab es helle Aufregung, viel böses Geschwätz – letztlich wurden dann von der Stadt 1.000 Euro als Kosten beziffert. Den Ärger hätte man sich sparen können.

Tegernseer Stimme: Ist es für die Rathäuser nicht ein großer Aufwand, die Redaktionen mit Informationen zu versorgen?

Hardy Prothmann: Überhaupt nicht. Sie drucken, neben den Unterlagen für die Gemeinderäte, einfach ein paar Exemplare mehr aus. Klar, es entstehen Druckkosten und Portogebühren, aber das fällt nicht wirklich ins Gewicht, wenn man sich die Vorteile vor Augen führt. Denn wenn wir was nachschauen müssen, haben wir die Unterlagen und müssen nicht jemand im Rathaus unnötig von der Arbeit abhalten.

Einige Gemeinden gehen mittlerweile dazu über, die Unterlagen per E-Mail zu senden. Dadurch gibt es gar keine Kosten mehr, und für uns ist das eine enorme Arbeitserleichterung.

Tegernseer Stimme: Zusammengefasst: Wie bewerten Sie den Umgang mit Informationen in Ihrem Gebiet?

Hardy Prothmann: Insgesamt gut – ich wünsche mir aber trotzdem Verbesserungen. Ich hätte am liebsten alle Unterlagen elektronisch, dann könnten wir diese redaktionell besser und schneller verarbeiten.

Und ich wünsche mir ein Informationsfreiheitsgesetz für Baden-Württemberg, das es in Bayern schon gibt. Eigentlich könnten die Bayern viel weiter sein als wir.

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