“Transparenz zur Chefsache machen”

Am 16. März entscheidet sich, wer neuer Rottacher Bürgermeister wird. Neben Christian Köck von der CSU und dem parteifreien Josef Bogner ist auch Hermann Ulbricht von den Freien Wählern im Rennen.

Der 49-jährige Keramikermeister und aktuell Zweiter Bürgermeister will die Entscheidungsprozesse der Gemeinde künftig transparenter gestalten. Zudem plädiert er für eine intensivere talübergreifende Zusammenarbeit und hat als Vision ein Talparlament.

Bürgermeisterkandidat Hermann Ulbricht will im Falle seiner Wahl für mehr Transparenz in der Gemeindepolitik sorgen.
Bürgermeisterkandidat Hermann Ulbricht will im Falle seiner Wahl für mehr Transparenz in der Gemeindepolitik sorgen.

Guten Tag Herr Ulbricht, Sie haben vor Kurzem betont, dass Sie als Bürgermeister für mehr Transparenz in Ihrer Gemeinde sorgen würden. Was meinen Sie damit?

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Hermann Ulbricht: Es geht darum, die Bürger noch stärker mitzunehmen, ihnen zu zeigen, wie Entscheidungsprozesse ablaufen und die Entscheidungen im Gemeinderat zustande kommen. Wie ich schon mal gesagt habe, wäre eine Möglichkeit, mehr Unterlagen zu den Sitzungen im Internet zugänglich zu machen. Bei besonders großen Projekten wie dem Bau der Turnhalle wäre sicher auch eine Informationsveranstaltung gut, um die Pläne der Gemeinde vorzustellen und sich von den Bürgern noch Anregungen einzuholen.

Josef Bogner, Ihr Mitbewerber um das Bürgermeisteramt, will Bürgerabende abhalten, um so eine Grundlage für die Abstimmung des Gemeinderats zu bekommen. Sind auch Sie dafür, dass der Gemeinderat ein Stück seiner Kompetenzen abgibt?

Hermann Ulbricht: Nein, so ist das zumindest bei mir nicht gemeint. Die Mitglieder des Gemeinderates sind die gewählten Volksvertreter. Die Meinung der Bürger ist sehr wichtig und muss berücksichtigt werden. Die Beschlüsse sollte aber dann schon der Gemeinderat treffen.

Was halten Sie von einer Live-Übertagung der Sitzungen?

Hermann Ulbricht:Ich persönlich habe da nichts dagegen und werde das im Falle meiner Wahl zum Bürgermeister auch nochmal zur Diskussion stellen. Es gibt aber nach wie vor auch einige offene Fragen, die geklärt werden müssen. Aus meiner Sicht ist eine Live-Übertragung nur sinnvoll, wenn alle Mitglieder des Gemeinderats auch mitmachen. Einzelne Personen auszublenden finde ich nicht gut. Zudem sind die Anschaffungskosten für die Technik relativ hoch. Wir sind eine kleine Gemeinde. Man muss einfach überlegen, ob wir das brauchen oder nicht.

Apropos Kosten: In Rottach-Egern sind gerade einige Projekte im Gange, die den Gemeindehaushalt erheblich belasten. Durch den Bau der Turnhalle inklusive neuer Tiefgarage und den geplanten Neubau des Bauhofs werden die Rücklagen bis 2016 fast vollständig aufgebraucht sein. Wie wollen Sie Rottach in den kommenden Jahren handlungsfähig halten?

Hermann Ulbricht:Wir müssen uns sicherlich ganz genau überlegen, welche Investitionen unbedingt notwendig sind und welche wir besser verschieben sollten. Der Bau der Turnhalle und der geplante Neubau des Bauhofs sind mit Sicherheit richtig. Auch das Thema Hochwasserschutz an der Rottach muss jetzt umgesetzt werden. Wir dürfen nicht warten, bis das nächste Hochwasser kommt. Um weitere Projekte finanzieren zu können, bleibt im absoluten Notfall der Verkauf gemeindeeigener Grundstücke. Das darf aber nur das letzte Mittel sein, ich bin eigentlich gegen den Verkauf von Grundstücken.

Glasl als Gasthof erhalten

Kommen wir zum Gasthof Glasl, einem Thema, das die Rottacher Bürger noch immer stark beschäftigt. Der Bauausschuss hat vor Kurzem den Weg für eine Wohnbebauung im Bestand des Gebäudes frei gemacht. Ist damit der Erhalt einer Gaststätte endgültig gestorben?

Hermann Ulbricht: Nein, noch nicht. Wie bereits bekannt ist, waren Vertreter einer Stiftung, die sich auf den Erhalt von denkmalgeschützten Gaststätten spezialisiert hat, bei uns zu Gast. Sie haben mit dem Bürgermeister Franz Hafner gesprochen und signalisiert, dass sie sich durchaus vorstellen können, das Gebäude zu erwerben. In nächster Zeit werden wir uns also gemeinsam mit der Stiftung, dem Glasl-Eigentümer Herrn Lentner und dem Architekten treffen, um die Möglichkeiten zu erörtern.

Also setzt die Gemeinde weiterhin auf ein Gasthaus an der Stelle?

Hermann Ulbricht: Das kann man jetzt noch nicht sagen. Wir sind hier aber auf einem guten Weg. Ein Erhalt des Gasthauses wäre der Idealfall. Natürlich muss Herr Lentner aber auch einen für ihn angemessenen Preis erzielen können.

Der Glasl ist nur eines der Vorhaben, bei denen durch eine weitere Bebauung Flächen verdichtet werden. Wie würden Sie als Bürgermeister mit dieser Entwicklung umgehen?

Hermann Ulbricht: Das ist sicherlich eine der großen Aufgaben des neuen Gemeinderats. Rottach-Egern weist schon seit Jahrzehnten keine neuen Flächen mehr aus und das ist auch gut so. Wir müssen unsere Grünflächen im Außenbereich unbedingt erhalten. Das Problem ist, dass die Flächenverdichtung von der bayerischen Staatsregierung so gewollt ist. Unser großes Glück ist unsere Ortsgestaltungssatzung. Diese gilt es, konsequent einzuhalten. Will ein Bauträger dann an einer Stelle ein neues, größeres Gebäude errichten, muss er auch mehr Abstandsflächen ausweisen und sich an der umliegenden Bebauung orientieren.

Ulbricht
In Ulbrichts Augen ist die zunehmende Flächenverdichtung in Rottach ein großes Problem.

Und trotzdem werden die Entscheidungen der Gemeinde vom Landratsamt als Genehmigungsbehörde oft rückgängig gemacht. Da die Angst vorherrscht, sonst vor Gericht zu landen, richtet man sich im Zweifel eher nach der bayerischen Bauordnung als nach der Ortsgestaltungssatzung. Welche Lösung sehen Sie hier?

Hermann Ulbricht: Ich bin dafür, schon im Vorfeld eine für alle Seiten verträgliche Lösung zu finden. Auch ein Bauherr hat lieber die Zustimmung der Gemeinde auf seiner Seite, als sich auf ein langes Verfahren einzulassen. Das Rottacher Bauamt sollte bereits bei einer ersten Bauvoranfrage das Gespräch mit dem Bauträger suchen, um hier Fehlentwicklungen und Streit zu vermeiden. Dabei muss auch klar werden, was aus Sicht der Gemeinde denkbar ist und was nicht.

Ein Bauträger wird aber immer versuchen, die für seinen Geldbeutel optimale Lösung zu erreichen. Kompromissbereitschaft bedeutet oft auch weniger Profit. Ist es nicht besser, im Zweifel eine Klage zu riskieren, als von vornherein klein beizugeben, wenn sich ein Investor nicht an die Vorgaben der Gemeinde hält?

Hermann Ulbricht: In einzelnen Fällen haben wir das auch schon vor Gericht durchgefochten. Eine Klage muss aber auch realistische Erfolgsaussichten haben. Wenn ein Bau nach der bayerischen Bauordnung zulässig ist, dann sind viele Einwände von uns nicht haltbar. Einfach so eine Klage zu riskieren, halte ich für den falschen Weg. Wir brauchen die Mittel, die in dem Fall draufgehen würden, für andere Dinge.

Gemeindewohnungen effektiver nutzen

Dabei bleibt die Frage, wie die Gemeinde zukünftig bezahlbaren Wohnraum für junge, einheimische Familien schaffen will, wenn keine neue Flächen ausgewiesen werden?

Hermann Ulbricht: Wir haben in der Tat nur die Grundstücke zur Verfügung, die sich bereits im Gemeindebesitz befinden und als Bauland ausgewiesen sind. Ich bin dafür, unsere rund 160 Gemeindewohnungen noch effektiver zu nutzen. Diese sind zwar derzeit voll, die Warteliste ist aber nicht lang. Wir sollten versuchen, sie so umzubauen, dass sie auch von jungen Familien gut genutzt werden können. Manche der Wohnungen sind ungünstig geschnitten. Hier könnte man durch ein paar bauliche Veränderungen sicherlich noch was rausholen.

Die Deutsche Rentenversicherung will ihre Klinik auf der Point in Tegernsee deutlich erweitern. Geht man nach den ersten Entwürfen, könnte dort ein Koloss entstehen, der voll im Sichtfeld der Gemeinde Rottach-Egern steht. Wie ist Ihre Haltung zu dem Projekt?

Hermann Ulbricht: Wir und auch der Tegernseer Stadtrat haben ja bereits deutlich gemacht, dass uns die Pläne so deutlich zu massiv sind. Auch die Rentenversicherung hat bereits Kompromissbereitschaft signalisiert und wird nun neue Pläne einreichen. Mal sehen, wie diese ausfallen. Wir als Gemeinde Rottach-Egern können das ja nicht entscheiden, sondern nur eine Stellungnahme dazu abgeben.

Was passiert, wenn auch diese Pläne erneut massiv ausfallen? Tegernsee kann sich einen Rückzug der Orthopädischen Klinik aus wirtschaftlicher Sicht eigentlich nicht leisten, da viele Gästebetten, aber auch Arbeitsplätze wegfallen würden. Auch für die Rottacher Geschäfte und Restaurants wäre ein Ende der Klinik sicherlich schmerzvoll.

Hermann Ulbricht: Ich denke nicht, dass die Rentenversicherung den Premiumstandort Tegernee einfach so aufgibt. Hier hat man vonseiten der Klinik versucht, Druck auf die Gemeinden auszuüben und das ist inakzeptabel. Auch wenn wir als Rottacher hier nicht das letzte Wort haben, sollte man bei solchen Vorhaben talweit denken und aufeinander Rücksicht nehmen. Das sieht man, denke ich, auch in Tegernsee so.

Ein Talparlament als Zukunftsvision

Auch viele Bürger sind dafür, dass man viele Themen talweit behandelt und die Zusammenarbeit zwischen den Talgemeinden verstärkt wird. Wie sehen Sie das?

Hermann Ulbricht: Ich bin ebenfalls dafür, die Zusammenarbeit zu intensivieren. Eine talweite Bürgermeisterdienstbesprechung einmal im Monat reicht da nicht aus. Es muss auch darum gehen, die Verwaltungsstrukturen miteinander zu vereinen. Das zentralisierte Standesamt in Tegernsee ist hier ein sehr gelungenes Beispiel und trotzdem kann man noch in jedem Ort heiraten. Auch Wohnraum für junge Familien, Bauen oder Verkehr sind Themen, die man talweit angehen muss. Es muss also mehr Treffen und gemeinsame Sitzungen der Gemeinderäte und der Verwaltungsmitarbeiter geben.

Also läuft irgendwann alles auf einen talübergreifenden Bürgermeister hinaus?

Hermann Ulbricht: Das ist eine Zukunftsvision. Ich sehe auch ein gemeinsames Talparlament mit Vertretern aller Gemeinden. Deshalb wird keine der Kommunen ihre Eigenständigkeit verlieren, aber so kann man die Zusammenarbeit untereinander verbessern. Ein Talparlament könnte ein Fernziel in zehn oder 15 Jahren sein. Bis dahin gilt es, die Zusammenarbeit weiter auszubauen.

Was wären Ihre ersten Amtshandlungen als neuer Rottacher Bürgermeister?

Hermann Ulbricht: Es gilt natürlich, die anstehenden Projekte, wie den Bau der Turnhalle, zu Ende zu bringen. Wie eingangs betont, werde ich das Thema Transparenz zur Chefsache machen, um den Bürgern mehr Informationen zu den Entscheidungen und Abläufen im Gemeinderat zur Verfügung zu stellen. Ich bin ein Teamplayer, der auch den fraktionsübergreifenden Dialog suchen wird.

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