Skulpturen, Keramiken und Malereien von Stefan Szczesny sind derzeit am Tegernsee zu sehen. Sie sind der Auftakt der 1. Tegernseer Art Masters. Viele begeistert seine farbenfrohe und schwungvolle Kunst; doch nicht alle.
Am Donnerstagabend versammeln sich vor der Leinwand des funkelnden Tegernsee Kunstliebhaberinnen, Sponsoren, Politikerinnen und Organisatoren. Es ist der Auftakt für die 1. Tegernseer Art Masters. Sie wollen mit ihrem neuen Verein Kunst und Kultur an und um den Tegernsee fördern.
Zum Start haben sie sich für Szczesny entschieden: 30 Stahl-Skulpturen rund um den Tegernsee und Malereien und Keramiken in der RNP Galerie in Rottach-Egern. Die bunten Skulpturen sind von Kaltenbrunn weiter um den Tegernsee gewandert. Die meisten nach Rottach-Egern.
Hier steht nun auch der Lebensbaum: Der ragt 6,5 Meter in die Höhe und wurde über vier Tage aufgebaut; 1.000 Schrauben halten ihn zusammen. Die Sonne bringt das Spiegelwerk, das sich “eine Vision des irdischen Paradieses und eine Ode an das Lebensglück” vorgenommen hat, zum Strahlen.
Philosophisches und viele zarte Blau-Töne
Der Himmel weiß-blau, darunter Frauen in lässig bunter Casual-Strickmode und Turnschuhe mit Retro-Sonnenbrillen versus Damen, die geometrische High-Fashion in Schwarz-Weiß bevorzugen. An der Seite des Lebensbaums sitzen die Blasmusiker in traditioneller Tracht und warten auf ihren Einsatz.
Der muss jetzt erstmal warten, denn Thomas Tomaschek, Vorstand der Tegernsee Art Masters e.V. und Sprecher für die Grünen im Tal, ist aufgeregt. In seiner Begrüßung spannt er einen Bogen von der Demokratie (in Gefahr) zu der “bunten, lebensbejahenden, sehr kraftvollen” Kunst von Szczesny.
Monsignore Walter Waldschütz, Pfarrer und Leiter des Pfarrverbands Tegernsee-Egern-Kreuth, segnet den Lebensbaum, auch wenn das Weihwasser nur ein paar störrische Tropfen freigibt. Besonders freut ihn, dass man durch die Spiegel-Stücke zur St. Laurentius Kirche blicken kann. Er gibt allen die Hausaufgabe 15 Minuten vor dem Baum zu meditieren.
Jetzt spielt die Bläsertruppe und dann spricht Barbara Bruns von der COSMO Art & Science über die Entstehung des Lebensbaums in St. Tropez und darüber, dass Kunst das Leben der Menschen bereichere. Warum es kurz um Hundezucht und Genforschung geht, bleibt absurd und amüsant. Die COSMO Art & Science hat die Szczesny-Tal-Kunst wesentlich unterstützt und träumt davon, den Lebensbaum zur Biennale zu bringen.
Dann geht Gabriele Schultes-Jaskolla, dritte Bürgermeisterin der Gemeinde Rottach-Egern, ans Mikrofon. Sie nimmt in ihrer Begrüßung alle vom Tegernsee mit nach St. Tropez. “Wasser, Berge” zählt sie als Gemeinsamkeiten auf und eben “die kleinen Dörfer, die schon vor 100 Jahren Sehnsuchtsorte” waren. Dem azurblauen Meer stellt sie ein bayerisches Weiß-Blau gegenüber.
Himmelblau wird es dann mit Rebecca Niehues-Paas, die die Kunst in ihrer Galerie in Rottach-Egern ausstellt. Die Galeristin im stilsicheren himmelblauen A-Linien-Rock ist glücklich, dass “mir ein weltbekannter Künstler die Ehre erweist, ihn ausstellen zu dürfen.”
Spricht Kunst für sich?
Kurz und prägnant wird es dann mit dem Künstler, Stefan Szczesny: Unter dem Samt-Sako blitzt ein pinkes Hemd, die Haare sind vom Wind leicht zerzaust; das verleiht ihm ein überirdisches künstlerisches Aussehen. Szczesny bedankt sich bei den Kunst-Förderern und erzählt von seiner Liebe zum Tegernseer Tal: “Ich habe hier Skifahren gelernt an der Moni-Alm” und, dass seine Hauptsprache die Kunst selber sei.
Im Gespräch mit der Tegernseer Stimme erzählt er, dass seine Figuren “besonders gut eben vor dem See oder mit dem See funktionieren”, weil das Wasser für ein anderes Licht sorgt und damit auch eine Dynamik entsteht.
Dann verstummt er und die Gruppe spaziert, fährt oder mäandert in die RNP Galerie. Hier sind seine Malereien ausgestellt, ein paar Keramiken und Surfbretter. Die Malereien leuchten in Neon-Farben; darauf abstrakte Frauen-Gesichter oder Körper, mit etwas Obst, einem Blumenstrauß und umgeben von mediterranem Flair. Wer ein Bild nach Hause mitnehmen mag, ist ab 5.500 Euro dabei, eine Skulptur gibt es schon ab 600 Euro (Korrektur 13. Juni, 17:32).
Frauenbilder, Historie, Kunst-Schauen
Bereits in der Vergangenheit wurden Szczesnys Werke unter anderem für sein Frauenbild kritisiert. Er verstärke damit traditionelle Geschlechterrollen und objektiviere Frauen.
Auch am Tegernsee kann nicht jede und jeder etwas mit den Stahl-Frauen anfangen. “Das wäre eher etwas für eine Metropole”, lautet eine Antwort auf die Frage, ob die Kunst gefalle. “Nicht meins” heißt es “Marketing-” oder auch “Altherren-Kunst”. Seine Stahlskulpturen seien “aus der Zeit gefallen”, raunt es, gar “sexistisch” und “kolonialistisch”.
Auf sein Frauenbild angesprochen und warum er vor allem Frauen schleife, antwortet Szczesny, dass er Frauen interessanter finde und dass sie im “übertragenen Sinne das Symbol für Leben sind”.
Seine Fans sehen in den aufgerichteten Brustwarzen und schlanken und biegsamen Taillen pure Schönheit und Lebensfreude. Skeptikerinnen sehen darin eine einfallslose Darstellung einer Idee von Frau, die es in der Realität nicht gibt und deren Leben längst nicht mehr vom Thema Kinderkriegen bestimmt wird.
Auch der Vorwurf der kulturellen Aneignung ist nicht neu. Dahinter steckt der Gedanke, dass eine dominante Kultur den Stil oder die Ästhetik einer marginalisierten Kultur kopiert (Caribbean Style?) und damit ein historisches Muster bedient. Während die eine Kultur davon was habe, gehe die andere leer aus; um das Argument mal sehr holzschnittartig zu fassen.
Bereits 2008 waren Stahl-Kunstwerke von Szczesny am Tegernsee zu sehen; die “Omas”, wie sie Tomaschek liebevoll in seiner Rede bezeichnet. Die mächtigen Omas sollen farblos gewesen sein, etwas rostig, hatten eben “Patina”. Auch damals soll sein Werk nicht nur auf Gegenliebe gestoßen sein.
Doch Kunst, die nur geliebt wird, wird ihrem Anspruch nicht gerecht. Umgekehrt muss sich Kunst ihrer Kritik stellen, sie zumindest anerkennen, um ihren Status halten zu können.
Über Stefan Szczesny
Der Münchner Künstler Stefan Szczesny zählt international zu den bekanntesten deutschen Künstlern zählt. Stefan Szczesny engagierte sich in den späten 1970er-Jahren als einer der „Jungen Wilden“ für eine neue, ausdrucksstarke und figurative Kunst.Seine knalligen Stahlskulpturen waren unter anderem in New York, Miami, London, Paris, St. Barth und St. Tropez ausgestellt. Hier lebt der Künstler Stefan Szczesny seit 2000.
Für die Ausstellung am Tegernsee kamen die Stahlkunstwerke erstmals wieder zusammen. Sie sind noch bis Ende Oktober an ausgewählten Plätzen am Tegernsee zu sehen, ebenso seine Skulpturen, Keramiken und Malereien. Aktuell arbeitet Stefan Szczesny gemeinsam mit der UNESCO an dem Projekt #Art4GlobalGoals und will die Entwicklungsziele der Weltgemeinschaft künstlerisch umsetzen.
Korrektur, 13. Juni 2024, 17.32
Im ersten Artikel schrieb die Autorin, dass man mit einem Bild “ab 40.000 Euro” dabei sei, korrekt ist, dass es auch Bilder ab 5.500 Euro gibt. Wir bitten um Entschuldigung für diese Fehlinformation. Die Zahlen haben wir im Text entsprechend korrigiert.
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