Gebietsbetreuer Florian Bossert kniet vor der Falle aus schwarzem Netz. Er gräbt den Hering tiefer in den Sand ein, schlägt mit einem Hammer. Ein weißes Schild verrät, worum es sich hier handelt. „Insektenfalle – bitte nicht berühren“ steht dort. Im Tal stehen vier Malaise Fallen, die nach ihrem Erfinder, dem schwedischen Forscher René Malaise benannt sind. Die Insekten fliegen gegen das Netz, flüchten dann nach oben in Richtung Licht und fallen in eine Flasche mit Industriealkohol.
Der Gebietsbetreuer muss die vier Fallen im Talbett alle zwei Wochen absammeln. Die Flaschen werden ausgetauscht. Das Projekt ist ein Nachfolger des ehrgeizigen Forschungsprojektes Barcoding Fauna Bavarica. Damit sollte der DNA-Barcode von allen Tieren in Bayern festgelegt werden. Doch dies gelang nicht ganz, es waren zu viele. In dem neuen Projekt arbeitet nun ein Konsortium aus drei deutschen Instituten mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt zusammen. Für die Zoologische Staatsammlung München ist Dieter Doczkal in den Landkreis Miesbach gekommen. Er hat insgesamt 40 Fallen in Südbayern aufgestellt und weitere zwölf im Rheintal. Im April hat er damit angefangen, drei Jahre soll geforscht werden. Die Auswertung wird mehrere Jahre dauern.
„Das Projekt wird die Erkenntnisse über die Artenvielfalt deutlich steigern“, urteilt Dieter Doczkal, „wir können noch nicht einmal eine seriöse Schätzung machen, wie viele Arten wir noch gar nicht kennen“. Dies betrifft vor allem kleine Tiere, sie stellen die höchste Artenvielfalt in ganz Deutschland, wie etwa Gallmücken. Dabei gibt es gar keinen Experten, der sich wissenschaftlich fundiert mit ihnen beschäftigt. Nur in Schweden gebe es dazu Fachleute, berichtet Doczkal.
Von den gefangenen Tieren wird das Erbgut sequenziert. Die Staatssammlung beauftragt damit ein Labor in Kanada. Falls es hier keine Übereinstimmung mit erfassten Tieren gibt, könnte es sich um eine neue Art handeln, etwa Parasiten von Pilzmückenlarven. Die Gen-Sequenzen werden in einer kanadischen Datenbank aufgenommen, auf die Forscher aus der ganzen Welt zugreifen können – das Barcode of Life Data System (BOLD) des kanadischen Biologen Paul Hebert.
Florian Bossert springt über den Bach, auf dem Weg zur nächsten Falle an der Uferböschung. Er arbeitet außerdem noch an einem weiteren Projekt an der Hofbauernweißach mit. Zusammen mit dem Helmholtz-Zentrum Umweltforschung werden Tagfalter und Widderchen gezählt – selten gewordene Schmetterlinge wie der Trauermantel, der Thymian-Ameisen-Bläuling, Schlüsselblumen-Würfelfalter oder der Quellen-Mohrenfalter. In dem vielbegangenen Tal mit dem Bachbett wirft seine Arbeit Fragen auf. „Für einen Gebietsbetreuer ist dieses Projekt hochinteressant“, meint Bossert, „man unterstützt die Wissenschaft. Und gleichzeitig werde ich viel und oft angesprochen. So kann ich Besucher für den Naturschutz begeistern und für den Erhalt der Artenvielfalt“.
Und wie auf das Stichwort schreit ein kleiner Junge in rotem T-Shirt vom anderen Ufer herüber: „Was macht ihr da?“ fragt er die beiden Forscher an den Fallen. Damit hat er einen Wesenszug für einen guten Naturforscher schon gezeigt, nämlich Neugierde. Der spannende Beruf ist zukunftssicher. Denn selbst bei weiteren Jahrzehnten der Forschung werden immer noch neue Arten entdeckt und kategorisiert – auf der ganzen Welt, in Bayern und im Landkreis Miesbach.
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