Fünf Fakten:
Und keiner weint mir nach? Landschaftsschutzgebiet Tegernsee und Umgebung

Die Gemeinden sind sich einig, dass das Landschaftsschutzgebiet eine feine Sache ist. Aber lästig ist es auch, was die Herausnahme diverser Flurstücke für Bauprojekte zeigt. Eine Einordnung.

Blick vom Wallberg Richtung Süden. Auch ist Teil des LSG. Foto: Julia Jäckel

Im Sommer 2022 stapft die Richterin Cornelia Dürig-Friedl, vom Verwaltungsgericht München, den Weg zur Saurüsselalm hinauf und verkündete Landschaft und Bürgerschaft ihr Urteil. Ein Vorort-Termin, um Wegebau und Umbau der Saurüsselalm zu begutachten. Es galt zu klären, ob das Landratsamtes Miesbach hier etwas genehmigt habe, was nicht genehmigt gehört und vom Verein zum Schutz der Bergwelt vor Gericht gebracht wurde. Die Richterin sprach ihr Urteil, (das Berufungsverfahren dazu ist im Gang) und ließ wie nebenbei die Verordnungen der Landschaftsschutzgebiete (LSG) an ihrer Rechtsauffassung zerschellen: Ein grundsätzliches Bauverbot sei mit heutigem Recht nicht mehr vereinbar.

Seitdem sind die Gemeinden aufgescheucht: Einerseits, weil es durchaus ein Einverständnis darüber gibt, dass das Tegernseer Tal und seine Natur schützenswert sind, andererseits, weil jetzt endlich die Tür aufgeht für Spaten, Bagger und Baupläne. Das Landratsamt hat die Gemeinden an die Hand genommen, sie sollen doch bitte jeweils mal nochmal schauen, was denn so im Gemeindebereich zum Landschaftsschutzgebiet zähle und darüber diskutieren. Vielleicht müsse man da auch was anpassen?

Dass das nur eine Art Vorberatung ist, quasi eine freundliche Anhörung der unteren Politikebene, daran scheint sich niemand so richtig zu stören. Brav regen sie sich auf: In Bad Wiessee sehen Landwirte wie Alois Fichtner und sein Kollege, Georg Ehrlacher, die Arbeiten auf ihren Almen in Gefahr. Im Stadtrat Tegernsee waten viele Räte in einem argumentativen Sumpf, scheinen nicht recht zu wissen, ob etwas herausgenommen oder im LSG bleiben soll. In Gmund findet Bürgermeister Besel, dass andere Naturschutzregelungen völlig ausreichen.

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Wiederbelebung der LSG

Das Landratsamt hat eine Arbeitsgruppe auf die Wiederbelebung der Landschaftsschutzgebiete angesetzt. Hier sitzt pro Kreistag-Fraktion ein Vertreter. Proaktiv voran, könnte ja jemand wieder die Misere des Verlustes der Original-Karten der Landschaftsschutzgebiete aus dem Keller zerren.


#1: Wer hats erfunden? Anton Bauer: Vater der Umweltbewegung

Anton Bauer, Landrat in Miesbach in den 50er Jahren, hat das Gebiet um den Tegernsee (also den See) 1955 kurzerhand unter Landschaftsschutz gestellt. So quasi von heute auf morgen. Und hat es der Tal-Gemeinde plus Tal-Politik im Amtsblatt verkündet. Der Grund? Allein von 1946 bis 1953 soll sich die Zahl der Bauvorhaben im Tal verdreifacht haben.

Das eigenmächtige Vorgehen Bauers erzürnte die Tal-Bürgermeister, sahen sie doch Träume von Berghotels und andere an der neuen Verordnung bersten. In der SPD-Miesbach wird Bauer als “Vater der Umweltbewegung” gefeiert und hat 2017 den Anton-Bauer-Umweltpreis verliehen bekommen. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, dass der Herr Bauer einfach erkannt habe, dass niemand mehr ins Tal reist und sein Geld für Erholung ausgeben mag, wenn die Ufer und Hänge verbaut sind.

#2: Wozu denn Landschaftsschutz?

Bergmischwald, Uferzonen, Baumhecken (Hage), Streuwiesen, die stehen unter Landschaftsschutz. Das heißt, hier darf niemand seinen Dreck abladen, mit seinem Allrad-Traum hineinbrettern oder eine High-Cardio-Einheit im Schilf feiern – grundsätzlich etwas, was mit “gesundem” Menschenverstand auch hinhauen könnte. Tut es aber nicht. Deswegen also ein Regelwerk. Der Landschaftsschutz bremst und gestaltet. Er bremst da, wo andere graben wollen. Er kann somit zum Werkzeug für die Gemeinden werden, ein “Hemmschuh”, wie es Johannes von Miller von den Grünen in Bad Wiessee nennt. Eine Bremse, wenn Investoren schon “mit den Hufen scharren”. Und Landschaftsschutz gestaltet: Denn er setzt das Allgemeinwohl vor den Willen des Einzelnen, will auch den Generationen von Morgen das

#3: Wo sind die Karten?

Im Zuge des Sudelfeldausbaus vor etwa zehn Jahren, wurde bekannt, dass das Landratsamt die Original-Karten verloren habe. Verschwunden, weg, kaputt … Es soll zahlreiche Kopien geben, und auch in der aktuellen Vereinbarung kann jeder Zentimeter genau nachvollziehen, wo der Landschaftsschutz anfängt und wo er aufhört (QUELLE). Dennoch ist der Verlust der Karten nicht nur peinlich, er führt auch dazu, dass im Hier und Jetzt die Vereinbarung “formell ungültig” ist.

Der Kreistag reagierte 2019 mit einer neuen Beschlussfassung. Wegen eines Protokollfehlers war auch dieser Beschluss hinfällig. Nun werde es darum gehen, die Landschaftsschutzgebiete im Landkreis Miesbach neu und rechtssicher aufzustellen, so Miesbachs Landrat Olaf von Löwis. Im Dezember letzten Jahres wurde dann die aktuelle Vereinbarung gebacken, die sich als “einstweilige Sicherstellung” rühmt.

#4: Dürfen die Landwirte nicht mehr mähen?

Die Ängste einiger Landwirte, dass sie jetzt ihr Vieh von den Almen schubsen müssen, zeigen, dass das ordentliche Lesen von Vereinbarungen nicht jedermanns Sache ist und auch nicht jedem Gemeinderat zugemutet werden kann. Unter Ausnahmen liest man hier, dass “die ordnungsgemäße landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung” von den Verboten ausgenommen ist. Auch Weidezäunen sind ok, auch saufen darf das liebe Vieh; sogar aus einer dafür gebauten “Anlage”.

#5: Raus oder rein?

Wenn man lange genug am Landschaftsschutz zerrt, fällt ein Flurstück heraus. Wer etwas aus dem Landschaftsschutzkuchen herausschneiden will, muss einen Kreistagsbeschluss erwirken. Beispielhaft stehen dafür zahlreiche Bauvorhaben der letzten Jahre: ob Abfüllanlage Gmund oder gleich Gewerbetraum Gmund. Auch Kreuth hat sich dieses Jahr für seine Handwerkerzunft ein paar Stücke rausgehebelt. Der Golfplatz in Piesenkam steht auf ursprünglichem Landschaftsschutzgebiet. Florian von Brunn (SPD), Mitglied des Bayerischen Landtages, schrieb damals: “In den letzten Jahren nahm das Landratsamt Miesbach laut Staatsregierung 67 ha Fläche (entspricht ca. 94 Fußballfelder) aus dem Schutzstatus.” Die Landschaftsschutzverordnung mag ein Papiertiger sein, aber sie sorgt immerhin für Diskussion, “schärft das Bewusstsein” so Gemeinderat Miller. 2023 beschloss der Kreistag die Herausnahme von rund 8.000 Quadratmeter aus dem Landschaftsschutzgebiet Tegernsee und Umgebung. “Der Antrag dazu wurde von der Gemeinde Kreuth gestellt. Die Herausnahme von Flächen zur Errichtung eines Bikeparks am Oedberg (Antrag der Gemeinde Gmund) wurde im Umweltausschuss abgelehnt, sodass hier keine Flächen herausgenommen wurden,” meldet auf Anfrage der Tegernseer Stimme die Pressestelle des Landratsamtes (aktualisiert, Montag, 4. Dezember 2023).

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