Den Abend des 13. Dezembers werden die Eltern der neun Jugendlichen des TSV Bad Wiessee so schnell nicht vergessen. Keiner rechnete damit, dass die Kinder den dritten Advent nicht bei ihrer Familie, sondern im Krankenhaus verbringen würden.
Die Jugendmannschaft des TSV Bad Wiessee war am Samstagabend gegen 20:30 Uhr auf dem Rückweg von einem Fußballturnier in Hausham, als sich der schwere Unfall ereignete . Fahrer des Kleinbusses war der 19-jährige Jungendtrainer. Aus bisher ungeklärten Gründen überschlug sich das Fahrzeug und kam erst nach 60 Metern zum Stehen. Nicht nur die Beteiligten stellen sich jetzt die Frage nach dem „Warum?“.
Verantwortung für neun Menschen
Die Kinder kamen mit Prellungen, Schnittverletzungen und Knochenbrüchen ins Krankenhaus und wurden umgehend behandelt. Thomas Erler, Vorstand des TSV Bad Wiessee, gibt am heutigen Montag Auskunft über den Zustand der Verletzten:
Bis auf drei Fußballer sind alle wieder aus dem Krankenhaus entlassen. Einer wurde mit Armbruch operiert, kann aber heute oder morgen auch wieder nach Hause gehen.
Der Fahrer stand noch bis gestern unter Schock und erlitt Schnittwunden im Gesicht sowie eine Prellung der Schulter. Gestern Nachmittag haben ihn die Ärzte dann aus dem Krankenhaus entlassen.
Ein Unfall kann immer passieren. Doch beim Vorfall vom Samstag spielen bestimmte Faktoren eine entscheidende Rolle. Anlass zur Kritik gibt die Tatsache, dass der Fahrer unerlaubt eine Person zu viel im Fahrzeug transportiert und somit die Anschnallpflicht verletzt hat. Fraglich ist auch, ob man die gesamte Verantwortung für neun Menschen einem noch so jungen und unerfahrenen Fahrer übertragen kann. Mangelnde ehrenamtliche Bereitschaft und fehlender Nachwuchs seien der Grund, weshalb der fahrlässige Fahrdienst zustande kam, so Thomas Erler.
Organisatorische Aufgaben will keiner übernehmen
Viele Fußballvereine im Tal kennen das Problem, überhaupt Freiwillige für den Fahrdienst oder andere Betreuungsaufgaben zu finden. Vor allem wenn es um organisatorische Tätigkeiten geht, kehren viele dem Verein den Rücken zu. Die Kinder werden von den Eltern am Sportplatz abgeliefert, um den Rest sollen sich die Trainer kümmern, so Erler:
Fahren wollen die Eltern nicht, weil sie oft keine Zeit haben.
Gerade auf der Rückfahrt von Spielen müssten oft noch mehr Spieler mitgenommen werden, da diese sonst nicht abgeholt würden.
Das Problem, keine Bereitwilligen für derartige Tätigkeiten zu finden, bestätigt auch Marco Senger, Vorstand des SF Gmund-Dürnbach: „Die Bereitschaft der Eltern, sich zum Wohle ihrer Kinder auch mal ehrenamtlich einzusetzen, ist derzeit zu niedrig.“ Und auch Toni Erlacher, Vorstand des FC Rottach-Egern, kennt die Situation: „Generell ist die Lage der Freiwilligen schwierig.“
In Rottach sei es so geregelt, dass sich der Trainer im Vorfeld um die Planung und die Organisation kümmern müsse, sagt Erlacher. Im fraglichen Fall liege dann aber die volle Verantwortung auf den Schultern eines 19-Jährigen, der zudem noch berufstätig sei.
Mehr Engagement bei den Eltern
Die Vorsitzenden des SF Gmund-Dürnbach und TSV Bad Wiessee, die im Jugendbereich eine Spielgemeinschaft bilden, sind sich einig, dass künftig andere Lösungen gefunden werden müssen. Von den Eltern der neun Jugendlichen konnte kein Einziger den Fahrdienst übernehmen. Jetzt soll gerade dieser schwere Unfall Eltern und Verantwortliche zum Nachdenken anregen, meint Senger:
Es gibt genügend Möglichkeiten, wie man die Risiken hätte senken können. Man kann zum Beispiel gewisse Regeln aufstellen, wie ein Mindestalter des Fahrers zu bestimmen. Was mir persönlich aber mehr am Herzen liegt, ist die Elternschaft intensiver bei der Betreuung mit einzubeziehen.
Senger schlägt drei Lösungsansätze vor, die zusammen mit den Eltern zeitnah umgesetzt werden könnten: Einerseits gibt es die Möglichkeit, feste Fahrer in der Vereinsmitgliedschaft einzuteilen. Zudem gibt es die Möglichkeit, externe Fahrer auf 450-Euro-Basis einzustellen. Dann müsste allerdings der Mitgliedsbeitrag erhöht werden, um diese auch bezahlen zu können.
Als sinnvollste Lösung sieht Senger aber mehr Bereitschaft bei den Eltern. Diese sollen die Fahrgemeinschaften intern selbst regeln und sich einigen, wer an welchem Turnier die Kinder hinbringt und abholt. So ließe es sich vermeiden, dass der Jugendtrainer allein die Folgen eines schweren Verkehrsunfalls zu tragen hat.
Polizei ermittelt wegen fahrlässiger Körperverletzung
In welchem Ausmaß sich die rechtlichen Folgen beim aktuellen Unfall für den 19-Jährigen bewegen werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar. Fakt ist, der Kleinbus war als 9-Sitzer mit zehn Personen besetzt. „Bei einer normalen Polizeikontrolle hätte es sich hierbei lediglich um eine geringfügige Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld gehandelt“, so ein Sprecher der Polizei Miesbach.
Passiert jedoch ein Unfall, sieht die Sache anders aus. Da die Jugendlichen infolge des Unfalls verletzt wurden, müssen die Beamten zunächst von einem Fehler des Fahrers ausgehen und ermitteln aus dem Grund wegen fahrlässiger Körperverletzung in neun Fällen. Das sei Standard, erklären die Beamten.
Ursache für den Unfall weiter unklar
Ob es tatsächlich ein Fahrfehler war, dürfte sich in einigen Wochen herausstellen, wenn die Ermittlungsergebnisse vorliegen. Laut Informationen von Erler könnte nämlich auch die glatte Straße eine Rolle gespielt haben. Der 19-Jährige würde im Falle einer Verurteilung mit einer Geldstrafe rechnen müssen. Sollte man ihm erschwerende Tatsachen – wie Trunkenheit oder Übermüdung – nachweisen, wird ihm möglicherweise auch der Führerschein entzogen.
Die Polizei Miesbach befragt daher alle Beteiligten zum genauen Unfallhergang. Erst danach wird der Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft München II übergeben. Diese entscheidet am Ende, ob sie tatsächlich Anklage gegen den Fahrer erhebt.
Wie man die Frage nach dem Fahrdienst und einer verlässlichen Betreuung künftig lösen will, wird dagegen schon heute Abend in einer internen Informationsveranstaltung der Spielgemeinschaft Bad Wiessee, Gmund und Tegernsee besprochen. Man wolle sich, so Erler, mit den Eltern über die genauen Hintergründe des Unfalls austauschen.
Dieser Vorfall hat gezeigt, wie dringlich es ist, darüber zu sprechen und zukünftig anders vorzugehen.
Denn bei dem Unfall hätte noch einiges mehr passieren können: „Man kann sagen, die Kinder haben am 13. Dezember ihren zweiten Geburtstag erlebt.“
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