Urinieren ohne Überwachung

Letzten Sommer wurden wir auf Überwachungskameras in den öffentlichen Toiletten der Rottacher Gemeinde aufmerksam. Kameras in so intimen Bereich lassen Zweifel an der Legalität derartiger Überwachung aufkommen. Und tatsächlich wurden die Kameras bald nach unseren Nachforschungen entfernt. Hatten wir den richtigen Riecher?

12 Jahre lang hingen die Kameras an der Decke / Quelle: Katrin Hofstetter

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen auf dem Klo – ein sehr intimer Moment – und jemand guckt Ihnen von oben zu. Sie denken unmöglich? So ging es im vergagenen Jahr einem Rottacher Bürger auf der Toilette.

Dürfen an öffentlichen Plätzen oder frei zugänglichen Toiletten Kameras angebracht werden? Zum Beispiel, wenn diese zur Aufklärung und Prävention von Straftaten wie Vandalismus dienen? In Rottach-Egern kam es wohl immer wieder zu Vandalismusvorfällen rund ums Seeforum und an anderen Stellen im Ort. Daher sah sich die Gemeinde dazu gezwungen, in den Außentoiletten des Seeforums – die immerhin abends abgeschlossen werden – Überwachungskameras zu installieren. So hieß es im Mai 2019 seitens der Gemeindeverwaltung.

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Warum sind die Kameras jetzt weg?

Doch sind mit der Kamera auch die Toilettenkabinen einsehbar? Geschäftsführer der Gemeinde Rottach-Egern Gerhard Hofmann stritt genau das damals ab. Nur den Waschbereich könne die Kameraüberwachung abdecken.

Die Pissoirs in den Männertoiletten seien sowieso nicht abgeschirmt. Daher befinden sich diese im Aufnahmebereich der Kameras. Angeschaut wurden die Aufnahmen jedoch laut Hofmann nur, wenn es zu einem Delikt kam. Außerdem werde das Material nach etwa 42 Stunden wieder gelöscht, betonte er damals.

Kurz nach unserem Bericht vor 1,5 Jahren wurden die Kameras aus den Toiletten entfernt. War da doch was faul?

Gemeinde lenkte sofort ein

“Anlass für die Videoüberwachung im Seeforum von Rottach-Egern waren seinerzeit wohl verschiedene Sachbeschädigungen bzw. Schmierereien. Nach der ursprünglichen Einschätzung der Gemeinde war die Einrichtung der Videoüberwachung deshalb verhältnismäßig gewesen. Unsere von Amts wegen durchgeführte Überprüfung ergab hingegen, dass lediglich einer vielleicht zwei der dokumentierten Vorfälle unmittelbar die überwachten Toiletteninnenräume betrafen”, erklärt nun der Landesdatenschutzbeauftragte Thomas Petri auf Nachfrage. Die Vorfälle hatten sich im Jahr 2009 und im Jahr 2012 ereignet und einen Schaden von insgesamt 250 Euro verursacht.

Er habe nach dieser Überprüfung die Gemeinde darauf hingewiesen, dass die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen für eine Videoüberwachung der Toiletteninnenräume nicht erfüllt waren und die Kameras weg müssen. Die Gemeinde lenkte ein. Eine Anordnung wurde nicht nötig.

“Wenn eine Gemeinde einen öffentlich zugänglichen Raum mithilfe von Videokameras überwacht, verarbeitet sie zugleich personenbezogene Daten. Hierfür benötigt sie eine Rechtsgrundlage”, betont Petri. Hier komme lediglich Art. 6 Abs. 1 Buchstabe e), Abs. 3 der EU-Datenschutz-Grundverordnung in Verbindung mit Art. 24 Bayerisches Datenschutzgesetz in Betracht. Diese Vorschrift setze jedenfalls voraus, dass die Überwachung erforderlich ist, um gesetzlich näher bestimmte Rechtsgüter (aufgezählt werden unter anderem Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum) zu schützen. Überdies dürfen keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen beeinträchtigt werden. Er erklärt deshalb:

Nach der soeben geschilderten Sachlage gehe ich davon aus, dass die Videoüberwachung der Toiletteninnenräume von Anfang unzulässig war.

Die sogenannten Domekameras waren in Damen und Herrentoiletten so installiert, dass die Erfassung von körperlichen Bereichen der Intimsphäre aus Sicht der betroffenen Toilettennutzer nicht ausgeschlossen werden konnte. In den Herrentoiletten wurden die Pissoirs erfasst und bei den Damentoiletten war für Betroffenen wohl unklar, wie weit die Kamera in die Kabine einsehen konnte. Petri sag: „Damit waren hier offenkundig überwiegend schutzwürdige Belange der betroffenen Personen beeinträchtigt.“

Eine Strafe erwartet die Gemeinde Rottach-Egern aber trotzdem nicht. “Die Gemeindeverwaltung hat hier als Behörde gehandelt. Das Datenschutzrecht sieht dazu vor, dass Behörden nur dann mit Bußgeldern belegt werden können, soweit sie als Wettbewerbsunternehmen am Markt tätig sind. Das war hier nicht der Fall”, erklärt Petri abschließend.

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