Vater schubst Tegernseer Gymnasiastin

Weil er in dem Glauben war, eine Straftat zu verhindern, versuchte ein Vater, sein Recht auf andere Art und Weise durchzusetzen. Die Betroffene: eine Schülerin vom Tegernseer Gymnasium.

Weil er das Handy seiner Tochter wiederhaben wollte, schubste ein Vater eine Jugendliche. /Bild: Pixabay

Wegen Körperverletzung steht ein 59-jähriger Holzkirchner vor dem Miesbacher Amtsgericht. Ihm wird vorgeworfen, die Freundin seiner Tochter – eine Schülerin des Tegernseer Gymnnasiums – mit Gewalt gegen ein Blumengitter geschubst zu haben. Dabei soll sie sich blutige Kratzer am linken Ellenbogen zugezogen haben und mit dem linken Fuß umgeknickt sein, verlas Staatsanwalt Heim in seiner Anklageschrift.

Der Vorfall ereignete sich am 31. August vergangenen Jahres. Gegen 14:10 Uhr suchte der Angeklagte die Wohnung seiner Exfrau in Holzkirchen auf. Die Exfrau lebt dort mit ihrer gemeinsamen Tochter, dem Sohn und der Pflegetochter. Sie hatte ihren Exmann zuvor telefonisch darum gebeten, das Handy, das man der Pflegetochter, einer 18-jährigen Tegernseer Gymnasiastin, überlassen hatte, wieder einzusammeln. Der Angeklagte:

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Meine Exfrau teilte mir mit, die Pflegetochter müsse ausziehen, wolle aber das Handy nicht dalassen. Sie sagte, die Pflegetochter habe das Handy unserer Tochter einfach genommen und behauptet, es sei geschenkt.

Als der Vater die Wohnung betrat, sah er die Pflegetochter, wie sie zusammen mit einer Freundin ihre Sachen zusammenpackte und gerade wieder dabei war, die Wohnung zu verlassen. „Du kommst hier nicht raus, bevor du das Handy nicht rausgerückt hast“, schildert der Angeklagte vor Gericht die damalige Situation.

Vater gesteht „Schubser“

Immer wieder habe er sich ihr in den Weg gestellt, bis man schließlich im Garten landete. „Kann sein, dass ich sie dann geschubst habe.“ Uneinsichtig zeigt sich der Vater, als er die Bilder mit den Verletzungen sieht, die ihm Richter Klaus-Jürgen Schmid präsentiert. „Die können nicht durch den Schubser von mir passiert sein.“

Stattdessen gibt der Vater an, die Pflegetochter habe aus lauter Wut sogar selbst mit der Hand aufs Ziergitter geschlagen. Richter Schmid weist ihn darauf ihn, man dürfe sich niemandem in den Weg stellen und versuchen, ihn mit Gewalt aufzuhalten. „Das ist versuchte Nötigung. Wir haben hier keine Selbstjustiz“, klärt er den Angeklagten auf.

Welche Verletzungen stammen woher?

Die Pflegetochter dagegen behauptet, sie habe das Handy überhaupt nicht behalten wollen, sondern sei vielmehr über die Art und Weise schockiert gewesen, wie der Vater sich ihr in den Weg gestellt hatte. „Ich hatte mit dem Vater ja nichts zu tun.“ Sie lebte bis zu diesem Zeitpunkt nur bei seiner Exfrau. Obwohl sie ihm mehrfach sagte, sie wolle die Angelegenheit selbst mit der Mutter am nächsten Tag regeln, habe er ihr immer wieder den Weg versperrt.

Dann habe der Vater sie von hinten gepackt und gegen das Blumengitter geschubst. In ihrer Panik sei sie dann weggelaufen und zur nächsten Polizeistation geflüchtet. Warum sie denn eigentlich habe ausziehen müssen, wollte Richter Schmid zwischendurch wissen. „Weil es mehrere Konflikte zwischen der Familie und mir gab…“

Kein Humpeln bei der Polizei

Sie streitet ab, mit der Hand aufs Gitter geschlagen zu haben. An die Ellenbogen-Verletzung kann sie sich nicht mehr erinnern. Genausowenig daran, ob die Polizei die Fotos gemacht hat, die Richter Schmid als Beweismittel vorliegen. „Ich stand unter Schock.“

Der Angeklagte besteht darauf, den zuständigen Beamten als Zeugen aufzurufen, um zu beweisen, dass die Wunden nicht von der Auseinandersetzung herrühren können. Der Holzkirchner Polizeibeamte sagt aus, die Angeklagte habe die Kratzer am Bein nicht erwähnt. Lediglich die am Unterarm und am Knöchel seien ihm gezeigt worden.

Von der Rötung dieser Wunden gehe er als Laie aber davon aus, dass die Verletzungen schon älter gewesen sein müssen. Außerdem sei ihm nicht aufgefallen, dass die 18-Jährige gehumpelt sei. „Sie ist eher zügig wieder aus der Dienststelle verschwunden.“

Vater versteht die Welt nicht mehr

Auch ein ärztliches Attest habe sie nicht nachgereicht. Auch habe er Zweifel an der Schilderung gehabt. „Der Tathergang und auch der Zaun konnten nicht genau beschrieben werden. Außerdem haben die Aussagen zu lange gedauert.“

Staatsanwalt Heim ist dafür, das Verfahren gegen eine Zahlung von 600 Euro einzustellen. Das sei deutlich geringer als das, was im Strafbefehl bei räuberischer Erpressung stehe. An den Angeklagten gewandt sagt er:

Sie dürfen nicht mit Gewalt ihr Recht durchsetzen. Die Geschädigte war sogar im Besitz des Handys. In Deutschland müssen Sie erstmal nachweisen, dass Sie Eigentümer sind.

Richter Schmid rät dem Angeklagten daraufhin, das Angebot des Staatsanwalts anzunehmen, woraufhin dieser entrüstet entgegnet: „Ich verstehe das Ganze nicht. Soll das heißen, wenn man eine Straftat verhindern will, wird man angeklagt?“

Der Staatsanwalt, schon leicht ungeduldig, gibt dem Angeklagten zu verstehen, dass er mit 600 Euro gut wegkomme. „Sie haben keine Diebesbande gestellt. Sie haben eine Jugendliche geschubst, und den Tatbestand auch zugegeben.“ Weil der Angeklagte die 600 Euro in sechs Monatsraten nicht abzahlen könne, wie er sagt, lässt Richter Schmid Gnade walten und verpflichtet den Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an die Geschädigte in Höhe von 300 Euro.

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