Verurteilter Anwalt noch im Dienst

Dieser Fall hatte auch über die Grenzen des Tegernseer Tals hinaus für Schlagzeilen gesorgt: Ein ehrenwerter Rechtsanwalt aus Gmund prellt gemeinsam mit einem Kompagnon eine vermögende Immobilienbesitzerin. Doch trotz Untreue-Vorwurfs und einer anschließenden Bewährungsstrafe darf der Mann weiterhin als Rechtsanwalt im Tal praktizieren. Ausnahme oder gängige Praxis? Die Tegernseer Stimme hat nachgefragt.

Die Kanzlei von Professor Dr. Walter B. in Gmund gibt es noch heute
Die Kanzlei von Professor Dr. Walter B. in Gmund gibt es noch heute

Wenn es um Immoblien geht, ist Prof. Dr. Walter B. genau der richtige Ansprechpartner. Privates und Öffentliches Baurecht, Architekten-, Wohnungseigentums- sowie Zwangsversteigerungsrecht sind die Kerngebiete des Gmunder Rechtsanwalts. Mandanten, die sich von ihm vertreten lassen, bekommen laut Homepage einen Juristen an ihre Seite gestellt, der einiges vorweisen kann: Professur, Tätigkeit als Mediator, zahlreiche Veröffentlichungen. Ein Mann von Welt quasi. Kompetent. Erfahren.

Nur mit dem Immobilien-Erbe einer seiner Mandantinnen hatten er und ein vorbestrafter Geschäftsmann vom Ammersee es in der Vergangenheit nicht ganz so genau genommen. Zur Erinnerung: Den beiden wurde von der Staatsanwaltschaft des Landgerichts München vorgeworfen, durch ein ausgeklügeltes System aus Firmen, Verträgen und Versprechungen eine Frau in den Jahren 2006 und 2007 um ihren ererbten Immobilienbesitz gebracht und in den Ruin getrieben zu haben.

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Betrug in elf Fällen

Immer wieder hätten sie Geld vom Opfer genommen, deren Vermögen sie eigentlich sichern sollten, so die Anklageschrift. Von einer Million Euro in der Summe war damals die Rede. Dem Betrugsvorwurf wollte der Richter indes nicht folgen. Am Ende hieß es Untreue in elf Fällen. Ein Jahr und elf Monate auf Bewährung lautete das Urteil gegen den damals 70-jährigen Gmunder Rechtsanwalt.

Fall abgeschlossen? Nicht ganz. Verwunderlich und für Otto Normalverbraucher nur schwer nachvollziehbar ist der Umstand, dass der Jurist trotz dieser dunklen Stellen in seiner Biographie seine Zulassung nicht verloren hat und weiterhin Mandaten ganz offiziell beraten darf. Ein Sachverhalt, der zur Urteilsverkündung in 2013 noch auf der Kippe stand.

Warum Walter B. seinen Beruf und seine Berufung weiterhin unbehelligt ausübt, darüber darf die Rechtsanwaltskammer (RAK) München keine Auskunft geben. „Details über unsere Mitglieder unterliegen der gesetzlichen Verschwiegenheit“, sagt RAK-Geschäftsführerin Brigitte Doppler. Der Anwalt selbst ist trotz mehrerer Nachfragen der TS für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

“Ausschluss ist Worts-Case-Scenario”

Steht ein Jurist als Beschuldigter vor Gericht, laufe es in der Regel aber folgendermaßen ab: „Bei einem Anwalt wird im Anschluss an das Strafverfahren die Generalstaatsanwaltschaft tätig”, erklärt Brigitte Doppler. Und weiter: “Sie prüft, ob es eines weiteren Verfahrens wegen eines Verstoßes gegen berufsrechtliche Normen bedarf. Unter Berücksichtigung des Strafverfahrens wird entschieden, ob eine Anschuldigung zum Anwaltsgericht notwendig ist. Der Ausschluss aus der Anwaltschaft ist immer das Worst-Case-Scenario. Es gibt aber auch weitere Abstufungen wie Vertretungsverbot, Verweis, Verwarnung und Geldbuße.“

Mit dem Entzug der Zulassung verliere ein Anwalt die Grundlage für seinen Beruf und seine Existenz. Die im Grundgesetz gesicherte Berufsfreiheit sei dabei immer zu berücksichtigen, so dass auch mildere Mittel geprüft werden müssen. Generell bedauert die RAK-Geschäftsführerin Fälle wie den des Gmunder Juristen. „Natürlich wirft das kein gutes Licht auf unseren Berufsstand, aber das ist ein Einzelfall bei 21 000 Mitgliedern, die die Rechtsanwaltskammer München hat.”

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