Die Horrormeldung „Skitourengeher stören Nachtruhe der Birkhühner“ veranlasste auch den Bayerischen Rundfunk, gleich zwei Reporter in den Bus ab München zu setzen, um dem Naturfrevel auf die Spur zu kommen. Mit zwanzig anderen Tourengehern machen sie sich um 18 Uhr vom Zentralen Busbahnhof auf den Weg zum nächtlichen Trip.
Eine Agentur bietet die Fahrt zum Hirschberg im Tegernseer Tal für 15 Euro an. Dies ist offenbar einen Marktlücke, denn der anhaltende Boom des Tourengehens ist ungebrochen. Zudem können die öffentlichen Verkehrsmittel wie die BOB hier preislich nicht mithalten.
Und komfortabel ist das Angebot für After-Work-Aktivisten auch: Sie werden direkt ans Liftstüberl in Kreuth gebracht. Doch wer glaubt, dass man hier einzig und allein auf das „deutschlandweit einmalige Angebot“ einer nächtlichen Busspritztour zum Skitourengehen wartet, der irrt. Denn seit mehreren Jahren sind hier immer am Donnerstagabend die Brettlfreaks unterwegs zum Hirschberg.
Bislang störte sich niemand daran, weil es offenbar nur Insider wussten. „Der Donnerstagabend wird schon seit Jahren immer gut angenommen“, sagt die 26-jährige Isabell Milberg vom Bergsportausrüster Dynafit, als sie gerade die Bindungen anpasst. Auch ohne Bus seien es im letzten Jahr schon pro Abend bis zu 40 Tourengeher gewesen, die sich zum Berg mit Stirnlampen aufmachten. Jetzt komme halt noch ein Bus aus München dazu.
Es gibt ganz viele Skigebiete, wo sich seit Jahren einmal am Abend die Tourengeher auf den Weg machen.
Am Mittwochabend sei am Spitzingsee der ganze Parkplatz mit Tourengehern voll gewesen, die alle auf den Taubenstein gingen, sagt ein Ortsansässiger. In Tirol unterstütze sogar das Land das Pistentourengehen in der Nacht.
„Feierabendskitouren kanalisieren“
Die Organisatoren der Skischule Tegernsee finden es gut, dass nicht jeder im Auto aus München, sondern alle in einem Bus kommen. „Gut ist auch, dass dieses Event am Donnerstagabend stattfindet, an dem sich schon seit drei Jahren die Skitourengeher in der Dunkelheit auf den Weg machen. An den anderen Tagen lassen wir am Abend keinen rauf“, sagt ein Mitarbeiter, der seinen Namen wegen „langjähriger Presseabstinenz“ nicht nennen will.
Das hier werde aber immer in einem überschaubaren Rahmen bleiben, da man am Hirschberg anders als am Sudelfeld oder am Taubenstein oben keine bewirtschaftete Hütte habe.
Bei uns wird das immer bei etwa 20 – 30 Personen bleiben. Wo ist das Problem?
Dies kann ihm Marco Müller als Gebietsbetreuer des Mangfallgebirges nennen, der sich als Anwalt der Birkhühner sieht. „Aufgrund von Zählungen weiß ich, wie kritisch es um die Art hier steht. Ich sehe natürlich auch, dass es für das Tourengehen in der Nacht einen Bedarf gibt. Ich denke aber, dass der kanalisiert werden muss, zum Beispiel auf den Pisten am Taubenstein und am Sudelfeld“.
Dort wäre eine solche Busaktion seiner Ansicht nach klüger gewesen. „Aber vielleicht verläuft sich dies hier am Hirschberg angesichts der geringen Teilnehmerzahl wieder im Sande. Wenn da aber sechs Busse mit bis zu 300 Leuten kommen, dann wird es problematisch“.
Kausch erfreut über Zuspruch
Diese Sorge war gestern Abend unbegründet. Nachdem die 20 Teilnehmer vom TTT-Geschäftsführer Christian Kausch mit Gutscheinen für einen Saunabesuch begrüßt wurden, weist Albert Meier von der Skischule Tegernsee auf das nächtliche Verhalten am Hirschberg hin. „Wir gehen nur etwa 700 Höhenmeter bis zu den Rauheckalmen“, das sei so mit dem Bund Naturschutz und dem Staatsforst ausgemacht.
„Denn oben am Gipfel ist eine Schutzzone für Birkhühner. Die wollen wir in keinster Weise belasten.“
Er freue sich aber über den Zuspruch, „denn es ist eine tolle Möglichkeit, sich am Abend sportlich zu bewegen. Dann ist man am nächsten Tag in der Arbeit wieder fit“. Auch Kausch ist vom Nachttourengehen angetan: „Marketingtechnisch ist das natürlich wunderbar. Dass alle Regeln eingehalten werden und niemand aus der Spur läuft, dafür ist an der Strecke durch Freiwillige gesorgt. Wir von der TTT sind gekommen, um Flagge zu zeigen“.
Während andere Skitourengeher schon wieder vom Berg kommen, machen sich die Münchner allmählich auf den Weg. Auch nicht im Pulk, wie befürchtet, sondern in kleinen Gruppen. Die junge Münchnerin Caroline Möckl, die gerade ihre Felle anlegt, räumt ein, dass sie den Hirschberg bisher nur im Sommer bestiegen hat.
Nun will ich ihn erstmals im Winter kennenlernen. Ich mache es, weil ich mich nach der Arbeit mit ein paar Gleichgesinnten an der frischen Luft bewegen kann.
An ihrer Seite Susanne Schex. Sie sei froh, diese anspruchsvolle Tour nicht alleine gehen zu müssen. „In der Gruppe muss ich mir auch keine Sorgen machen, dass ich wieder heil herunterkomme“.
So kommen auch alle heil vom Berg, wie von der Skischule zu erfahren ist. Denn aus Zeitgründen sei man nur bis zum Ende des Schlepplifts an der Gründ-Hütte gegangen. „An der Rauheckalm ist keine Stirnlampe gesichtet worden“, so Meier. Die Atmosphäre sei völlig entspannt und „easy“ gewesen. Und den Birkhühnern dürfte es egal sein, wer ihre nächtliche Ruhe am Donnerstag stört. Denn seit Jahren suchen hier bereits Berufstätige im Winter den Ausgleich vom Alltag.
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