Unendliche Geschichte oder Happy End?

Mit dem Klimaschutzkonzept verfolgt der Landkreis Miesbach eine klare Vision: Bis 2035 will man energieautark werden. Aber was können die einzelnen Regionen zu der umfassenden Selbstversorgung beitragen und wie sehen die genauen Planungen aus?

Windkraft, Wasserkraft und Solarenergie – theoretische Ansätze gibt es viele. Doch bis zum großen Ziel ist es noch ein weiter Weg. Damit die Vision auch in der Praxis in Erfüllung geht, muss dabei auch das Tegernseer Tal seinen Beitrag leisten. Doch es hapert an der Umsetzung.

Auf den ersten Blick scheint das Jahr 2035 in weiter Ferne zu liegen. 22 Jahre sind eine lange Zeit. Erst dann soll der Landkreis Miesbach unabhängig von Energie-Importen sein. Dieses Ziel soll laut Klimaschutzkonzept über die drei Säulen Energieeinsparung, Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbarer Energien erreicht werden.

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Dabei will man landkreisweit vor allem auf Solaranlagen, Wind- und Wasserkraft, Geothermie aber auch auf Biogasanlagen setzen.

E-Werk plant weitere Investitionen

In der Tat plant das E-Werk in den kommenden Jahren Großinvestitionen im Bereich der regenerativen Energien rund um den Tegernsee. „Langfristiges Ziel ist es, große Teile der Stromerzeugung über erneuerbare Energieträger sicherzustellen“, betonte E-Werk Chef Norbert Kruschwitz bereits im Juli vergangenen Jahres. Und daran habe sich auch bis heute nichts geändert, so Kruschwitz auf Nachfrage.

Nichts desto trotz klingt der E-Werk-Chef, was die konkrete Umsetzung der großen Vision betrifft, mittlerweile etwas verhaltener. “Wir prüfen jede Menge Ideen, einige wurden aber auch wieder verworfen. Es ist dabei grundsätzlich sehr schwierig, mit regenerativen Energien Geld zu verdienen,” so Kruschwitz, der seine Skepsis in klare Worte kleidet:

Ich halte es für ein Gerücht, dass der Landkreis bis 2035 energieautark sein wird. So viel Energie werden wir hier nicht produzieren können.

Doch was wird gegenwärtig in Angriff genommen? Hier macht der Leiter des E-Werks klar, dass man im Tegernseer Tal Wasserkraft und Biomasseanlagen im Auge habe. “Wir prüfen gerade die Umsetzung einer Seewasserwärempumpe.” Dass es sich dabei um das Rottacher Seeforum mit angeschlossenem Freibad sowie die geplante Therme in Bad Wiessee handelt, hatte Kruschwitz bereits vor einigen Monaten bestätigt. Trotzdem bleibt die Energiegewinnung durch Seewasser erst einmal eine ferne Vision.

“Wir werden uns zu dem Thema Seewasserwärmepumpe gegen Ende des Jahres nochmal konkret Gedanken machen und überlegen, ob diese Lösung für das Seeforum und das Freibad infrage kommt”, so Bürgermeister Franz Hafner heute auf Nachfrage.

Windräder im Tal kein Thema

Bei der Windkraft gibt es dagegen eine klare Strategie: Südlich der Kreuzstraße wird es keine Windräder geben. Da sind sich nicht nur die fünf Talgemeinden einig, auch der Windatlas für das bayerische Alpenvorland spricht eine klare Sprache.

Nach Bad Wiessee hat sich Anfang April auch Tegernsee mit klarer Mehrheit gegen die Errichtung solcher Anlagen im Tal ausgesprochen. Windkraftanlagen schädigen das Landschaftsbild und wirken sich nachteilig auf den Tourismus im Tegernseer Tal aus, so die einhellige Meinung der Stadträte.

So sieht es bei der Solarenergie aus

Die im Klimaschutzkonzept vorgesehenen Windräder mit einer Höhe von jeweils 120 Metern werden also mit Sicherheit nicht im Tal errichtet. Thomas Mandl (SPD) begrüßt diese Entscheidung zwar, macht jedoch deutlich, dass man nicht immer auf den restlichen Landkreis schauen soll. Auch im Tal müsse endlich etwas getan werden.

Die Karte zeigt die Globalstrahung Süddeutschlands für 1981 bis 2000. Quelle: Deutscher Wetterdienst
Eine Karte zeigt die Globalstrahlung Süddeutschlands für 1981 bis 2000. Quelle: Deutscher Wetterdienst

Mandl hat da auch die Energie der Sonne im Blick. Warum gerade Sonnenenergie für das Tegernseer Tal geeignet sein könnte, geht aus bundesweiten Messungen des Deutschen Wetterdienstes hervor. Hier sieht das landkreisweite Konzept sehr große Potenziale rund um den Tegernsee.

Um dies zu fördern, hat Kreuth beispielsweise eine Einschränkung in der örtlichen Gestaltungssatzung gestrichen. Seit Ende letzten Jahres ist es zulässig, dass komplette Dachflächen von Solarmodulen bedeckt werden können. Auch die Naturkäserei hat nachträglich von dieser Änderung profitiert. Für Josef Bierschneider jedenfalls ist die Sonnenenergie mit Chancen verbunden: „Sicher stecken in Solaranlagen noch Möglichkeiten“, sagte der Kreuther Ortsvorsteher im April 2012.

Wasserkraftwerk in Kreuth ein Lichtblick

Alles in allem scheint momentan einiges denkbar, doch konkrete Maßnahmen, um die Energiewende auch im Tal voran zu bringen, wurden bislang nur wenige umgesetzt, oder werden “gerade intensiv geprüft.” Eine der bereits sichtbaren größeren Maßnahmen ist die Dive-Turbine des E-Werks, die 2011 für rund eine halbe Million Euro in Kreuth entstanden ist. Mit der neuen Turbine werden derzeit bis zu 280 Haushalte mit Strom versorgt.

Aber nicht nur das E-Werk arbeitet daran die Energiewende möglicherweise trotz aller Widrigkeiten real werden zu lassen. Auch private Initiativen beschäftigen sich mit den Herausforderungen. So wurde erst vor Kurzem in Gmund die erste private Kleinkraftwindanlage im Tegernseer Tal genehmigt. Bauer Klaus Kordes will damit zukünftig auf umweltschonende Weise Strom erzeugen.

Hier hätte ein Strom- und Wärmekraftwerk entstehen sollen.
Hier hätte ein Strom- und Wärmekraftwerk entstehen sollen.

Und auch das geplante Kraftwerk in der Tuften wäre ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Das Unternehmen RETEG (Regenerative Energien Tegernsee) wollte mit einem Kraftwerk die derzeitige Strom- und Wärmeversorgung im Tegernseer Tal revolutionieren. Doch im Dezember 2012 wurde das Vorhaben erst einmal “auf Eis gelegt”. Für die benötigten Maschinen gäbe es keine Garantien. “Wir haben keine klare Zusage, dass die Motoren am Ende auch laufen,” sagte Mitinitiator Jo Bogner damals auf Nachfrage.

Fehlt ein konkreter Fahrplan?

An Ideen mangelt es also nicht und auch die Initiativen und Arbeitskreise tagen, wenn auch nur unregelmäßig. “Bereits jetzt gibt es in vielen Gemeinden im Landkreis eigene Arbeitskreise, die sich mit dem Thema Energiewende befassen. Ziel muss es aber sein, die einzelnen Gemeinden untereinander noch stärker zu vernetzen”, so Veronika Weber, Klimaschutzmanagerin des Landkreises.

Gleichzeitig stellt Weber aber auch fest, dass “das Klimaschutzkonzept zwar den Rahmenplan bietet, vieles aber auch innerhalb der Gemeinden passieren muss”. Doch gerade daran scheint es momentan zu hapern. “Der Tegernseer Arbeitskreis Energie hat sich seit Monaten nicht mehr getroffen”, so Thomas Mandl. Der Tegernseer SPD-Politiker bemängelt vor allem, dass ein konkreter Fahrplan fehle. “Mir geht das alles zu langsam,” so Mandl bei der jüngsten Sitzung des Stadtrates im April.

Sorgfältige Planung

Bürgermeister Peter Janssen konnte Mandls Worte an gleicher Stelle nicht nachvollziehen und widersprach: „Es gibt hier sehr wohl permanente Bemühungen. Die sorgfältige Planung und Umsetzung braucht aber viel Zeit und eine umfassende Prüfung.“ Und auch in Rottach-Egern, Gmund und Kreuth bekommen wir auf Nachfrage Ähnliches zu hören.

Trotzdem wird aus der Vielzahl an Gesprächen klar, dass es derzeit an konkreten Projekten mangelt. Und auch klare Ziele auf dem Weg zur übergreifenden Vision sind Fehlanzeige. Und so ist tatsächlich die Gefahr vorhanden, dass die Energiewende zu einer unendlichen Geschichte wird. Eine mit schönen Bildern und medienwirksamen Aussagen – aber auch eine ohne echtes Happy End.

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