Der Beruf des Erziehers oder Kinderpflegers galt lange Zeit als klassische Frauen-Domäne. Doch inzwischen entscheiden sich auch immer mehr Männer dafür. Im Pius-Kinderhaus in Gmund arbeiten aktuell zwei männliche Kinderpfleger – mit einem von ihnen haben wir gesprochen.
Wir haben mit Florian Oberbauer vom Pius Kinderhaus gesprochen. Warum hat er sich für den Beruf des Kinderpflegers entschieden?
Hallo Florian. Seit wann arbeitest du denn im Pius Kinderhaus?
Seit dem 01.01.2020 arbeite ich hier. Angefangen habe ich im Hort, diesen sogar ein Jahr lang geleitet und bin danach von dort aus in die Sonnenscheingruppe gewechselt.
Was hast du davor gemacht?
Davor habe ich eine Lehre zum Bankkaufmann gemacht, danach eine Weiterbildung zum Bankfachwirt angefangen. Während dieser Zeit habe ich eine schwierige persönliche Phase durchlebt, die mich dazu gebracht hat, meine Prioritäten neu zu überdenken.
Deshalb wollte ich etwas machen, was mich mehr erfüllt und nicht nur dazu dient, Geld zu verdienen.
Und warum wurde es dann der Beruf Kinderpfleger?
Ich hab schon immer gerne mit Kindern gearbeitet. Unter anderem als Tennislehrer, als Ausbilder im WingTsun und als Segeltrainer. Mir gefällt es einfach, mit Menschen zu arbeiten. Nachdem ich dann das Gefühl hatte, nicht mehr in mein altes Leben in der Bank zu passen, habe ich mich neu umgesehen. Durch Zufall habe ich auf der Hochzeit meines Freundes dann meine neue Berufung gefunden: Ein Paar wollte tanzen, ich sollte so lange auf die Tochter aufpassen. Nach nicht mal 20 Minuten saß ich auf dem Boden, habe 16 Kinder mit Legosteinen bespaßt, Geschichten erzählt und herumgealbert. Und dann kam mein Freund auf mich zu und meinte:
“Florian, ich glaube, du musst nicht mehr überlegen, was deine Berufung ist. Genau das!”
Und so kam ich zu dem Beruf.
Du bist einer von zwei männlichen Kinderpflegern im Pius Kinderhaus. Wie ist es, in einem Team zu arbeiten, in dem hauptsächlich Frauen tätig sind?
Natürlich kommt das im Einzelnen auf die jeweiligen Personen an. In meiner Ausbildung waren zu 90% Kolleginnen. Des kann das Arbeiten in manchen Fällen erschweren, da ich gerade am Anfang auch Gegenwind erfahren musste. In meiner Ausbildung musste ich leider mit einigen Vorurteilen kämpfen. Außerdem hab ich in einigen Teams gemerkt, dass oft nicht offen geredet wird. Vorne rum ist alles freundlich, aber hintenrum wird dann über einen oder andere gelästert – das war manchmal echt schwierig.
Das hat mich sehr beeinflusst und hätte mich fast dazu gebracht, diesen schönen Beruf aufzugeben und die Ausbildung abzubrechen.
Hier im Pius Kinderhaus fühle ich mich wohl und als Teil eines vielfältigen Teams.
Mit den meisten hier im Haus verstehe ich mich richtig gut, es ist ein sehr freundschaftliches Arbeitsklima. Ich hab das Gefühl, dass die unterschiedlichen Denkweisen, die man in diesem Beruf oft mitbringt, hier als Stärke gesehen werden. Es geht nicht darum, dass Unterschiede stören oder trennen, sondern dass sie echt bereichernd sein können – und das finde ich richtig schön an der Arbeit hier.
Und es stört mich nicht, dass ich hier weibliche Vorgesetzte habe. Leistung ist nicht geschlechterspezifisch und da ist es mir egal, ob ich für einen Mann oder eine Frau arbeite.
Fühlst du dich manchmal als “männliches Vorbild” für die Kinder?
Ich denke, mit allem, was wir hier tun vor den Augen der Kinder, vertreten wir immer eine Vorbildfunktion, egal welches Geschlecht. Aber ja, ich denke, dass man als Mann gerade bei den Jungs schneller als Vorbild auserkoren wird. Die Kinder tun sich zum einen eventuell leichter, wenn sie anfangs eine Bezugsperson des gleichen Geschlechts haben.
Gibt es typische Aufgaben, die du oder dein Kollege übernehmen?
Da fällt mir gleich ein Beispiel ein: Die Jungs stehen total auf sportlichen Wettkampf und wollen sich gerne messen.
Wir Männer spielen dann mit den Kids Fußball oder versuchen, im Tauziehen zu gewinnen.
Welche Herausforderungen gibt es in deinem Beruf?
Wie ich schon erwähnt habe, habe ich erlebt, dass einem das Geschlecht manchmal unnötig Steine in den Weg legen kann. Zum Beispiel durch Kolleginnen, die einen eher als Konkurrenz sehen, statt als Unterstützung. Aber das waren zum Glück Ausnahmen. Ich glaube, ich hatte während meiner Ausbildung einfach Pech.
Hier im Haus empfinde ich das Arbeiten als echte Bereicherung. Gerade, weil jeder unterschiedliche Denkweisen, Ideen und seine ganz eigenen Stärken und Schwächen mitbringt.
Welche Botschaft würdest du anderen jungen Männern mitgeben, die auch überlegen, Kinderpfleger oder Erzieher zu werden?
Löst euch von diesen veralteten Rollenbildern, dass die Frau für die Erziehung da ist. Kinder brauchen sowohl weibliche als auch männliche Bezugspersonen in ihrer Entwicklung. Mit Kindern zu arbeiten ist zwar oft sehr herausfordernd, aber das ist zum Glück der geringere Teil der Arbeit. Der größte Teil der Arbeit ist dieses unglaublich erfüllende Gefühl, den Kindern einen kleinen Teil mit auf den Weg geben zu können.
Für mich ist das nicht nur Arbeit, sondern auch Freude. Ich habe den Beruf gefunden, der mich erfüllt. Hier fühle ich mich wohl und weiß jeden Tag, dass ich etwas Tolles für die nächste Generation bewirken kann.
Vielen Dank für das Gespräch und deine Einschätzung.
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