Auf dem Grundstück in der Schwaighofstraße 71 in Tegernsee darf grundsätzlich gebaut werden, das entschied das Bayerische Verwaltungsgericht München.
Das Bauvorhaben der Erbengemeinschaft ist grundsätzlich zulässig. Das hat das Bayerische Verwaltungsgericht München entschieden. Konkret muss der Freistaat Bayern, also das Landratsamt Miesbach, die Fragen zur „Art der baulichen Nutzung“ und zur „überbaubaren Grundstücksfläche“ bejahen. Ergo: Grundsätzlich ist das Ansinnen (bau-)gesetzeskonform. Damit kann die Familie nochmal ihr Glück versuchen, ihre Häuser hier zu bauen. Das ist nicht mit einer Baugenehmigung gleichzusetzen. Vielmehr muss das Landratsamt das Baugenehmigungsverfahren weiterführen. Hier wird dann erst entschieden, ob es etwa harte denkmalschutztechnische Bedenken gibt, die gegen den Bau sprechen. Eine wichtige Hürde haben sie damit aber genommen.
Artikel, 24. Oktober 2024, 16:37
Ein wenig zu spät rollt die Delegation auf den Hügel vor die Villa Rosa in der Schweighoferstraße 71 in Tegernsee. Das hohe Gericht hat an diesem verhangenen Mittwochvormittag bereits viel zu tun: von Otterfing über Holzkirchen geht es nach Tegernsee.
Spekulationslandschaft Tegernsee
Jetzt geht es um die Villa Rosa, vielmehr um ihren unberührten Garten: für manche ein schützenswerter Park, für andere ein verlockendes Geschäft. Die Villa aus der Jahrhundertwende steht unter Denkmalschutz. Auch das dazugehörige Grün, das sich in einer sanften Rodelhang-Neigung bis an die Hauptverkehrsader am Tegernsee erstreckt.
Die Familie Herz und Schünemann, eine generationenübergreifende Erbengemeinschaft, klagt gegen den Freistaat. Seit den 50er Jahren ist die Villa im Familienbesitz. Doch die Stadt Tegernsee und das Landratsamt Miesbach haben alle Bauvoranfragen der Familie abgelehnt.
Lorenz Hofman
Die Villa Rosa ist eine von vielen Villen des Baumeisters Lorenz Hofman, der um die Jahrhundertwende den oberbayerischen Landhausstil prägte und damit das Tegernseer Tal. Etwa mit Wohn- und Geschäftshäusern, die auf der Südstraße der Rosenstraße errichtet wurden und oberbayerischen Bauernhäuser gleichen sollten. Auch ein dreigeschossiges Doppelhaus aus dem 18. Jahrhundert wurde 1905 von Hofman umgestaltet und gilt als Beispiel für den oberbayerischen Heimatstil.
Das bleibt in der Familie
Seit sechs Jahren kämpft die Erbengemeinschaft um Baurecht für ihre Wiese. In einem ersten Antrag aus dem Jahr 2018 planten sie recht ambitioniert: Zwei Wohn- und Geschäftshäuser mit Tiefgarage plus zwei Einfamilienhäuser mit Doppelgaragen. Zählt man auch Tiefgarage und Garagen als Gebäude, kommt man auf schlappe sieben Bauten. Daran verschluckte sich sogar die Stadt Tegernsee, die in der Vergangenheit das eine oder andere Großbauprojekt durchwinkte.
Das Team
Aus dem dunklen Van steigt nun das Bayerische Verwaltungsgericht aus München, vorne dran der Vorsitz mit Richter Korbinian Heinzeller – heute in Sherlock-Look mit Schirmmütze und Trenchcoat. Stets daneben der treue Protokollant. In der linken Hand umklammert er seine fünf grünen Ersatzbleistifte, mit der rechten Hand wird er gleich die Augenschein-Kommentare des Richters in Blitzgeschwindigkeit niederkritzeln. Dahinter folgt ein ganzer Bauamt-Stab vom Landratsamt Miesbach, zusammen mit Landesanwalt Christian Konrad. Bürgermeister der Stadt Tegernsee Johannes Hagn und die Bauamtsleiterin Bettina Koch sind für die Stadt Tegernsee da. Alle sind wetterfest ausgerüstet, mit Regenschirmen und festem Schuhwerk.
Recht schauen und sprechen
Das Gericht soll urteilen, ob die Erbengemeinschaft doch ein Recht auf ihre Bau-Ideen hat.
An die 15 Leuten folgen dem Vorsitzenden Heinzeller, der mit Auszügen aus dem BayernAtlas und Bauplänen voranschreitet und alles in “Augenschein” nimmt: die Himmelsrichtungen, die sogenannten “Vorhabe-Standorte”, Bauten oberhalb der Villa und nebendran.
Besonders dominant schiebt sich das neue Klinikgelände in den Augenschein hinein. Das Klinik-Areal im hinteren Bereich steht schon fast. Die Frischzellen-Klinik-Vision von Klaus Dieter Burkhart, für die der Stadtrat Tegernsee Ende 2017 sein Ok gegeben hat, wurde viel kritisiert: von Nachbarn, Nachbar-Gemeinden und der Tegernseer Schutzgemeinschaft.
Das ärgert auch den Familien-Anwalt, “ganz ehrlich, ich kann nicht nachvollziehen, dass sowas zugelassen wird und das hier nicht.” Das wiederum frappiert den Bürgermeister, “wir wollen hier Gesundheitstourismus für unsere Region und hier wird Kasse gemacht”. Damit meint er das Anliegen der Erbengemeinschaft, die im November 2022 dem Bauausschuss Tegernsee einen neuen Vorbescheid hingelegt hat. Bescheiden ist auch der nicht.
Nur noch drei Häuser sollen es werden: ein Einfamilienhaus mit Doppelgarage, ein dreigeschossiges “Personalhaus” mit acht Wohnungen und ein weiteres Wohnhaus mit vier Wohneinheiten und Stellplätzen zur Straße hin. Die Stadt sagt erneut Nein. Das sei eine “Außenbereich-Insel”, ergo kein Baurecht drin.
Außenbereich-Insel
Ob der Garten jetzt als Innen- oder Außenbereich interpretiert wird, ist Kernpunkt der juristischen Beurteilung. Nur dann ist ein Bauvorhaben nach Baugesetzbuch grundsätzlich zulässig. Der Landesanwalt hat keine Zweifel, es sei ein Außenbereich im Innenbereich. Der Anwalt der Klägerseite sieht den Park naturgemäß, “eindeutig strukturell im Innenbereich”.
Der Richter seziert nochmal sehr genau die ihn umgebende Landschaft: Hangneigung, Geländekanten, den Abstand zwischen den angrenzenden Nachbargrundstücken, den Seemoosbach, der von der Villa hinab plätschert.
Dann ist genug Augenschein. Das Gericht verabschiedet sich. Nächster Halt: Rottach-Egern. Da wird der Abriss eines Mülltonnen-Häuserl entschieden. Das Urteil zur Schwaighoferstrasse wird in den nächsten Tagen erwartet.
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