Tegernsee
Villa am Abgrund: Innen- oder Außenbereich?

Ob auf dem Grundstück in der Schwaighofstraße 71 in Tegernsee doch gebaut werden darf, beschäftigte gestern das Bayerische Verwaltungsgericht München.

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Drei Häuser möchte eine Erbengemeinschaft hier unterbringen. Die Stadt Tegernsee ist dagegen. / Foto: Redaktion

Ein wenig zu spät rollt die Delegation auf den Hügel vor die Villa Rosa in der Schweighoferstraße 71 in Tegernsee. Das hohe Gericht hat an diesem verhangenen Mittwochvormittag bereits viel zu tun: von Otterfing über Holzkirchen geht es nach Tegernsee.

Spekulationslandschaft Tegernsee

Jetzt geht es um die Villa Rosa, vielmehr um ihren unberührten Garten: für manche ein schützenswerter Park, für andere ein verlockendes Geschäft. Die Villa aus der Jahrhundertwende steht unter Denkmalschutz. Auch das dazugehörige Grün, das sich in einer sanften Rodelhang-Neigung bis an die Hauptverkehrsader am Tegernsee erstreckt.

Die Familie Herz und Schünemann, eine generationenübergreifende Erbengemeinschaft, klagt gegen den Freistaat. Seit den 50er Jahren ist die Villa im Familienbesitz. Doch die Stadt Tegernsee und das Landratsamt Miesbach haben alle Bauvoranfragen der Familie abgelehnt.

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Lorenz Hofman

Die Villa Rosa ist eine von vielen Villen des Baumeisters Lorenz Hofman, der um die Jahrhundertwende den oberbayerischen Landhausstil prägte und damit das Tegernseer Tal. Etwa mit Wohn- und Geschäftshäusern, die auf der Südstraße der Rosenstraße errichtet wurden und oberbayerischen Bauernhäuser gleichen sollten. Auch ein dreigeschossiges Doppelhaus aus dem 18. Jahrhundert wurde 1905 von Hofman umgestaltet und gilt als Beispiel für den oberbayerischen Heimatstil.

Das bleibt in der Familie

Seit sechs Jahren kämpft die Erbengemeinschaft um Baurecht für ihre Wiese. In einem ersten Antrag aus dem Jahr 2018 planten sie recht ambitioniert: Zwei Wohn- und Geschäftshäuser mit Tiefgarage plus zwei Einfamilienhäuser mit Doppelgaragen. Zählt man auch Tiefgarage und Garagen als Gebäude, kommt man auf schlappe sieben Bauten. Daran verschluckte sich sogar die Stadt Tegernsee, die in der Vergangenheit das eine oder andere Großbauprojekt durchwinkte.

Das Team

Aus dem dunklen Van steigt nun das Bayerische Verwaltungsgericht aus München, vorne dran der Vorsitz mit Richter Korbinian Heinzeller – heute in Sherlock-Look mit Schirmmütze und Trenchcoat. Stets daneben der treue Protokollant. In der linken Hand umklammert er seine fünf grünen Ersatzbleistifte, mit der rechten Hand wird er gleich die Augenschein-Kommentare des Richters in Blitzgeschwindigkeit niederkritzeln. Dahinter folgt ein ganzer Bauamt-Stab vom Landratsamt Miesbach, zusammen mit Landesanwalt Christian Konrad. Bürgermeister der Stadt Tegernsee Johannes Hagn und die Bauamtsleiterin Bettina Koch sind für die Stadt Tegernsee da. Alle sind wetterfest ausgerüstet, mit Regenschirmen und festem Schuhwerk.

Recht schauen und sprechen

Das Gericht soll urteilen, ob die Erbengemeinschaft doch ein Recht auf ihre Bau-Ideen hat.

An die 15 Leuten folgen dem Vorsitzenden Heinzeller, der mit Auszügen aus dem BayernAtlas und Bauplänen voranschreitet und alles in “Augenschein” nimmt: die Himmelsrichtungen, die sogenannten “Vorhabe-Standorte”, Bauten oberhalb der Villa und nebendran.

Besonders dominant schiebt sich das neue Klinikgelände in den Augenschein hinein. Das Klinik-Areal im hinteren Bereich steht schon fast. Die Frischzellen-Klinik-Vision von Klaus Dieter Burkhart, für die der Stadtrat Tegernsee Ende 2017 sein Ok gegeben hat, wurde viel kritisiert: von Nachbarn, Nachbar-Gemeinden und der Tegernseer Schutzgemeinschaft.

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Wer braucht Grün, wenn er dafür reich werden kann? Foto: Redaktion

Das ärgert auch den Familien-Anwalt, “ganz ehrlich, ich kann nicht nachvollziehen, dass sowas zugelassen wird und das hier nicht.” Das wiederum frappiert den Bürgermeister, “wir wollen hier Gesundheitstourismus für unsere Region und hier wird Kasse gemacht”. Damit meint er das Anliegen der Erbengemeinschaft, die im November 2022 dem Bauausschuss Tegernsee einen neuen Vorbescheid hingelegt hat. Bescheiden ist auch der nicht.

Nur noch drei Häuser sollen es werden: ein Einfamilienhaus mit Doppelgarage, ein dreigeschossiges “Personalhaus” mit acht Wohnungen und ein weiteres Wohnhaus mit vier Wohneinheiten und Stellplätzen zur Straße hin. Die Stadt sagt erneut Nein. Das sei eine “Außenbereich-Insel”, ergo kein Baurecht drin.

Außenbereich-Insel

Ob der Garten jetzt als Innen- oder Außenbereich interpretiert wird, ist Kernpunkt der juristischen Beurteilung. Nur dann ist ein Bauvorhaben nach Baugesetzbuch grundsätzlich zulässig. Der Landesanwalt hat keine Zweifel, es sei ein Außenbereich im Innenbereich. Der Anwalt der Klägerseite sieht den Park naturgemäß, “eindeutig strukturell im Innenbereich”.

Der Richter seziert nochmal sehr genau die ihn umgebende Landschaft: Hangneigung, Geländekanten, den Abstand zwischen den angrenzenden Nachbargrundstücken, den Seemoosbach, der von der Villa hinab plätschert.

Dann ist genug Augenschein. Das Gericht verabschiedet sich. Nächster Halt: Rottach-Egern. Da wird der Abriss eines Mülltonnen-Häuserl entschieden. Das Urteil zur Schwaighoferstrasse wird in den nächsten Tagen erwartet.

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