Vom Kobold zum Krimi

Wer im Geiste einmal die Holzkirchner Einwohnerschaft nach großen Namen durchforstet, die ein bisschen Geschichte geschrieben und von sich reden gemacht haben, dem kommt früher oder später einer in den Sinn, der uns mit einem kleinen Kobold vor gut dreißig Jahren etwas auf ewig Großes gebracht hat: Ulrich König.

Der Regisseur und Co-Autor von „Meister Eder und sein Pumuckl“ und Autor vieler anderer Formate lebt, sinniert und schreibt nach wie vor im Herzen der Marktgemeinde – das jedoch eher unaufgeregt bis zurückgezogen. Dem aufmerksamen Besucher der Bücherecke dürften mittlerweile gleich zwei Stapel mit Büchern aufgefallen sein, die aus der Feder des Holzkirchners stammen.

Zum einen „Wir fahren nach Urlaub“ – eine autobiographisch beschwingte Geschichte über den ganz normalen Wahnsinn, der sich zuträgt, wenn ein junger Vater mit seinem 5jährigen Buben allein in den Urlaub fährt. „Judasmord“ heißt das andere Buch und verspricht als Heimatkrimi – wie wäre es von einem Drehbuchautoren-Urgestein auch anders zu erwarten – so manch raffinierte Wendung in der rasanten Handlung um den Ermittler Salvatore Röhrlmoser.

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Ulrich König hat also gleich ein doppeltes Romandebut hingelegt – bei Kaffee und Apfelkuchen durften wir letztes Jahr im Wintergarten seines Holzkirchner Hauses ein wenig mit ihm plaudern. Über das Lesen, das Schreiben und ein kleines bisschen auch über den Pumuckl.

Holzkirchner Stimme: Herr König, wie schreibt man eigentlich zwei Bücher?

Ulrich König: Nun, ich habe die beiden Bücher zwar relativ kurz hintereinander veröffentlicht und in die Holzkirchner Bücherecke getragen, entstanden sind sie jedoch zu ganz unterschiedlichen Zeiten, aus einer anderen Motivation heraus und in einem ganz anderen Kontext. „Wir fahren nach Urlaub“   existiert als Fragment und Notizensammlung schon etwa seit 30 Jahren. Ich war tatsächlich als junger und ein wenig gestresster Vater mit meinem Sohn, einem damals überaus waffenversessenen Kind allein im Urlaub, und da hat sich natürlich die eine oder andere durchaus unterhaltsame Begebenheit zugetragen. Viel „dazudichten“ musste ich da gar nicht mehr…

Für „Judasmord“ gab eine Zeitungsmeldung über die Passionsspiele in Padua den Ausschlag – es stellte sich heraus, dass der vermeintlich grandios gespielte Selbstmord des Judas in Wirklichkeit der echte Todeskampf des Darstellers war. Ich habe dann in der folgenden Zeit diesen tragischen Zwischenfall immer wieder hin- und hergedreht, aus dem Unfall einen Mord gemacht und das Ganze von Italien nach Oberammergau gebracht…

Holzkirchner Stimme: Und warum schreibt Bücher?

König: Ich bin seit vierzig Jahren beim Film, schreibe also seit mehreren Jahrzehnten Drehbücher. Und Drehbuchschreiben bedeutet, immer auf alles Mögliche achten zu müssen: Werde ich rechtzeitig fertig? Passt diese oder jene Passage zum Wesen des Darstellers? Sind die Drehorte, die Komparsen, die Requisite finanzierbar? Wird das so abgenickt beim Sender? Und so weiter. Sie können sich vorstellen, dass es ein unbändiges Gefühl von Freiheit ist, für einen Roman beherzt losschreiben und aus dem Vollen schöpfen zu können. Auch wenn einen das nach so langer Zeit natürlich nicht loslässt – bei „Judasmord“ kam mir auch gleich wieder in den Sinn: Fünftausend Komparsen, Oh Gott! Die Erkenntnis, dass die im Roman keiner bezahlen muss, freut mich jedes Mal aufs Neue… (lacht)

Holzkirchne Stimme: Schreibt ein Drehbuchautor grundsätzlich „anders“?

König: Man kann das natürlich nicht verallgemeinern, beziehungsweise kann ich nur von mir ausgehen. In meinem Beruf war neben der Qualität immer die Effizienz das oberste Gebot. Ich bin ausgesprochener Schnellschreiber und hatte Drehbücher teilweise innerhalb von zwei Wochen fertig, wo andere zwei Monate gebraucht hätten. Ich brauche nur den zentralen Aufhänger für ein Buch. Der Leitgedanke und der Titel müssen allerdings zuerst in meinem Kopf an Konturschärfe gewinnen

Bei „Judasmord“ war ich zunächst besorgt, überhaupt 120 Seiten zu schaffen, doch schnell waren die ersten 250 Seiten fertig. Herrgott, dachte ich, 250 Seiten, und der Röhrlmoser ist immer noch nicht in Verona… es wurden insgesamt immerhin 320 Seiten. Im Nachhinein war es aber gut so, und es waren keine drei Sätze, die ich aus den ersten 120 Seiten vor dem Lektorat rausgestrichen habe.

Effizienz bedeutet auch, dass ich – so gut ich sie beherrsche, die moderne Technik bei der Textverarbeitung nutze. Ich verwende sehr viele Makros – dreimal das „R“ gedrückt, dann steht da „Röhrlmoser“. Das spart Zeit. Ging aber auch schon mal nach hinten los: Über „Suchen und Ersetzen“ wollte ich einmal ruckzuck in einem großen Dokument „Franz“ in „Otto“ geändert haben. An den „Franzbranntwein“ auf Seite Soundso hatte keiner mehr gedacht… und plötzlich stand da im fertigen Drehbuch „Ottobranntwein“.

Holzkirchner Stimme: Dazu passt ja ganz gut, dass Sie auch für den Vertrieb Ihrer Werke einen modernen Weg eingeschlagen haben…

König: Ich bin passionierter Leser und habe auf meinem E-Book Reader derzeit 40 Bücher. In gedruckter Form würde ich die nicht mit mir rumschleppen! Abgesehen von einigen zweifellos schönen „haptischen Momenten“ mit einem Hardcover gehört dem E-Book die Zukunft. Ich finde es zum einen aus der Leserperspektive interessant, dass ich für ein E-Book in der Regel weniger bezahlen muss – und auch für mich als Schriftsteller ist es schön zu wissen, dass die Kaufentscheidung meines Buches bei einem gewissen Prozentsatz nicht mehr negativ ausfällt, weil es zu teuer ist. Ich habe mich natürlich mit klassischen Verlagshäusern auseinander gesetzt, mich aber letztendlich für den Selbstverlag bei Amazon Publishing entschieden. Dort sind meine Bücher nun in digitaler Form erhältlich und nach Bedarf kann ich selbst oder auch der Buchhändler einfach eine Kiste Printexemplare produzieren lassen.

Holzkirchner Stimme: Wie viele Bücher haben Sie bislang verkauft?

König: Sagen wir so, nach dem Erscheinen der beiden Bücher, konnte ich recht bald ein ein paar mal mit meiner Frau schön zum Essen gehen. Hätte ich die beiden Bücher über einen Verlag veröffentlicht, hätte ich dafür die zehnfache Menge verkaufen müssen! Sie sehen, ich bin da ganz pragmatisch.

Holzkirchner Stimme: Werden Sie auch gelegentlich damit konfrontiert, dass Amazon als Unternehmen bei Konsumenten auch negativ konnotiert ist?

König: Mir ist diese Diskussion durchaus geläufig, ich bin ja auch ein politischer Mensch. Der Kritik an den Global Players wie Amazon steht aber auch der „Wert des Schreibens“ als solcher gegenüber. Wenn sich – wie ich glaube – viele klassische Verlagshäuser nicht an modernere Strukturen und den Wettbewerb anpassen, verschwindet der Anreiz für Leute wie mich dann irgendwann völlig, sich hinzusetzen und ein Buch zu schreiben. Da hat Amazon eben eine Lösung parat, und warum sollten wir die nicht nutzen? Ich bin zu lange im Medien-Geschäft, als dass ich noch auf diese „Gut und Böse“-Schemata hereinfallen würde. So simpel ist die Welt nicht.

Holzkirchner Stimme: Ist „Judasmord“ ein echter Heimatkrimi? Ist Salvatore Röhrlmoser der neue „Kluftinger“?

König: „Judasmord“ habe ich zwar da und dort mit dem Hashtag „Heimatkrimi“ attribuiert, aber wer sich elegische Beschreibungen vom Bergpanorama, bayerischen Altstädten oder seitenweise Analysen der Mentalität der Altbayern erhofft, wird eher enttäuscht sein. Es ist die – hoffentlich tolle und spannende – Geschichte, die im Vordergrund steht und gelegentlich an Schauplätzen spielt, die man kennt. Der Röhrlmoser ist also kein nach Oberbayern versetzter Kluftinger.

Holzkirchner Stimme: Wartet schon der nächste Fall auf ihn?

König: Aber ja! Schauplätze, zentrales Motiv und der eine oder andere fiktionale Kniff sind schon in der Schublade. Ich werde mich ranhalten!

Ulrich König (2.v.r) beim Dreh in der “Schreinerwerkstatt” des Pumuckl / Foto aus dem Privatarchiv Familie König.

Holzkirchner Stimme: Zieht sich der Drehbuch-Autor Uli König also langsam zurück und macht dem „Genuß-Schreiber“ Platz?

König: Ich habe nun um die 350 Filme gemacht. Alle möglichen Formate und Genres. Natürlich gibt und gäbe es immer wieder etwas zu erzählen, aber man muss auch anerkennen, dass sich die Zeiten beim Film geändert haben. Die neuen Entscheidungsträger bei ARD und ZDF denken anders, müssen anders wirtschaften, haben einen anderen Zugang zum „Stoff“. Ein bisschen merke ich schon, dass es an der Zeit wird, peu à peu Platz zu machen für die junge Generation, die es beim Film schwerer denn je hat.

Holzkirchner Stimme: Sie können auf eine bemerkenswerte Karriere als Regisseur und Drehbuchautor zurückblicken. Können Sie all das überhaupt selber begreifen?

König: Die Zeit verging wie im Fluge. Ich erinnere mich noch gut, als Ende der 1970er Jahre Gustl Bayrhammer am Set nachdenklich zu mir sagte, am Vortag habe er ein altes Fernsehspiel gesehen, und außer ihm seien alle schon gestorben. So ähnlich geht’s mir jetzt, wenn ich an die wunderbare Zeit mit all den großen Münchner Schauspielern denke.

Holzkirchner Stimme: Da müssen wir fast nach Pumuckl fragen – wenn es Sie nicht nervt.

König: Nein, überhaupt nicht. Ich habe mich zu dem Thema nur eine Zeitlang zurückziehen müssen, weil nach Abschluss der Produktion irgendwer der Meinung gewesen sein musste, das große Budget für Pumuckl läge im Hause der Königs. Das waren die Zeiten, als auch die Kinder des Journalisten Dieter Kronzucker entführt wurden. Ich möchte das nicht vertiefen, aber wir hatten damals Angst. Unser Haus wurde beobachtet, und unsere Kinder durften lange Zeit keinen Schritt alleine tun.

Holzkirchner Stimme: Hätten Sie jemals damit gerechnet, dass die Serie um den kleinen Kobold derart erfolgreich und beleibt würde?

König: Nein. Ich war damals 27 und hatte gerade in einer Rock-Musiksendung einen Bayern 3-Radiomoderator namens Thomas Gottschalk das erste Mal fürs TV vor ein Publikum gestellt. Parallel dazu drehte ich eine TV-Serie, bei der ich den späteren Produzenten vom Pumuckl kennen lernte. Zusammen mit ihm fiel an einem denkwürdigen Treffen in einer Wohnung in München die Entscheidung, den Pumuckl zu verfilmen.

Das hieß, wir mussten erstmals das Hörspiel in Drehbücher verwandeln, und, was fast noch fordernder war, den alt-pädagogischen Muff aus dem Stoff bekommen. Der Pumuckl wurde ja in seiner Urfassung in einer Tour bestraft und eingesperrt. Das haben wir gewaltig gegen den Strich gebürstet und auch versucht, die Erwachsenen mit der Serie zu erreichen.

Ein Teil der Pumuckl-Crew / Foto aus dem Privatarchiv Familie König.

Holzkirchner Stimme: In der jetzigen Zeit wirkt Pumuckl über die großartigen Episoden hinaus als Momentaufnahme eines längst vergangenen, bodenständigen und beschaulichen Lebens im Herzen von München…

König: ….dabei wollten wir eigentlich so gut es geht den „Zeitgeist“ heraushalten, um das Ganze auch gegebenenfalls für spätere Zeiten und andere Länder adaptierbar zu halten. Zum Beispiel gab es kaum Straßenszenen, wenige Autos…

Holzkirchner Stimme: Pumuckl ist ja nicht zur ein „Alt-Münchner“-Zeitdokument – es ist ja auch gerade noch im „prä-digitalen“ Zeitalter hergestellt worden.

König: Ja, und der Aufwand war irrwitzig für heutige Verhältnisse. Für 52 Folgen wurden etwa 3 Millionen mit der Hand gezeichnete Einzelbilder des Pumuckl auf Klarsichtfolien kopiert und dann wie ein Hinterglasbild farbig ausgemalt. Dann mittels Einzelbild-Aufnahmen in die Realaufnahmen kopiert, was wiederum sehr fehleranfällig war und endlos oft korrigiert werden musste. Der Pumuckl wurde in einem Budapester Studio von 260 Mann animiert, mit viel Schweiß und Enthusiasmus.

Ulrich König am Set mit seiner Tochter Daniela – die mittlerweile auch Schauspielerin ist. / Foto aus dem Privatarchiv Familie König.

Holzkirchner Stimme: Wie haben Sie die Zeit am Set in Erinnerung behalten?

UK: Das kann mir keiner mehr nehmen. Wir haben für die Geschichten geblödelt wie die Vierjährigen, und Gustl Bayrhammer immerhin wie ein Achtjähriger. Er war es dann auch immer, der uns mit seiner Reaktion gezeigt hat, ob eine unserer unzähligen Spontan-Ideen nicht doch vielleicht etwas zu schräg war. Eine wunderbare Zeit, in der wir noch nicht einmal wussten, dass die Leute im nächsten Jahrhundert immer noch über den Pumuckl sprechen würden.

Holzkirchner Stimme: Wurden Sie in den Jahren danach in Holzkirchen oft auf der Straße angesprochen?

König: Ich selbst bin ja in Icking, also auch ländlich aufgewachsen und habe es so gelernt, dass man die Leute auf der Straße grüßt. Ob mich die Holzkirchner nun einfach so gegrüßt haben oder wegen was anderem, weiß ich nicht. Sie haben gegrüßt, und das ist schön. Im Übrigen bin ich wirklich ein eher zurückgezogener Mensch. Ich habe mein Gesicht nicht inflationär in die Kameras gehalten, daher habe ich auch in Holzkirchen als ganz normaler Bürger leben können.

Holzkirchner Stimme: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch, Herr König. Bleiben Sie gesund.

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