Von der Idee zur Genossenschaft – Wie es sich lebt mit der Naturkäserei

„Hopp, hopp, geh no weida.“ Sophie Obermüller holt die Kühe von der Weide. Ein paar hundert Meter vom Schärfhof entfernt grasen sie auf einer zum Hirschberg ansteigenden Wiese.

Der Himmel ist regenverhangen und dunkel an diesem frühen Nachmittag. Ein lautes Donnern droht das nächste herannahende Gewitter an. Deshalb hat sich die Bäuerin auf ihr Fahrrad gesetzt.

Lodenmantel, Hut und ein Stecken sind ihre Ausrüstung. Der 17-jährige Sohn Anton ihr Helfer. Die Tiere sollen bei Gewitter lieber früher als sonst in den sicheren Stall.

Die Naturkäserei TegernseerLand in Kreuth
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Dass die Tiere an erster Stelle stehen, ist eine der Kriterien, die Hans Leo, Vorstand der der Genossenschaft, an die Bauern stellt, die ihre Milch an die Naturkäserei TegernseerLand abgeben. Tier und Boden dürfen nicht nur wirtschaftlicher Faktor sein. „Kühe sollen Familienanschluss haben.“ Das ist Leos Wunsch an die 21 Lieferbetriebe.

“Von der Milch allein können wir nicht leben”

Im Schärfhof wird jetzt alles für das abendliche Melken vorbereitet. Gerade war Peter Obermüller noch in seiner Schreinerei gestanden, jetzt wirft er die Melkmaschine an. Der Hof wird mittlerweile im Nebenerwerb geführt. Der 45-Jährige ist außerdem auch ein gut gebuchter Schreinermeister. „Von der Milch allein könnten wir nicht leben.“

Die wirtschaftliche Lage habe sich zwar wesentlich verbessert, seit sie an die Naturkäserei liefern. Jedoch – wie bei jeder betrieblichen Investition – wirke sich der faire Milchpreis erst nach Abschreibung der Kosten entscheidend aus.

Die beiden Töchter von Sophie und Peter Obermüller – die neunjährige Monika und die 14-jährige Magdalena stehen in der Stalltür und beobachten die Kühe, während sie ihre beiden Hasen füttern. Alle drei Kinder wachsen mit den Tieren und mit der Natur auf. Sie lernen alle Abläufe auf dem Hof quasi automatisch, allein dadurch, dass sie häufig dabei sind.

Auf dem Schärfhof leben vier Generationen und 16 Milchkühe

Heute leben hier vier Generationen mit acht Familienmitgliedern, denn auf Bauernhöfen ist es seit jeher Tradition, dass das Altenteil auch im Ruhestand auf dem Hof bleibt. 19 Hektar Grünland werden bewirtschaftet. 16 Milchkühe und deren Nachzucht gehalten.

Die Milch fließt durch die vier Zitzenbecher. Gerade ist die Kuh „Guna“ an der Reihe. „Alle unsere Kühe haben Namen“, erzählt Sophie, und trägt zwei volle Milcheimer zu den Kälbern hinten im Stall. Nach den strengen Vorschriften dürfen sie nur Vollmilch trinken. Käsen beginnt eben bereits im Stall.

Absolute Rohmilchqualiltät ist Grundvoraussetzung. Um den hohen Qualitätsstandard zu halten, sind alle bemüht, bestens zu wirtschaften. Wichtig ist sowohl die Tiergesundheit mit möglichst homöopathischen Behandlungsmethoden. Außerdem eine naturnahe und nachhaltige Landwirtschaft. Kein Einsatz von Kunstdünger. Täglicher Weidegang. Geringer Kraftfuttereinsatz. Gentechnikfreie Futtermittel.

Schon ist Sophie wieder bei den Kühen. Bei der Stallarbeit muss man schnell sein, denn die Kühe sind es auch. Manche sind beim Melken nervös, versuchen das Melkgerät loszuwerden und auf den Boden zu schleudern. „Eine Gefahr, sich Keime einzufangen“, weiß Ihr Mann. Auf Hygiene wird allergrößter Wert gelegt, denn der Milchprüfring beprobt dies. Auch die Naturkäserei überprüft regelmäßig Keimzahlen und nimmt Rohmilchgärproben.

Riechen tut`s auch nicht mehr so arg

Dass die Obermüllers jetzt Heumilch machen – und keine Silomilch mehr wie früher – das sei eine wesentliche Verbesserung, die sich mit dem Beitritt zur Genossenschaft eingestellt hätte. Der Silogeruch sei vom Hof verschwunden. „Dafür brauchen wir jetzt mehr Lagerfläche für das Heu“, sagt Peter.

Doch nicht nur der Geruch sei besser geworden. Der wichtigste Grund für Heumilch ist ein anderer. In der Silage befinden sich Buttersäurebakterien – sogenannte Clostridien. So füttert man heute Heu statt Silo. Damit setzt sich der Gärprozess im Käse nicht fort. Ansonsten würde es ihn “blähen” und daraufhin würde der Käse reißen, vor allem beim lange gereiften Bergkäse.

Monika kommt wieder zur Stalltür herein. Nur mal schauen, wie lange Mama und Papa noch beschäftigt sind. Als sie erkennt, dass es noch dauert, verschwindet sie wieder zum Trampolin. Direkt hinter der Scheune steht es. Das Scheunentor ist heute offen. Man kann die Heubelüftungsanlage sehen. Die mussten die Obermüllers anschaffen, um auch bei wechselhafter Witterung problemlos Heu machen zu können.

Eine große Investition war das für den kleinen Hof. 25.000 Euro kostete die Anlage. Daneben musste sich jeder Betrieb mit mindestens einem Anteil (1.000 Euro) an der Naturkäserei beteiligen, bevor er an die Genossenschaft liefern durfte.

Sophie Obermüller vor der Naturkäserei

Der Weg von der ersten Idee bis zur eG war lang. Sophie erinnert sich gut an den Tag der ersten Milchanlieferung am 1. Juni 2010. Unzählige Ehrenamtliche hatten sich bis dahin für den Aufbau engagiert.

Das Landwirtspaar hatte die Entscheidung, mitzumachen, im Herbst 2008 getroffen. „Schließlich gab es eine Kündigungszeit für den bestehenden Milchliefervertrag bei der vorherigen Molkerei“, merkt Peter an.

Abhängigkeit und Preisdruck von großen Molkereien ist weg

„Früher haben wir unsere Milch nach Italien geliefert.“ Keiner der Landwirte wusste so genau, wo die Milch landete und was daraus hergestellt wurde. Als dann die Idee mit der Naturkäserei aufkam, wurde zuerst von vielen gezweifelt.

Doch der Wunsch, sich aus der Abhängigkeit und dem Preisdruck der großen Molkereien zu befreien war offenbar zu groß geworden. Alles oder nichts – jeder Betriebsleiter musste letztendlich selbst entscheiden, welcher Weg für seinen individuellen Hof der richtige sein sollte.

Während des Probejahres wurde die Käseproduktion in einer angepachteten Käserei in Gut Kerschlach getestet. Bereits zu dieser Zeit war auf dem Schärfhof klar, dass man sich dieser Sache ganz anschließen müsste. „Wir wollten einfach das ganze Jahr liefern“, begründet Peter. Und das war nur möglich mit der Kondensationsheutrocknung.

Jeder bringt das ein, was er kann

Sophie findet es schön, dass viele Milchlieferanten durch andere Berufe Zusatzqualifikationen haben, die sie nun in der Naturkäserei in unterschiedliche Weise mit einbringen. Vielfältig ist das Wissen aus den Bereichen Bau, Vermarktung und Administration. Auch Sophie arbeitet aktiv in der Vermarktung mit.

TegernseerLand-Käse wird nach einem besonderen Verfahren hergestellt. Hart- und Schnittkäse sind laktosefrei. Die Reifezeit beträgt – je nach Sorte – bis zu 12 Monate. Diese lange Reifezeit hat auch seinen Preis. Doch diese Wertschöpfung wieder herzustellen, das war eines der Hauptziele der Käserei.

Und es sieht so aus, als hätte es die Naturkäserei nach nicht mal zwei Jahren geschafft, sich mit einem besonderen Produkt am Markt zu positionieren. Doch Erweiterungspläne geht Vorstand Hans Leo mit Vorsicht an. Aus technischer Sicht wäre es zwar möglich, in der Anlage statt der jetzigen 6.000 Liter bis zu 10.000 Liter Milch zu verarbeiten. „Aber im Moment warten wir erst einmal ab, wie sich die Nachfrage einpendelt. Wir wollen sichergehen, dass der Ansturm keine Luftblase ist.“

Hans Leo, geschäftsführender Vorstand der Naturkäserei

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