Von Fahrschulstrebern und Chaoten

Es gibt die unterschiedlichsten Kundentypen. Da gibt es die Besserwisser, die Genervten, die Ungeduldigen, die Fordernden, die Kritischen, die Komplizierten. Und dann gibt es da noch die Fahrschüler. Wir wollten von Stephan Schmidt von der Gmunder Fahrschule Six wissen, welche Erfahrungen er mit ihnen hat.

Fahrlehrer Stephan Schmidt hat auch mal Chaoten unter seinen Fahrschülern. Aber die meisten sind nett, sagt er.

Menschen mit Kundenkontakt stellen schnell fest, dass sie es mit unterschiedlichen Typen, Launen und Vorstellungen zu tun haben. Aber wie geht man am besten damit um? Und welche Erfahrungen macht man mit ihnen? Wir haben uns im Tegernseer Tal umgehört. Heute bei: Fahrlehrer Stephan Schmidt.

Zur TS-Serie “Der Kunde und ich”:
Da gibt es die Besserwisser, die Genervten, die Ungeduldigen, die Fordernden, die Kritischen, die Komplizierten. Welche Erfahrungen machen Menschen mit permanentem Kundenkontakt? Wir wollen es wissen.

„Man gewöhnt sich daran, dass es jeden Tag ein paar Leute gibt, die versuchen, einen umzubringen.“ Stephan Schmidt hat einen Beruf gewählt, bei dem er sowohl juristisch, technisch als auch erzieherisch ständig auf der richtigen Spur sein muss. Sein Arbeitsplatz: Das Auto. Seine Kunden: Führerschein-Anwärter.

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In seinem Gewerbe könne er so bleiben, wie er ist, behauptet Stephan Schmidt. Kleidung nach Etikette verabscheut er. Deshalb sei er froh, dass ihm sein berufliches Umfeld bequeme Klamotten erlaube.

Der 49-Jährige ist seit 14 Jahren selbstständiger Fahrlehrer und betreibt ingesamt drei Filialen: Eine in Tegernsee, eine in Bad Wiessee und eine in Gmund. Letztere hat er erst im Januar dieses Jahres neu aufgemacht. Schmidt ist nicht nur Fahrlehrer.

Er ist gleichzeitig KumpeI, Erzieher, Kummerkasten, Lebensberater und Vermittler zwischen seinen Fahrschülern und deren Eltern. Schmidt weiß, in welcher Sprache er mit seinen vorwiegend 17-jährigen, teils chaotischen Schülern sprechen muss, um auf sie zu wirken. „Jeder Schüler ist ein Projekt für sich“, sagt er.

Stephan Schmidt nimmt seine Schüler so wie sie sind, vor allem aber mit Humor.

In seinem Job müsse er sich täglich neu erfinden. Routine gebe es nicht. Dass auch er dabei Fehler mache, gesteht er sich ein. „Ich bin schließlich keine Maschine und kein Gott.“ Dem ist er aber immerhin durch sein Theologiestudium, das er nebenbei bereits im dritten Semester ausübt, sehr nahe.

Inmitten seiner Schüler fühlt sich Schmidt pudelwohl, obwohl er den Begriff „Kunde“ für seine vorrangig jungen Teilnehmer für falsch gewählt hält. Er müsse sie ja nicht „hofieren“, sondern nur auf deren Level gehen. Immer darauf bedacht, den Spagat zwischen Kumpel und Autoritätsperson hinzukriegen.

Fahrwillig, aber nicht lernbereit

Heutzutage habe er es mit einer Jugend zu tun, die „motorisch ungeschickter“ geworden sei, sagt Schmidt. Ein Sportlehrer habe dafür den Begriff „Computer-Generation“ verwendet. Die „Sensomotorik“ leide vor allem beim Lenken und Schalten. Beim Einhalten der Geschwindigkeitsbegrenzungen fehle der nötige Ernst. „16-Jährige sehen es als Gaudi an zu rasen.“

Für Schmidt ein ständiger Drahtseilakt, der hohe Konzentration erfordert. Doch er bleibt gelassen. „Es ist halt Entwicklungsarbeit.“ Eine junge Dame habe bei ihm mal das Gaspedal mit der Bremse verwechselt, sagt er. Passiert sei zum Glück nichts. Eine andere habe während ihrer Prüfungsfahrt eine regelrechte Tortur erleben müssen. Als sie vorschriftsmäßig am Zebrastreifen anhielt, fuhr ihr ein Autofahrer ungebremst von hinten auf. „Die Prüfung bestand sie trotzdem“, sagt Schmidt.

Mit seiner „Durchfallquote“ ist der Fahrlehrer ohnehin „sehr zufrieden.“ Im Schnitt läge die bei ungefähr zehn Prozent. In den Monaten Juni, Juli und August hätten alle die Fahrprüfung bestanden, teilt er stolz mit. Bei den Motorradprüfungen sei in den letzten zehn bis zwölf Monaten überhaupt niemand durchgefallen.

Ein Kindskopf, der nicht erwachsen werden will

Lediglich ein älterer Motorradfahrer hätte seinen „Schnitt kaputt gemacht“. Der hätte einen mit Warnblinklicht parkenden Bus nur mit Schritttempo überholen dürfen, hielt sich aber nicht daran. Da war die Vorzeigeserie unterbrochen.

Stephan Schmidt vor seiner Fahrschulfiliale in Gmund, die er erst im Januar eröffnet hat.

Dass Schmidt durch die Arbeit mit seinen jungen Schülern Probleme mit Erwachsenen hat, wie er selbst sagt, zeugt von seiner Loyalität zu ihnen und seiner Kindsköpfigkeit. Kein Problem also für ihn, wenn er ab und zu mal als lebender Leitpfosten eingesetzt wird. Nur lasse er sich nicht gern „in irgendwelche Normen pressen“. Die Straßenverkehrsordnung sei die einzige, die er akzeptiert.

Ich war immer ein Rebell und schätze mich als schwierig ein.

Seine Schüler haben dagegen keine Schwierigkeiten mit ihm. Ihr Wohlbefinden liegt dem 49-Jährigen am Herzen. Und er steht für diejenigen seiner Schüler ein, die nicht für sich selbst einstehen können. Dafür legt er sich sogar mit dem TÜV an.

Ein Prüfer hatte einem seiner Fahrschüler bewusst Fallen gestellt, so Schmidt, und war richtig unfreundlich zu ihm. Das habe dann zu einer „kleinen Konferenz“ mit dem TÜV geführt. Inzwischen habe man sich wieder vertragen.

Überhaupt sei eine Prüfungssituation reine Nervensache, die die Mädels meist besser meistern als die Jungs. Das weibliche Geschlecht würde viel frecher in eine Prüfung gehen, berichtet Schmidt. Bei den Jungs sei die Situation eher mit eine Arztbesuch vergleichbar:

Wenn die Spritze kommt werden sie kreidebleich. Dann fangen sie an zu zittern und nehmen gar nichts mehr wahr.

Dafür würden Jungs die motorischen Dinge besser beherrschen, während die Mädchen einfach vorsichtiger an die Sache herangehen, dafür aber das nötige Grundverständnis mitbringen und die Regeln einhalten. Das Phänomen „Einsteigen und losfahren“, wie es im Fernsehen oft vermittelt wird, halte er für reinen Humbug.

Jeder Anfänger müsse erst ein Gefühl für die Kupplung bekommen und man müsse ihnen erklären, was sie zu tun haben. Auf keinen Fall dürfe man jemanden überfordern. Der Weg führe vom Leichten zum Schweren. Schmidt ist überzeugt:

Wenn ein Fahrschüler etwas nicht kann, dann ist es ihm nicht gescheit erklärt worden.

Doch die nötige Geduld und das Verständnis bringe nicht jeder Fahrlehrer auf. Oft fehle die pädagogische Grundausbildung, so Schmidt – und inzwischen auch zunehmend die Fahrlehrer. Vielleicht ein Grund für ihn, in seinen Semesterferien ab und an mal ein ungebremstes Stoßgebet gen Himmel zu schicken.

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