Wie Transparenz in die (Tal-)Politik einzieht

Das Internet verändert die Politik. Daran wird kaum noch jemand Zweifeln. Der neu entstandene Wille zur Teilhabe beschäftigt dabei nicht nur die Wähler, sondern auch die Verantwortlichen in Parteien.

Die Entwicklung macht keinen Halt vor ländlichen Gebieten, sondern wird auch in Gegenden, wie dem Tegernseer Tal, getestet und immer mehr in den Alltag integriert. Bürgerwerkstätten, Diskussionen im Netz und ganz aktuell eine Bürgerbefragung der CSU Bad Wiessee sind das Ergebnis.

Die CSU Bad Wiessee befragt Bürger aktuell auch online

Klar könnte man das frühen Wahlkampf nennen. Man kann der CSU auch unterstellen, dass sie damit taktisch klug einen schwelenden Wunsch der Menschen befriedigen versucht, indem sie sie mitsprechen lässt. Eine Mitsprache, die am Ende möglicherweise keine echten Auwirkungen hat.

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Immer mehr Bürger wollen sich beteiligen

Doch dass die CSU einen relevanten Punkt getroffen hat und der Wunsch der Bürger auch da ist und genutzt wird, zeigen die Zwischenergebnisse der aktuellen Bürgerbefragung. So teilte der Ortsvorsitzende Florian Sareiter letzten Mittwoch per Mail mit:

Per heute (25.07.2012) hat die Bürgerbefragung gemessen an den ca. 2.600 erreichten Haushalten in Bad Wiessee die angestrebte Rücklaufquote von 10 % bereits deutlich überschritten. Die Resonanz auf die Aktion sei bisher durchwegs positiv. Die gemachten Angaben der Teilnehmer werden teilweise mit extra Beilegblättern ergänzt.

Die Bürgerinnen und Bürger haben anscheinend großen Bedarf, Ihre Meinung zu äußern. Die Teilnehmer gehen in ihren Ausführungen meistens sehr strukturiert und sachlich vor. Der eine oder andere macht aber auch seinem Ärger über verschiedene Umstände vor Ort Luft.

Nicht überraschend sei für Sareiter der hohe Anteil an der Onlinebefragung. “Man spart sich damit den Weg zu den Abgabestellen und hat unbegrenzten Platz für seine Ausführungen.”

Egal, ob dem Wahlkampf geschuldet oder nicht: Die eingeschlagene Richtung ist nur noch schwer zu ändern im Nachhinein. Bei der Beteiligung der Bürger ist im Endeffekt egal, ob sie organisiert in Bürgerwerkstätten oder Umfragen oder selbst organisiert, durch Protest im oder außerhalb des Internets stattfindet.

Politik muss immer öfter wegen Protest zurückrudern

Die Bundespolitik musste das in den letzten Monaten bereits mehrmals feststellen: Beim Protest gegen ACTA (wurde zurückgenommen), bei der Onlinepetition gegen einen Rentenzwang für Selbstständige (wird aktuell im Ministerium überarbeitet) oder bei den Onlineprotesten gegen ein geplantes Leistungsschutzrecht für Verlage (vom ursprünglichen Gesetzesentwurf ist nicht mehr viel übrig geblieben).

Grundlegend anders wird es auch in Bad Wiessee nicht laufen. Wer fragt, muss auch mit den Antworten leben. Wer die Stimmung und Meinung der Einwohner kennt, kann sich nur noch schwer dagegen wehren, sich auch danach zu richten. Zumindest in den wichtigsten Punkten.

An was man sich dabei in Wiessee wird messen lassen müssen, ist nicht zuletzt die mangelnde Transparenz, die in der Umfrage sehr deutlich bemängelt wurde, wie Florian Sareiter am vergangenen Freitag gegenüber dem Merkur betont:

80 % fühlen sich von der Gemeinde nicht richtig informiert.

Ausreichende Information, Einbindung, ja sogar Mitsprache – Themen, die in den letzten zwölf Monaten rapide an Fahrt gewonnen haben. Nicht zuletzt seit den Erfolgen der “Piraten” wird auch in den restlichen Parteien über eine grundlegende Neuausrichtung bei der Einbeziehung der Menschen nachgedacht. Der CSU-Landtagsabgeordnete Alexander Radwan sprach erst kürzlich in Rottach über mehr Offenheit und Bürgernähe und warnte: “Mit den Piraten ist zu rechnen”.

Auf dem Weg zur Bürgerlobby

Und auch die FDP hat letzte Woche in Bayern mit “New Democracy” eine Online-Beteiligungsplattform ins Leben gerufen, die der Software der Piratenpartei nachempfunden ist. 

Das Ziel der Liberalen ist dabei kein anderes als das der CSU in Bad Wiessee: Man möchte den Menschen eine Möglichkeit bieten, sich aktiv an der Politik, den Zielen und Aufgaben zu beteiligen. 

Die FDP will Mitgliedern und Gästen eine Möglichkeit zur Mitsprache bieten.

Es bewegt sich gerade etwas, was vor wenigen Jahren noch undenkbar schien. Die Bürger bekommen eine eigene Lobby, von der sich abzeichnet, dass sie über kurz oder lang zu einer der mächtigsten Lobbygruppe überhaupt werden kann. Beispiele dafür gibt es genug: Ein interessantes hat Klaus-Dieter Graf von Moltke, Eigentümer der Egerner Höfe, geliefert. 

In nichtöffentlicher Sitzung wurde seinem Anliegen nach einer teilweisen Nutzungsänderung für sein Fünf-Sterne Hotel bereits zugestimmt. Und trotzdem stellt der Unternehmer sich der öffentlichen Kritik, schreibt selbst in den Leserkommentaren mit und erklärt sich und sein Vorhaben.

Warum der Hotelier das tut? Weil er wohl verstanden hat, dass die Meinung der Rottacher Einwohner heute mindestens genauso wichtig ist als die rein faktisch ausreichende Zustimmung des Rottacher Gemeinderates.

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