Ein offener Brief von Olaf von Löwis und der Versuch einer Einordnung
Von Wölfen, Menschen und Meinungsmache

Befinden sich im Landkreis Miesbach und im Kreis Rosenheim aktuell Wölfe? Die Datenbanken des Bayerischen Landesamtes für Umwelt sprechen dagegen.

Würden sich Schafe Elektrozäune wünschen? / Quelle: Pixabay

Weder im Landkreis Miesbach, noch im Kreis Rosenheim wurde in jüngster Zeit ein Wolf gesichtet oder Spuren von Wölfen gefunden. Zumindest laut den Daten des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU), die bis Mai 2022 zurückgehen. Auch die Seite des Landratsamtes Miesbach, die sehr ausführliche Informationen zum Thema bereithält, hat unter der ‚Wolf im Landkreis‘ – nur einen toten Link (Objekt nicht gefunden) parat. Das LfU hat die Aufgabe zu monitoren, also verlässliche Daten zu liefern, ob und wie viele Wölfe sich in Bayern befinden. Es bewertet Hinweise auf Wölfe nach den sog. SCALP-Kriterien. Da geht es um harte Fakten (toter Wolf), harte Hinweise (ein Riss) und weiche Hinweise, die sich eher in Richtung “Vermutung” zusammenfassen lassen. Das wäre zum Beispiel der Anruf einer Wanderin, die einen Wolf gesehen haben könnte – oder doch nicht? Diese Hinweise lassen sich nicht verifizieren, sprich überprüfen. Umgekehrt lässt sich damit nicht beweisen, dass es aktuell keinen Wolf gibt. Das heißt, das LfU kann hinterherhinken, weil keine Meldung bei ihnen eingegangen ist oder es gab schlicht keine Meldung an das Amt.

Dennoch sind es Daten, die ernst zunehmen sind und die bei einer ersten Einschätzung helfen. Im Landkreis Garmisch Partenkirchen gab es nämlich, im Gegensatz zum Tal, ganze 27 Einzelnachweise. Im Zeitraum von Mai 2022 bis März 2023. Und ja, wenn ein Jungwolf aus seiner Herde geworfen wird, geht der auf Wanderschaft. “Bisher scheint es ‘bei uns’ tatsächlich so gewesen zu sein, dass die Wölfe nur durchgezogen sind. Aber: Bei dem stetigen Wachstum der Population, auch durch die hohe Reproduktionsrate, müssen über kurz oder lang neue Gebiete dauerhaft erschlossen werden, jeder Wolf braucht ja sein Revier”, erklärt Jäger Michael Herrmann. Dass es also möglich ist, dass sich ein Wolf hier in unsere Gegend nach einer Partnerin umschauen wird, ist damit nicht ausgeschlossen. Aktuell deutet darauf nichts verifizierbares hin und nur daran kann sich Journalismus erstmal festhalten.

Der Wolf muss weg

Dennoch hat Landrat, Olaf von Löwis (CSU), in der vergangenen Woche einen offenen Brief an Staatsminister, Thorsten Glauber, geschickt. Darin formuliert Löwis die dringliche Bitte, den Schutzstatus des Wolfes zu senken. Damit schließt sich Löwis der Forderung von Landrat Anton Speer (FW) an, der bereits Mitte März bei der Regierung zum Thema “Wolf” vorstellig wurde. Immerhin im Landkreis Garmisch Partenkirchen gibt es verlässliche Zahlen, ganz unabhängig davon wie man zum Thema steht. Inhaltlich geht es darum, den Wolf, bzw. die Wölfe, abschießen zu dürfen. So heißt es in Löwis offenen Brief: “Deshalb fordere ich mit Nachdruck, dass der Status der Schutzwürdigkeit des europaweit nicht mehr gefährdeten Wolfes herabgesetzt wird (…).“ Demnach haben sich gerade Landwirte aus dem Landkreis Miesbach bei ihm gemeldet, die ihre alpine Weidewirtschaft in Gefahr sehen.

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Denn es ist April, und bald werden Schafe, Rinder und Ziegen wieder auf die Almen hochgetrieben. Und dass es im Tal bzw. am Berg kaum effektive Schutzmaßnahmen für das Vieh gibt, ist bekannt. Keine Zäune ohne und kaum Zäune mit Strom. Damit argumentieren etwa Tierschützer, die weg vom Wolf-Schießen, hin zum effektiven Herdenschutz wollen. Zäune, die mind. 90 Zentimeter hoch sind und Strom drauf, das sind einige ihrer Vorschläge. Thorsten Glauber hat diese Maßnahmen als nicht effektiv für die Almregionen eingeordnet. Tatsächlich hat die Weideschutz-Kommission viele Wiesen, etwa rund um den Wallberg, als nicht zumutbar bewertet. Sprich: Zäune funktionieren hier nicht. Jenseits von klassischen Machbarkeitsfragen, spielt auch die Sorge um die Natur- und Kulturlandschaft der Tegernseer Welt eine relevante Größe. Oder anders geschrieben: Passt das zum touristischen Werbeprospekt, wenn die Schafe nicht mehr frei auf der grünen Wiese stehen, sondern hinter 90 Zentimeter Elektronetz verschwinden?

Eine grüne Wiese ist eine grüne Wiese

Das Ideal der grünen Wiese hat aber noch ein anderes Problem. Denn die Wölfe oder der Jungwolf treffen auf eine touristische und almwirtschaftliche Landschaft, die nichts mit den ursprünglichen Wäldern gemein hat, die in den Wolfsgenen puckern: “Die Nutzung unserer Natur hat sich im Laufe Zeit gewandelt: entgegen zu der damaligen Zeit, als Wölfe hier umherstreiften, leben wir heute in einer Kulturlandschaft”, betont Michael Herrmann, der darin eines der Hauptprobleme sieht. Denn der Wolfsteenager, sollte er sich in unsere Landschaft begeben, bekommt das Mittagessen To-Go. Ob der sich hierher bewegt und eine Gleichgesinnte findet, die beide den Trubel des touristischen Allerleis aushalten, um dann gemeinsam ihr Mehrfamilienhaus zu errichten? Denn die Grundangst ist ja weniger der Jungwolf, der einmal vorbeischaut und dann das Weite sucht. Wölfe sind Rudeltiere. Das wir immer nur von dem Wolf im Singular sprechen, ist ein klassisches Framing, das gerade wieder sehr viele Medien bedienen, weil es eben mit Emotionen spielt. Doch zurück zur Forderung: ­Selbst wenn es erlaubt sein sollte, Wölfe zu schießen, wird es das lösen? “Ich verstehe immer nicht, was das bringen soll. Wenn ein Wolf die Schafe reißt, da hilft es nicht, wenn er abgeschossen werden darf, da ist der längst wieder weg”, argumentiert etwa Manfred Burger, Kreisgruppenvorsitzender vom Bund Naturschutz Miesbach. Und führt aus, dass auch Personalmangel dazu führt, dass Schafe oder Ziege alleine am Berg grasen und dadurch immer Gefahren ausgesetzt sind. Das können auch ein paar eigenwillige Schafe sein, die sich zu nahe an den Abgrund balancieren und dabei verlustig gehen. Und dann gibt es noch ein Tier, das aktuell für weit mehr Wildrisse verantwortlich ist. Der gemeine – sprich unerzogene Hund. Dass diese Risse zugenommen haben, und das auch vermeintlich Wolfsrisse sich als Hundeverbrechen herausstellen, wie etwa im März in Tirschenreuth, sind kein Novum. Eine differenzierte Debatte auf Raub- und Haustiere im Tal wäre also durchaus angebracht.

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