Vorbereitet auf das Schlimmste

Als das Zugunglück am Faschingsdienstag passierte, folgte unmittelbar der Aufruf an die Bevölkerung, Blut zu spenden. Doch nur kurze Zeit darauf hieß es, dass kein Blut mehr gebraucht werde. Die TS hat nachgeforscht, wie beide Nachrichten zusammenhängen und dazu Tobias Hubert, Leitung Spenderdienst, befragt.

Blut spenden kann Leben retten. Ein Piks und nach wenigen Minuten ist es vollbracht. (Archivbild)
Blut spenden kann Leben retten. Ein Piks und nach wenigen Minuten ist es vollbracht. (Archivbild)

Vieles lag noch im Unklaren an jenem Dienstagmorgen, als zwei Meridian-Züge auf eingleisiger Strecke bei Bad Aibling ineinander rasten. Als die Meldung vom Unglück erstmals publik wurde, wussten auch die Mitarbeiter des Blutspendedienstes nicht mehr als ander Leute. „Wie alle anderen beziehen wir solche Informationen zunächst einmal aus den Medien“, erklärt Tobias Hubert, Leitung Spenderdienst München.

Das, was sie frühmorgens hörten und lasen, ließ sie auf das Schlimmste vorbereiten. „Es gab die Meldung von 80 Schwerverletzten. Da wir zu dem Zeitpunkt keinen Überblick über die Schwere der Verletzungen hatten, haben wir gegen neun Uhr morgens zum Blutspenden aufgerufen“, sagt Hubert.

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Depot fasst 300 Blutkonserven

Bei Katastrophen wie diesen mit den lebenswichtigen Blutkonserven zur Stelle zu sein, ist die Aufgabe des Blutspendedienstes München. Er beliefert die Krankenhäuser in der Region. „In der Regel richtet sich die Menge nach dem Bedarf des jeweiligen Krankenhauses“, erklärt der Leiter des Spenderdienstes. Im Ernstfall werde aber auch auf das eigene Depot, in dem bis zu 300 Blutkonserven gelagert werden, zurückgegriffen. Der Faschingsdienstag war solch ein Tag. „An jenem Tag haben wir 100 Konserven nach Rosenheim und die anderen 200 nach Groß-Hadern gebracht.“ Keine gängige Praxis sei es dagegen, dass in den Krankenhäusern selbst Blut gespendet werde. “Der Aufwand ist einfach zu groß, und die Möglichkeiten sind dort nicht vorhanden.”

Tobias Hubert und sein Team haben schon viele schwere Einsätze mitbegleitet. „Wenn wir von Schwerverletzten hören, zudem in solch hoher Zahl, schrillen bei uns alle Alarmglocken“, sagt er. „Schwerverletzt, das kann unter Umständen bedeuten, dass Arterien betroffen sind und 50 bis 70 Konserven für eine Person benötigt werden.“ Gehe man von einer derartigen Katastrophe aus, könne man sich leicht ausrechnen, dass 300 Konserven zwar viel, aber eben nicht genug seien.

Weniger Schwerverletzte als zunächst gedacht

„Das erklärt den Aufruf, Blut zu spenden, zu einer Zeit, als noch gar nicht geklärt war, wie viele Personen verletzt und mit welchem Grad der Verletzung sie eingeliefert worden sind“, so Hubert weiter. Die Spendenbereitschaft war enorm. „Innerhalb zwei Stunden kamen 200 Menschen zu uns.“ Und es wären noch mehr geworden, wenn der Spenderdienst nicht irgendwann die Reißleine gezogen hätte. Denn: „In Folge der weiteren Stunden beruhigte sich die Nachrichtenlage. Es waren weniger Schwerverletzte, als wir zunächst vermutet hatten.“

Hubert und sein Team entschieden daher, das Lager lediglich wieder auf seinen Normal-Bestand von 300 Konserven zu befüllen. „Was viele nicht wissen: Auch Blut ist nur begrenzt haltbar, nämlich 42 Tage. Danach muss es entsorgt werden. Wir wollen aber vermeiden, zu große Vorräte anzulegen, nur um es dann leider nicht mehr verwenden zu können.“

Spendenbereitschaft war enorm

Gegen 14 Uhr folgte daher der Appell an die Bevölkerung, kein Blut mehr zu spenden. „Hätten wir nicht gestoppt, wären wahrscheinlich 600 Blutkonserven zusammengekommen.“ Auch bei 15 verfügbaren Entnahmeplätzen – im Schnitt dauert eine Blutentnahme 15 Minuten – wäre das Team des Spenderdienstes selbst schnell an seine Grenzen gestoßen.

Dass Faschingsdienstag war, sei ein weiterer Grund für den Aufruf am Morgen gewesen. „In den vergangenen Jahren haben wir die Erfahrung gemacht, dass es sich dabei um den spendeunfreundlichsten Tag handelt“, sagt Hubert. An diesem Tag war aber alles anders. Da war einerseits diese unfassbare Tragödie, auf der anderen Seite die enorme Spendenbereitschaft. „Binnen weniger Stunden konnten wir unser Depot wieder so bestücken, wie es sonst wohl bis mindestens Mittwochnachmittag gedauert hätte.“

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