Radl-Raudis und Rigorose Rennradler
Vorsicht, rasende Rentner!

E-Bikes sind eine super Sache. Aber auch auf dem Berg?

E-Bikes: Eine tolle Sache – oder? / Quelle: Nathanaël Desmeules auf Unsplash

‌Beim Wandern traf ich neulich eine Bekannte. Gerade tauschten wir uns begeistert über unsere Lieblings-Wanderwege aus, da donnerte wie aus dem Nichts laute Musik aus dem Wald – gefolgt von lautem Gegröle in einer nicht definierbaren Sprache. Bumm, Bumm, machte die Musikbox, entsetzte Gesichter machten wir. Da der rauschende Bach uns von den lärmenden Plagegeistern trennte und man sie nur hören, aber nicht sehen konnte, konnten wir die spontane Sonntags-Party nicht unterbrechen.

‌Ich – die Ruhe am Berg liebende Exil-Berlinerin – war ziemlich genervt vom Lärm in der Natur: “Das stresst mich jetzt echt”. Meine Bekannte stimmte zu und warf ein: “Weißt du, was mich so richtig nervt? E-Bikes am Berg”. Ich schluckte kurz und dachte an mein schönes E-Bike, das ich mir kurz nach meinem Umzug vom flachen Berlin ins bayerische Oberland zugelegt hatte. Ich hatte zunächst versucht, mit meinem treuen Klapprad zurechtzukommen, um nicht immer das Auto nehmen zu müssen. So kam ich in der Nachbarschaft zu meinem Spitznamen: “Klapprad-Leni”. In ihrem Garten sitzend hatte eine Nachbarin sich oft über das blonde Mädel amüsiert, das auf seinem Klapprad die steile Straße hochschnaufte. Ich muss dabei ziemlich komisch ausgesehen haben. Gut, wenn man über sich selbst lachen kann!

‌Von Klapprad-Leni Klapprad zur E-Bike-Queen

‌Meine Eltern – mittlerweile lebenslustige Rentner – hatte ich gerne für ihre E-Bikes gehänselt. “Die Rentner sind los!”, stichelte ich, wenn sie sich auf ihre Elektro-Gäule schwangen. Als ich an einem stürmischen Tag mal wieder schnaufend auf meinem Klappi nach Hause radelte, letztendlich kapitulierte und das Radl nach Hause schob, traf ich die Entscheidung, über die meine E-Bike-liebende Mutter laut lachen würde: Ich kaufe mir ein E-Bike. “Ach, in Frührente?!”, ärgerte Mama mich lachend, als ich ihr davon erzählte. Verdient hatte ich mir die Sticheleien allemal. Heute radle ich bei schönem Wetter auf meinem motorisierten Silberpfeil durchs Tal und gebe zu: E-Bikes sind was Feines. Allerdings nicht überall …!

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‌Neue Sportdisziplin: E-Bike-Wandern

‌Auf Wanderwegen zum Beispiel, da gebe ich meiner Bekannten recht, haben E-Bikes meiner Meinung nach so wenig verloren wie Fußgänger auf der Autobahn. Wikipedia definiert das Wort “Wandern” so: “Wandern ist eine Form weiten Gehens über mehrere Stunden”. Ergo ist ein Wanderweg primär als ein Weg für Wandernde bestimmt. Nun gut, man muss ja nicht alles so eng sehen, finde ich. Zugegeben: Ich radle auch manchmal auf Gehwegen, wenn die Straße zu gefährlich ist. Allerdings nur, wenn ich dabei niemanden störe oder gefährde. Und ich steige ab und entschuldige mich, wenn es angebracht ist.

‌Zurück zur Unterhaltung mit meiner Bekannten. Mittlerweile echauffierte sie sich leidenschaftlich über die E-Biker im Höhenrausch. Vielleicht war es ihre Wut, die plötzlich zahlreiche Erinnerungen an unschöne Begegnungen mit rasenden E-Bike-Raudis vor meinem inneren Auge auflodern ließ. Die laute Musik und das Gegröle schallten noch immer irgendwo aus dem Dickicht heraus. “Neulich, da ging ich von der Rotwand kommend den Forstweg runter, da rasten …”. Weiter kam ich mit meiner Erzählung nicht. “Also Forstwege meide ich mittlerweile, da musst du an schönen Tagen ja aufpassen, nicht umgefahren zu werden”, unterbrach meine Bekannte mich aufgeregt. Ich stimmte ihr zu. Zudem sind Forstwege meistens langweilig, da monoton. Als sie sich ausgelassen hatte, kam ich doch noch dazu, meine Anekdoten über E-Bike-Raudis auf Wanderwegen mit ihr zu teilen.

Rette sich, wer kann, die rasenden Rentner kommen!

‌Zurück zu Hause überlegte ich, warum sie so nerven, die rüstigen Radler mit Motor unterm Hintern. Vielleicht, weil sie ohne Anstrengung und provokant grinsend an einem vorbeischießen, wenn man selbst gerade mit hochrotem Kopf und schnaufend einen steilen Weg hinauf wandert – wohlwissend, dass das noch ein paar Stunden so gehen wird?! Oder weil sie einen aus der Entspannung reißen, wenn man gerade so schön seinen Gedanken nachhängt und plötzlich das süße Surren eines E-Bike-Motors ertönt?!

‌Gerne schwärmen sie ja auch im Rudel aus, was die Begegnung mit ihnen beim Wandern nicht unbedingt angenehmer macht. Was früher die Butterfahrt war, ist heute motorisiertes Wander-Radeln auf den Berg. Gefolgt von schwarmartigem Abfahren im Eiltempo. Dann sollte man, wenn man nicht umgenietet werden will, besser schnell zur Seite springen. Aus dem Weg, die rasenden Rentner kommen. Rette sich, wer kann! Zum Glück hört und erkennt man sie ja von Weitem: Surrende Motoren und bunte Multifunktions-Kleidung im Partner-Look. So fair sind sie dann doch. Immerhin geben sie einem ein paar Sekunden Zeit, damit man reagieren kann.

‌Auch ohne Motor im Trend: Radl-Raudis und Rennrad-Rüpel

‌Nur über Rentner auf E-Bikes herzuziehen und alle anderen Radl-Raudis ausklammern wäre unfair. Abgesehen davon finde ich es super, wenn Menschen ihren Lebensabend nicht einsam vor der Glotze verbringen, sondern aktiv ihren wohlverdienten Ruhestand genießen und fit bleiben. Mich macht es traurig, wenn einsame Senioren ein trauriges Dasein in ihren vier Wänden fristen. Deshalb freue ich mich insgeheim auch über die aktiven Silberlocken, wenn sie mal wieder ausschwärmen. Auch wenn es gerade nicht danach klang.

‌Und außerdem gibt’s ja noch andere Radl-Raudis: Rigorose Rennradler zum Beispiel. Einige von ihnen kennen gar kein Pardon. Am Schliersee etwa, wo Fußgänger und Radfahrer sich den Uferweg teilen, machen im Sommer viele Rennrad-Rüpel den teils schmalen Weg zu ihrer privaten Rennstrecke. Dass es nicht ständig zu Unfällen kommt, darüber staune ich immer wieder. Und dann wäre da ja noch die Superhirne unter den Radsportlern: Man erkennt sie daran, dass sie in großen Gruppen antreten und kollektiv die Straße blockieren, indem sie provokant nebeneinander fahren und gar nicht daran denken, Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer zu nehmen.

‌Wer so eine Rennradgruppe vor sich hat und im Auto sitzt, braucht gute Nerven. Das Blut vom Speedrausch voller Glückshormone scheint bei dieser Spezies dafür zu sorgen, dass sie ein Gefühl von “Wir sind die Könige der Straße” empfinden. Müsste ich sie bewerten, würden sie von mir 10 von 10 Punkten fürs Nerven bekommen.

‌Zugegeben: E-Bikes sind cool

‌Aber es gibt ja auch coole Radfahrer. Meinen Bekannten Walter zum Beispiel. Den lernte ich kennen, als ich mit meinem damals neuen E-Bike – ha! – durch die Gegend gondelte. Eine Bäuerin hatte die Straße gesperrt, um ihre Kühe zum Melkstall zu treiben. Im tiefsten Boarisch übergoss der lebenslustige Rentner mich mit einem Wortschwall. Ich, die gerade erst zugezogene Berlinerin, verstand kein Wort. Als ich ihn bat, das Gesagte auf Hochdeutsch zu übersetzen, lachte er und fragte mich: “Soll i dir a bissl die Gegend zeigen”?

‌Ich willigte ein und schon düsten Walter und ich auf unseren E-Bikes durchs Tal. Lachend und mit dem Wind in den Haaren radelte ich dem vor Lebensfreude strotzenden, weiß gelockten Walter hinterher. Mit meinem Klapprad wäre ich nie hinterhergekommen. Schon cool, so ein E-Bike.

‌Und trotzdem: Auf dem Wanderweg hat mein elektrischer Drahtesel nichts verloren. Da gehört er nicht hin. Wer’s nicht anders auffi schafft, soll halt hochradeln. Es wäre nur schön, wenn Radfahrer – mit oder ohne Motor – sich dann und wann daran erinnern würden, wie Wikipedia einen Wanderweg definiert: “Wanderwege sind mit Wegzeichen markierte Fußwege, die das Wandern auf interessanten Strecken oder zu attraktiven Zielen ermöglichen”.

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