Kerkel dementiert frühere Abhängigkeiten

Hat Landratskandidat Norbert Kerkel junior die Kontakte seines Vaters und damaligen Landrats genutzt, um sich Vorteile zu verschaffen? Bereits im Jahre 1999 geriet er aufgrund der Vorwürfe ins Visier der Staatsanwaltschaft.

Doch Kerkel selber betont, dass an den Aufträgen, die seine Firma von der VIVO erhalten habe, nichts auszusetzen sei. Aktuelle Aussagen, wie auch alte Ermittlungsergebnisse stützen diese Aussage.

Anlässlich eines Informationsabends der FWG Kreuth sprach Landratskandidat Norbert Kerkel erstmals über seine Ziele
FWG-Landratskandidat Norbert Kerkel auf einer Wahlkampfveranstaltung in Kreuth / Archivbild

Die Schaftlacher Firma von Norbert Kerkel hat sich auf IT-Dienstleistungen spezialisiert und entwickelt Programme für spezielle Anwendungen. „Wenn Sie beispielsweise in einem Verein organisiert sind, ist es recht wahrscheinlich, dass Ihre Mitgliedsdaten von unserer Software verwaltet werden“, so der Landratskandidat der Freien Wähler bei einer Veranstaltung in Kreuth.

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Die Firma laufe gut. Doch Gerüchte halten sich seit längerem, dass es der WegaTec Informationssysteme GmbH finanziell nicht sehr gut gehen soll. Dem widerspricht Kerkel energisch: „Das stimmt nicht.“ Die in der, unter anderem im Bundesanzeiger einsehbaren, Bilanz als „nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ ausgewiesene Summe sei lediglich ein Gesellschafterdarlehen. Die 135.000 Euro habe man in den vergangenen Jahren zum Kauf von Hardware verwendet.

WegaTec liefert die Software

Zum Portfolio von WegaTec gehört unter anderem auch die Entwicklung von Abrechnungssoftware für Abfallunternehmen. Norbert Kerkel selbst leitet die Firma seit ihrer Gründung vor rund 19 Jahren als Geschäftsführer. In dieser Zeit begann auch das Engagement bei den Vorgängern der heutigen VIVO – dem „Kommunalunternehmen für Abfall-Vermeidung, Information und Verwertung im Oberland“. Oder kurz: dem kommunalen Abfallentsorgungsunternehmen.

Mitte der Neunziger Jahre hat Kerkel das Netzwerk für die VIVO eingerichtet. Seit 1998 zieht das Unternehmen die Müllabgabe selber ein. Und seitdem liefert WegaTec auch die nötige Software „TonnenOffice“ hierzu. Nicht wenige vermuteten aufgrund der zeitlichen Überschneidung, dass Norbert Kerkel senior – von 1987 bis 2008 Miesbacher Landrat – seinem Sohn Aufträge zugeschanzt hat, um ihn und sein Unternehmen zu unterstützen.

Kerkel widerspricht dem allerdings. „Die Aufträge wurden völlig normal vergeben“, betont der Waakirchner. Die normale Vergabe umfasste zwar keine direkten Ausschreibungen, wie bei größeren Projekten üblich. Doch der damalige VIVO-Geschäftsführer, Walter Hartwig, erklärte bereits im Dezember 1999 gegenüber der Süddeutschen Zeitung, dass ein Verstoß gegen das öffentliche Vergaberecht nicht vorgelegen habe:

Es sind Alternativangebote eingeholt worden. Diese waren aber entweder erheblich teurer oder es handelte sich um keine erprobte Standardsoftware.

Eine Sichtweise, die auch der neue Vorstand der VIVO, Thomas Frey, auf Nachfrage bestätigt. Laut Frey soll der Auftragserteilung an Kerkels Firma ein Beschluss des Verwaltungsrates zugrunde gelegen haben. In der entscheidenden Sitzung am 10. Juni 1999 habe das Gremium dann entschieden, WegaTec zu beauftragen.

An der Beratung und Abstimmung hat ausweislich des Sitzungsprotokolls der frühere Landrat Kerkel, der zugleich Vorsitzender des Verwaltungsrates war, wegen persönlicher Beteiligung im Sinne der Bestimmungen der Landkreisordnung nicht teilgenommen.

Zur Höhe des Auftragsvolumens kann und will Frey allerdings keine Auskunft geben. Die Beschlussfassung sei damals in nichtöffentlicher Sitzung erfolgt. Denn Sitzungen des Verwaltungsrates kommunaler Unternehmen finden nach dem Gesetz grundsätzlich nichtöffentlich statt. Und auch Kerkel selber äußert sich nicht zu dem Betrag, den seine Firma von der VIVO für diesen Auftrag bekommen hat. Auf der offiziellen Internetseite von WegaTec ist die Rede von rund 35.000 Euro.

Ermittlungen entlasten Kerkel

Vor allem ein Umstand entlaste laut Kerkel die damaligen Entscheidungsträger und damit indirekt auch ihn. So sei er bereits 1999 ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Aufgrund einer anonymen Anzeige habe diese Ermittlungen wegen Vorteilsnahme aufgenommen. „Da ist aber nichts bei raus gekommen“, so der 49-Jährige. Von der Polizei selbst heißt es dazu nur, dass man keine Auskünfte über Anzeigen gegen Einzelpersonen geben dürfe. Und auch die Münchner Staatsanwaltschaft hat zu dem Fall keine Informationen. „Das ist bei uns nicht mehr vermerkt. Da gibt es Löschungsfristen“, erklärt Sprecher Ken Heidenreich.

In einem alten Artikel der SZ aus dem Oktober 2000 wird man allerdings doch noch fündig. Im Rahmen einer Pressemitteilung der VIVO ist die Rede davon, dass die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen den Vorwurf widerlegt haben, dass die WegaTec bei der Auftragsvergabe begünstigt worden sei. Und auch Altlandrat Kerkel zeigte sich nach dem damaligen Bericht erfreut darüber, dass in der Urteilsbegründung „eindeutig festgestellt wurde, dass durch ihn keinerlei Einflussnahme auf die Vergabe von Aufträgen des Müllverwertungsbetriebs erfolgt sei.“

In der selben Urteilsbegründung mutmaßte jedoch Amtsrichter Siegfried Geißinger auch, dass die VIVO möglicherweise in „vorauseilendem Gehorsam“ gehandelt habe, sodass die ergangenen Entscheidungen von Dritten, von welchen die VIVO wiederum abhängig ist, wohlwollend zur Kenntnis genommen wurden. Als Kommunalunternehmen des Landkreises ist die VIVO natürlich auch in gewisser Weise vom Landrat abhängig. Die Beurteilung über das Ausmaß des vorauseilenden Gehorsams bleibe aber, so der Richter abschließend, den beteiligten Parteien überlassen.

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