Waakirchen kann nur ein Tunnel helfen

Seit 40 Jahren diskutiert – im August vom Bundeskabinett beschlossen: Die Ortsumfahrung von Waakirchen. Doch nun gibt es eine Neuigkeit mit „bitterem Beigeschmack“, von der weder Gemeinde noch Landratsamt bis dato gewusst haben.

Lars Hülsmann, Vorsitzender des Vereins "Entlastung B472"
Lars Hülsmann, Vorsitzender des Vereins “Entlastung B472”, erklärt, warum die Orstumfahrung keine Chance hat.

Seit 3. August ist es amtlich: Die viel diskutierte und lang geplante Südumfahrung in Waakirchen ist im Bundesverkehrswegeplan als „vordringlicher Bedarf“ eingestuft und vom Bundeskabinett beschlossen worden. Der Bau einer südlichen Trasse mit einer geschätzten Investitionssumme von 6,6 Millionen Euro soll künftig den zunehmenden Verkehr und den damit verbundenen Lärm im Ort langfristig reduzieren.

So steht`s zumindest im Plan, der – zusammen mit sechs weiteren Landkreisprojekten, darunter die Südumgehung von Holzkirchen und die Umfahrung von Gmund – bis 2030 umgesetzt werden soll. Obwohl eine endgültige Entscheidung erst im Januar 2017 fällt, geht der Verein „Entlastung der B472 e.V.“ davon aus, dass der Verkehrsausschuss den BVWP gesetzlich festlegen wird.

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Bundesverkehrswegeplan ist auf dem Weg

Damit ist das ursprüngliche Ziel des Vereins „Entlastung der B472 e.V.“, die Herausnahme der Ortsumfahrung aus dem BVWP, hinfällig. Dennoch hält der Verein und ihr Vorsitzender Lars Hülsmann weiterhin an einer Absage an die Ortsumfahrung fest. Gerade im Hinblick auf die betroffenen Landschaftsschutzgebiete gäbe es erhebliche Probleme, so Hülsmann bei einer Infoveranstaltung am Donnerstagabend im Waakirchner Pfarrsaal. Er betonte aber auch, dass man nicht gegen den “vordringlichen Bedarf” klagen werde:

Wir haben gar keine rechtlichen Möglichkeiten. Wir können nur eine Beschwerde einreichen.

Beide Umfahrungsoptionen sowohl im Norden als auch im Süden führen durch das Landschaftsschutzgebiet „Egartenlandschaft“, deren klassisches Charakteristikum die sogenannten „Hage“ sind. Betroffen wären außerdem Biotope und Tiere sowie das Mariensteiner Moor, erklärte Hülsmann weiter. Auch müsste die Trasse gegen bestehende Wasserströme geschützt werden.

Verkehrskonzept beginnt mit Analyse

Der Verein fordert deshalb eine Priorisierung und Prüfung aller Projekte. Und zwar so lange, bis eine qualifizierte Lösung vorliegt. Wo kommt der Verkehr her, wo will er hin und warum? Und vor allem: Wie entwickelt er sich?

Eine Umfahrung um Waakirchen oder doch ein Tunnel?
Eine Umfahrung um Waakirchen oder doch ein Tunnel?

Erst wenn man die Antworten auf diese Fragen analysiert habe, könne man zielgerichtet handeln, ist Hülsmann überzeugt. Außerdem müsse man berücksichtigen, wie sich andere Verkehrsprojekte auf die Verkehrssituation in Waakirchen auswirken. Ganz zu schweigen von der geplanten Einführung der LKW-Maut auf den Landstraßen ab Juli 2018 und der Verdichtung der Bahntakte.

Wir brauchen einen gemeinsamen Fahrplan. Isolierte Entscheidungen sind nicht sinnvoll.

Umsetzbar wäre eine solche Analyse der Verkehrsströme in sechs Monaten, davon ist Hülsmann überzeugt. Die geschätzten Kosten: 100.000 bis 150.000 Euro. Eine Summe, die zu 100 Prozent aus dem Budget des Bundesverkehrswegeplans stammen müsse. Es sei nicht damit getan, Projekte aus Kostengründen zu streichen, erklärte er. Was man brauche, sei ein Verkehrskonzept für das gesamte Oberland. Nur so könne man die Ziele des Vereins auf den Weg zu bringen: Weniger Verkehr auf den Straßen, mehr Einklang mit der Natur sowie ein landkreisübergreifender, gemeinsamer Wille zur Durchsetzung.

Südumfahrung verstößt gegen Alpenkonvention

Eine Herausnahme und Befreiung der Hagstruktur aus dem Landschaftsschutzgebiet verstoße eindeutig gegen die Alpenkonvention, ließ der geladene Münchner Rechtsanwalt Fabian Gerstner am Donnerstag wissen. Obwohl bei der Herausnahme geschützter Gebiete aufgrund wirtschaftlicher Entwicklungen Spielraum bestehe, sei eine Umfahrung im Norden und Süden eindeutig nicht rechtskonform.

Den Verkehr zu verringern, sei eigentlich ein „irres Ziel“, sagt Hülsmann. Man dürfe nicht vergessen, dass Maßnahmen, die in Waakirchen durchgeführt werden, den Verkehr an anderen Standorten erhöhen. Je nach Ergebnis des Verkehrskonzeptes, ergäben sich daraus für den Verein eine kleine sowie eine große Lösung zur Reduzierung des innerörtlichen Verkehrs. Neben Tempolimit befürwortet der Verein „intelligente“ Bodenschwellen und Flüsterasphalt. Als große und umweltschonende Lösung priorisiert der Verein einen „Ost-West-Tunnel“ mit einer Gesamtlänge von ungefähr zwei Kilometern.

Ein Tunnel ist im Gegensatz zu einer Ortsumfahrung eine Langzeitlösung für mindestens 70 Jahre.

Und für den Vereins die einzige Lösung, die Schadstoffbelastung und die Lärmwerte im Ort deutlich zu senken. Nachteile sieht der Verein allerdings in der langen Bauzeit und den immensen Kosten. Der Einwand kam: „Ein Tunnel in 15 bis 20 Jahren? Das erleben viele von uns doch gar nicht mehr.“

Der Münchner Rechtsanwalt Fabian Gerstner erklärt, warum die juristische Bedeutung der Alpenkonvention.
Der Münchner Rechtsanwalt Fabian Gerstner dozierte über die juristische Bedeutung der Alpenkonvention.

Man müsse jetzt schon politischen Druck aufbauen, um die Dinge in Gang zu bringen, entgegnete Hülsmann. Waakirchens dritter Bürgermeister, Rudi Reber (ABV), lobte das gute Konzept des Vereins und sagte, man müsse für einen Tunnel gemeinsam kämpfen. Das sah auch Hülsmann so:

Wir wollen uns nicht entzweien, sondern eine gemeinschaftliche Lösung.

Anton Doll (BI) von der Bürgerinitiative Verkehr warf ein: „Warum haben Sie sich vorher nicht eingebracht? Wir engagieren uns seit zehn Jahren, haben mit sämtlichen Ministerien, Landräten und Bundesministern über die Verkehrsproblematik gesprochen – wo waren Sie da?“ Hülsmann entgegnete: „Wir wollen nicht nur ein Konzept für Waakirchen – das ist der fundamentale Unterschied. Und Sie hatten keine konkrete Lösung.

Plötzliche Projektänderung im BVWP – ein Affront gegen Gemeinde

Am Ende gab Lars Hülsmann bekannt, was ihm am 4. Oktober bei erneuter Einsicht in den BVWP auffiel: Das Projekt Südumfahrung, zu dem die Bürger bis zum 2. Mai öffentlich Stellung beziehen konnten, wurde noch bis zum Beschluss am 3. August in der Umweltbetroffenheit mit „mittel“ eingestuft. Es wurden auch keine Änderungen vorgenommen. Jetzt ist aus dem „mittel“ ein „gering“ geworden.

Über diese Änderung wurde weder die Öffentlichkeit, noch die Gemeinde, noch der Landkreis informiert, sagt Lars Hülsmann. Was wiederum die Vermutung aufkommen lässt, jemand in Berlin habe diese Änderung im Projekt vorgenommen, ohne den Vorgang transparent zu machen. Die Frage sei nun, so Hülsmann: Wann hat diese Veränderung stattgefunden und vor allem – warum?

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