Wann gilt ein Bürger als Reichsbürger?

Sie leugnen die Existenz der Bundesrepublik, treiben Behörden mit Anfragen in den Wahnsinn und werden vom Verfassungsschutz als gefährlich eingestuft – die Rede ist von Reichsbürgern. Erst jüngst gab es Razzien in Rottach-Egern und Warngau. Doch einige der “Reichsbürger” wehren sich nun.

Martin Beilhack, Hauptmann der Waakirchner Gebirgsschützen-Kompanie, kritisiert die Reichsbürger-Razzia des Landratsamts.

Der 24. Januar dürfte für den Warngauer Landwirt Martin Beilhack kein angenehmer Tag gewesen sein. An diesem Dienstag kam das Landratsamt samt Polizei-Großaufgebot bei ihm vorbei. Der Verdacht: Beilhack ist ein Reichsbürger. Seine Waffen – er ist auch Mitglied bei den Waakirchner Gebirgsschützen – wurden kontrolliert. Gegenüber dem Merkur sagt Beilhack, immer noch angefressen ob des Vorgangs:

Jetzt weiß ich, wie sich mein Großvater gefühlt hat, als ihn die Gestapo geholt hat.

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Der Hintergrund für die Razzia bei Beilhack und anderen als “Reichsbürger” geltenden Waffenbesitzern ist dabei oft relativ banal – zumindest für die Kontrollierten. Beilhack hatte beispielsweise “Königreich Bayern” auf einen Antrag geschrieben. Dazu habe er einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt, nach der Urfassung von 1913. Vor allem dieser „Gelbe Schein“ ist es, bei dem in Behörden die Alarmglocken läuten.

Denn wer diesen Antrag nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913 einreicht, gerät ins Visier der Ermittler. Für das Amt wird damit die Zugehörigkeit zum Reichsbürgertum wahrscheinlicher. Wenn jemand, so wie Beilhack, auch noch als Jäger diverse Schusswaffen besitzt, muss sich den derzeit laufenden Kontrollen unterziehen. So rechnet das Landratsamt auch Martin Beilhack, neben rund 100 anderen Personen, zu der hiesigen Reichsbürger-Szene oder deren Sympathisanten hinzu.

Konflikte mit Polizei vorprogrammiert

Bei den Durchsuchungen im Januar, sei es laut Birger Nemitz, Pressesprecher des Landratsamts Miesbach, um genau solche Staatsangehörigkeitsausweise und waffenrechtliche Erlaubnisse gegangen. Bei den Einsätzen in Warngau und Rottach-Egern trugen die Polizisten kugelsichere Westen. Warum der Auftritt so massiv war, erklärte Stefan Sonntag, Pressesprecher des Polizeipräsidiums vor zwei Wochen auf Nachfrage. Er erinnert sich an einzelne Fälle, bei denen es zu Problemen kam:

Die Reichsbürger lehnen die Polizei ja kategorisch ab und weisen sich dann mit diversen Phantasiedokumenten aus, beispielsweise mit selbstausgestellten Ausweisen oder Führerscheinen.

Solche Dokumente, so Sonntag, belegen natürlich keine Identität, wenn es dann allerdings zu einer Personenkontrolle komme, seien Konflikte vorprogrammiert.

Laut Nemitz sei das Großaufgebot der Polizei aufgrund eines ganz bestimmten Vorfalls berechtigt. Mitte Oktober 2016 wurde in Georgensmünd ein Polizist bei einem SEK-Einsatz getötet. Dabei sollten die Beamten die 31 Schusswaffen eines Reichsbürgers konfiszieren. “Diese verschärften Kontrollen wurden vom Innenministerium angeordnet. Nach diesem tragischen Vorfall in Georgensmünd wurden dann zusätzlich höhere Sicherheitsmaßnahmen im Umgang mit Reichsbürgern angeordnet.”

“Nicht gerade harmlos”

Für Beilhack ist vor allem die Kriminialisierung nicht nachvollziehbar. “Ich habe da Ahnenforschung betrieben, das war ganz interessant,” gibt sich der ehemalige Gemeinderat arglos. Doch die Behörden schätzen sein Verhalten anders ein, erklärt Nemitz:

Beilhack hat sich auch während der Kontrolle den Experten gegenüber immer wieder so geäußert, dass er nicht als harmlos eingestuft werden konnte.

Das Landratsamt gehe bei diesen Kontrollen mit Fingerspitzengefühl ran “und könne unterscheiden, ob jemand eher ahnungslos einen solchen Ausweis besitzt.” Beilhack habe jedoch darauf beharrt und insistiert, seinen Staatsangehörigkeitsausweis zu behalten. “Im Prinzip wollen solche Leute mit dem Ausweis belegen, dass sie dem Reich angehören – das ist nicht gerade harmlos”, so der Landratsamtssprecher.

Über den Großeinsatz und die Einschätzung der Behörde, dass von ihm eine Gefahr ausgehe, kann Beilhack derweil nur lachen. Seine Waffen durfte er letztlich dann auch behalten: alles vorschriftsmäßig gelagert. Zumindest darin sind sich der Landwirt und das Landratsamt einig.

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