Wann ist die Grenze erreicht?

Die Beschwerden zur kürzlich angehobenen Zweitwohnungssteuer in Tegernsee mehren sich. Wo aber liegt eigentlich die Grenze der prozentualen Erhöhung? Haben Gemeinden hier freie Hand? Und was ist eigentlich mit Zweitwohnungsbesitzern, die ihre Wohnung vermieten?

Wolken am Horizont: Wenn es um das Thema Zweitwohnungssteuer geht, streiten sich die Geister.

Im vergangenen Jahr hob das Bundesverfassungsgericht das seit 2005 gültige Steuerstufenmodell zur Erhebung der Zweitwohnungssteuer auf. Bayernweit waren es laut Bayerischem Innenministerium Ende 2017 insgesamt 139 von 2.056 Kommunen, die eine entsprechende Satzung eingeführt hatten.

Auch die Tal-Gemeinden hatten ihr Modell geändert und einen einheitlichen Prozentsatz in Höhe von 12 Prozent von der Netto-Jahres-Kaltmiete verlangt. Als die Stadt Tegernsee vor Kurzem davon abwich und sogar eine Erhöhung der Zweitwohnungssteuer um 20 Prozent, rückwirkend zum 1. Januar beschloss(wir berichteten), mehrten sich die Beschwerden.

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Wuchersteuer unverhältnismäßig?

Nicht nur, dass sich Zweitwohnungsbesitzer durch die erhobene „Wuchersteuer“ geschröpft fühlten, sie prangern unter anderem an, dass eine solche „Erhöhung innerhalb eines Jahres“ gegen das „Prinzip der Verhältnismäßigkeit“ verstoße. In Bad Wiessee beispielsweise sprach ein Zweitwohnungsbesitzer von einer Erhöhung um 37,72 Prozent, in Tegernsee war von ganzen 145 Prozent die Rede.

Über das Instrument der Zweitwohnungssteuer sollen sich die zumeist auswärtigen Besitzer von Zweitwohnungen an den allgemeinen Leistungen in dem jeweiligen Ort beteiligen. Vorrangig gehe es, so die Befürworter, um den Erhalt öffentlicher Einrichtungen. Gemeinden begründen die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer damit, dass sie einen erhöhten Aufwand hätten.

Höhe des Steuersatzes ist Sache der Gemeinde

Die Frage ist, inwiefern Erhöhungen überhaupt erlaubt sind – und vor allem: Haben Gemeinden bei der prozentualen Anhebung freie Hand? Martin Scholtysik, stellvertretender Pressesprecher des Bayerischen Innenministeriums, hat darauf eine Antwort: „Grundsätzlich liegt die Festsetzung der Höhe des Steuersatzes im Ermessen der jeweiligen Gemeinde.“ Und auch bei etwaigen Erhöhungen hätten die Gemeinden einen weiten Gestaltungsspielraum“, so Scholtysik.

Beanstanden könne man die Höhe des Steuersatzes erst dann, wenn die Steuer unzumutbar wäre. Und dies wäre der Fall, so Scholtysik, wenn die Betreffenden von der Steuer finanziell übermäßig belastet werden, und ihre Vermögensverhältnisse dadurch grundlegend beeinträchtigt seien. Heißt, wenn sie also wirtschaftlich nicht mehr in der Lage wären, eine Zweitwohnung zu halten. Eine Steuererhöhung in Höhe von 10 bis 20 Prozent des jährlichen Mietaufwands sei bislang – seitens der Gerichte – nicht beanstandet worden, führt Scholtysik weiter aus.

Welche prozentuale Erhöhung ist legitim?

Dabei müsse man unterscheiden zwischen dem Steuersatz einerseits und der „prozentualen Erhöhung“ dieses Steuersatzes andererseits. Wenn in Bad Wiessee oder Tegernsee von einer Erhöhung um 37,7 oder 145 Prozent die Rede ist, handele es sich um „Zwischenschritte“ der von der Rechtsprechung gebilligten 20-Prozent-Schwelle, die sich auf den Steuersatz, und nicht auf die prozentuale Erhöhung beziehe. Dies verdeutlicht er an einem Beispiel:

Bei einem Durchschnittsmietpreis in Höhe von 10 Euro pro Quadratmeter liegt die 20-Prozent-Grenze der Rechtsprechung bei zwei Euro pro Quadratmeter. Eine Zweitwohnungssteuersatz in dieser Höhe wäre also nach der Rechtsprechung rechtmäßig. Erhöht nun die Gemeinde ihren Zweitwohnungssteuersatz von derzeit einem Euro pro Quadratmeter auf diese (rechtmäßigen) zwei Euro pro Quadratmeter, wäre dies eine Erhöhung von 100 Prozent. Die 20-Prozent-Schwelle wäre dabei aber nach wie vor eingehalten.

Die Zweitwohnungsbesitzer sind dennoch verärgert. Nicht nur, weil sie plötzlich viel mehr zahlen müssen, sondern weil sie neben der Zweitwohnungssteuer auch noch die Grundsteuer, den Kurbeitrag und die „überhöhten“ Handwerkerrechnungen zahlen müssten, so deren Argumentation. Eine Mehrfachbelastung, die man nicht so einfach hinnehmen wolle.

Hier ist jedoch die Rechtslage eindeutig: Die Zweitwohnungssteuer ist mit Kurbeiträgen nicht gleichzusetzen und darf zusätzlich erhoben werden. Mit beiden Abgaben werden zudem unterschiedliche Zwecke verfolgt. Wie bereits angesprochen, sollen die zumeist auswärtigen Besitzer von Zweitwohnungen in der Regel mit dem Kurbeitrag einen Finanzierungsbeitrag leisten.

Die Zweitwohnungssteuer hingegen ist eine reine Erhebung für eine Nebenwohnung, um damit höhere Einnahmen zu generieren. Scholtysik: „Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf neben der Hauptwohnung (…) erfordere finanzielle Mittel (..) und bringe wirtschaftliche Potenz zum Ausdruck.“

Mehr Wohnraum für Einheimische

Das sieht die Stadt Tegernsee genauso. Sie erhofft sich mit einer Steuer von nunmehr 20 Prozent, das „Luxusgut Zweitwohnungen“ zu reduzieren, um wieder Wohnraum für Einheimische zu schaffen. Selbst Zweitwohnungsbesitzer, die ihre Wohnung vermieten, nimmt die Stadt davon nicht aus. Ebenso wenig die Gemeinde Bad Wiessee.

Genau das beanstandet ein Zweitwohnungsbesitzer, der seine Wohnung nicht leer stehen lässt, sondern Urlaubern zur Verfügung stellt. In einem Schreiben an die Gemeinde weist er darauf hin, dass er als Eigentümer einer Ferienwohnung seiner Meinung nach keine Steuer zahlen müsse. Schließlich würden seine Gäste schließlich zur „wirtschaftlichen Belebung“ des Ortes beitragen. Das wiederum sieht auch Scholtysik so:

Kann der Eigentümer die dauerhafte Vermietung einer Zweitwohnung nachweisen, (…) so ist diese zweitwohnungssteuerfrei.

Ob wirklich eine permanente Vermietung vorliegt, kann eine Kommune nur anhand der Einkommenssteuererklärung überprüfen. Vorher gibt es Schlupflöcher. Ein Zweitwohnungsbesitzer könnte beispielsweise versuchen, die geforderte Steuer zu umgehen, indem er die Miete so hoch ansetzt, dass er keine Mieter findet.

Kommt die Kommune dieser vorgeschobenen Vermietung aber auf die Schliche, spätestens dann wird der Fall vor Gericht landen. Verstärkte Kontrollen müssen die Gemeinden nach ihrer Erhöhung jedenfalls einkalkulieren. Mögliche Rechtsstreitigkeiten ebenfalls.

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