Wann und wie starb „Betty“?

Barbara Böck, oder Betty, wie man die 95-jährige Antiquitätenhändlerin in Kreuth und Rottach nannte, starb am 22. März 2016. Ihre Pflegerin Renate W. soll sie aus Habgier getötet haben. Den Vorwurf der Staatsanwaltschaft bestreitet die Verteidigung. Heute wurden weitere Zeugen gehört.

Links am Rand: die angeklagte Pflegerin Renate W. Mitte sitzend der Mitangeklagte bulgarische Hausmeister Zahiri Z. – links von ihm seine Dolmetscherin. / Foto Klaus Wiendl

 

 

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Auch am siebten Verhandlungstag vor dicht gefüllten Zuschauerreihen sind die Zeugenaussagen für die 1. Strafkammer des Landgereichts München II eminent wichtig, denn die angeklagte Gesellschafterin von Böck schweigt beharrlich zu den Vorwürfen, sie habe die pflegebedürftige Millionärin Böck mit einem Kissen oder einem Tuch erstickt.

Was zunächst nach einem natürlichen Tod auf der Psychiatrie des Krankenhauses Agatharied aussah, entpuppte sich dann bei der Exhumierung von Böcks Leichnam nach Ansicht des Rechtsmediziners als möglichen Erstickungstod. In der Lunge wurden zerrissene Fasern gefunden und in den Augen punktartige Einblutungen. Die 53-jährige Angeklagte hatte auch ein Bett in Böcks Klinikzimmer.

Sie wusste, dass die Mitarbeiterinnen der Station nur alle zwei Stunden nachsehen würden. Um 8.30 Uhr wurde „Betty“ zuletzt lebend angetroffen. Kurz danach, spätestens 9.30 Uhr, soll die Angeklagte zugedrückt haben. Davon geht jedenfalls die Staatsanwaltschaft aus. Als Motiv nennt sie Habgier, da die Pflegerin mit drei weiteren Angeklagten schon Tage vor dem Tod von Böck, deren Villa in Kreuth wohl systematisch ausgeräumt habe, wie inzwischen etliche Zeugen bestätigen.

Angeklagte: gerührt und lächelnd

Das Quartett, darunter der Mann der Angeklagten, soll Kunstgegenstände im Wert von über einer Million Euro entwendet haben. Die Beschuldigte, die seit 31. März 2016 in Untersuchungshaft sitzt, macht zumindest vor Gericht keinen niedergeschlagenen Eindruck. Ein Lächeln huscht auch mal über ihr Gesicht, wenn sie sich mit ihren beiden Verteidigern unterhält. Tränen rollten über ihre Wangen, als eine gute Freundin aussagte, die sie als liebenswerte und hilfsbereite Nachbarin schilderte. Da war es um die Fassung von „Renate“ geschehen.

Sie war sichtlich gerührt von der Anteilnahme der Ärztin als Zeugin. Auch als ihre 22-jährige Tochter heute geladen war, zeigte sich wieder das Lächeln. Wie vorherzusehen war, verwies die Tochter auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Ihr Freund, Tobias F., der auch gehört werden sollte, war nicht erschienen. Der ist wohl untergetaucht, befand der Vorsitzende Richter Thomas Bott, „da der Zeuge wegen eines Haftbefehls zur Fahndung ausgeschrieben ist“. Ansonsten bleibt die Angeklagte in den zahlreichen Verhandlungstagen ziemlich unbeeindruckt.

Gmeineder und Böck kannten sich seit Jahrzehnten

Spannend wurde es bei der Aussage von Kurt Gmeineder aus Dürnbach. Der Inhaber des gleichnamigen Schlüsseldienstes kannte Böck seit 1969. Damals war er Mitarbeiter einer Eisenwarenhandlung in der Rottacher Seestraße, in der unweit davon auch Böck mit Ihrem Mann den Kunsthandel betrieb. Immer wieder hatte er für die Böcks Schlüssel und Schlösser wechseln müssen. In den letzten Jahren habe er dann der Witwe Böck für ihre Villa am Riedlerberg in Kreuth einen Tresor geliefert.

Dafür wollte sie dem leidenschaftlichen Maler Gmeineder ein Gemälde des bekannten Künstles Ludwig Gschossmann überlassen, der auch am Tegernsee wirkte. Doch er habe abgewunken, so der 70-Jährige, denn das Gemälde sei in einem schlechten Zustand gewesen. Er sei dann Anfang 2016 von Böck in deren Villa gebeten worden, weil deren Tresor nicht aufging. Bei dieser Gelegenheit habe die betagte und manchmal auch verwirrte alte Dame ihm erzählt, dass sie in ihrer Villa Platz brauche.

Deshalb sollte der Rottacher Kunsthändler Peter P. ihre zahlreichen Kunstgegenstände über die Münchner Galerie Neumeister verkaufen. Gmeineder, der keine Einwände gegen die Verwendung seines Namens in der Tegernseer Stimme hatte, schilderte ein „privilegiertes“ und „vertrauensvolles Verhältnis“ zu „Peter“. P. ist Mitangeklagter. Er wird des gemeinschaftlichen Diebstahls bezichtigt.

Wie auch Böcks Hausmeister Zahiri Z., der in Böcks Villa eine Einliegerwohnung hatte. Laut Gmeineder beschuldigte „Betty“ ihren „Harry“, einen Leuchter entwendet zu haben, deshalb sollte er den Tresor öffnen, da Böck sich bei der Zahlenkombination vertan hatte. Bei der Öffnung dann sei „die Kiste voll mit Schachteln“ gewesen. Der Leuchter war nicht dabei. Diese Anschuldigungen Böcks verwunderten Gmeineder, denn er wusste nur, dass Hausmeister „Harry“ zehn Jahre lang für Böck ihr „Ein und Alles“ und „mit dem sie immer glücklich war“. Zudem habe der angeklagte Bulgare von Böck 50.000 Euro für seinen Hausbau in Achenkirch bekommen, sowie zahlreiche Möbel aus ihrer Villa.

Wer hat “Betty” zuletzt lebend gesehen?

Die Angeklagte Renate W. kannte Gmeineder aus Begegnungen mit Böck und aus einigen Telefongesprächen. Sie habe ihn an Böcks Todestag gegen 8.50 Uhr angerufen und sich dabei auf eine Mail eines Rechtsanwalts berufen, dass Gmeineder die Schlüsselkarte des Safes decodieren solle. „Frau Böck braucht noch Geld, weil sie dem Krankenhauspersonal Trinkgelder geben wolle, da sie nicht mehr lange leben würde“, so Gmeineder.

Der soll erwidert haben, dass er ohne eine Bestätigung des Amtsgerichts nichts unternehme, denn ein Rechtsanwalt könne vieles schreiben. Doch eine gute halbe Stunde später habe sich W. wieder gemeldet und mitgeteilt, „es hat sich erledigt, Frau Böck ist verstorben“. Diese Anrufe waren für die Staatsanwältin umso verwunderlicher, als eine Krankenschwester aus Agatharied, die Nachtschicht vor dem Tod von Böck hatte, die Patientin in einem „sehr schlechten Zustand” erlebt hatte. “Sie war nicht mehr direkt ansprechbar und reagierte nur noch mit den Augen“. Wie also sollte sich die kontaktunfähige Böck gegenüber dem Pflegepersonal noch erkenntlich zeigen können, interessierte auch die Ermittlerin.

Mit ihrem Ableben müsse man stündlich rechnen, so die Stationsschwester. Dass die Patientin aber bereits am nächsten Tag verstarb, darüber sei sie verwundert gewesen, „dass es so schnell ging“. Wann der Tod genau eingetreten ist, konnte die junge Stationsärztin Ann-Kathrin N. als Zeugin nicht sagen. Doch sie glaube, dass Böck am 22. März nach neun Uhr verstarb. Die Todesbescheinigung stellte sie um 9.30 aus. Offen bleibt damit, wer „Betty“ zuletzt noch lebend angetroffen hat. Dies aber ist für den Mordvorwurf gegen Renate W. existenziell.

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