Erster Auftritt nach Klinik-Absage

75 Prozent aller Gelenk-Operationen seien überflüssig, diagnostiziert der Leiter der Privatklinik Jägerwinkel in Bad Wiessee, Dr. Martin Marianowicz. Arthrose könne man selbst heilen, stellt er in seinem neuen Buch in Aussicht.

Die Autoren Willibald Walter und Martin Marianowicz (v.l.) bei der Buchpräsentation. / Für den BR-Beitrag auf das Bild klicken.

Seit Jahren arbeite Marianowicz als Orthopäde mit seinem Kollegen Willibald Walter an einer multimodalen Therapie bei Rückenschmerzen. Die positiven Ergebnisse hätten sie ermutigt, ihr Wissen des ganzheitlichen Heilungsprinzips auch den Arthrose-Patienten in Buchform zu vermitteln, sagten beide bei der Buchpräsentation in der Klink Jägerwinkel.

Auch wenn der Schmerz eine anatomische Ursache hat, brauchen Menschen mit chronischen Gelenksschmerzen einen ganzheitlichen schmerztherapeutischen Ansatz um ihre Beschwerden loszuwerden.

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Mit ihrem neuen Buch wollen beide Mediziner „ein Tür zu einem neuen Verständnis des Beschwerdebildes Arthrose aufstoßen“, so der verheißungsvolle Pressetext. Wesentliches Element des Buches sei, so Walter, wie man von den Operationen und „aus diesem Negativkreislauf“ wegkomme. Denn 75 Prozent der Operationen könnten vermieden werden, glauben die Autoren. So sei es auch nicht verwunderlich, dass Deutschland immer noch „OP-Weltmeister“ sei. Zwar haben hierzulande 35 bis 40 Millionen Menschen eine Arthrose, aber nur 5 Millionen davon seien „krank“.

Was macht aus einem Verschleiß bei immer älter werdenden Menschen eine Krankheit, fragte Marianowicz: „Es ist das Leid des Patienten“. Genauso wie am Rücken seien auch die Gelenksveränderungen eine Schmerzkrankheit. „Erst der unerträgliche Schmerz macht aus einem Befund ein therapiebedürftiges Krankheitsbild, nicht das Röntgenbild“, so der Orthopäde.

„Trotz Arthrose Wallberg rauf und runter“

Es gebe Menschen, die mit einer verheerenden Arthrose den Wallberg „rauf und runter laufen“, aber keine Schmerzen haben. Daneben gebe es andere, da frage er sich, warum machen diese keinen Sport mehr oder ziehen sich aus dem Leben zurück? Diese Personen nehmen den Schmerz als „subjektives Empfinden“ wahr. Wenn aus dem Verschleiß, „dem wir alle unterworfen sind“, eine Krankheit entstehe, müsse man auch das Organ behandeln, in dem der Schmerz entstehe, „in dem Gehirn“. Dort werde er entwickelt und verarbeitet, gelöscht oder verstärkt. Erst die Entzündung in einem Gelenk bringe den Schmerz ins Gehirn. Dies könne durch ein „gesundes Schmerzabwehrsystem verhindert werden“, so Marianowicz.

Dagegen stehen Ursachen, die die Schmerzen verstärken würden: Angst, schlechte Haltung, unklare Diagnosen, gescheiterte Therapieversuche und der Glaube des Patienten an den Therapeuten, der ihn heilen soll. „Schmerz ist eine Selbstwahrnehmung“. Das einzige Symptom von Gelenkserkrankungen sei nun mal der Schmerz. Wenn man hier nicht ganzheitlich ansetze, „werden wir weiterhin Leute sinnlos operieren“, warnte der Mediziner.

Anderer Orthopäde, andere Therapie

Bei einer Arthrose handelt es sich um einen Verschleiß des Gelenkknorpels mit zunehmender Funktionsstörung des betroffenen Gelenkes. Die Ursache könne an einer genetisch begründeten Neigung zu einer Arthrose liegen. Weitere Faktoren wie Entzündungen, Überlastungen, auch Beinfehlstellungen sowie Unfallfolgen und Entwicklungsstörungen im Wachstumsalter könnten zu einem ähnlichen Beschwerdebild führen. Der wichtigste Ratschlag, den Professor Johannes Stöve von der Orthopädischen Klinik in Ludwigshafen Menschen mit Arthrose geben könne, sei: “Das betroffene Gelenk viel bewegen, aber wenig belasten“.

Etwa fünfmal pro Woche etwa 30 Minuten sanfte, aber gleitende Bewegungen. Es sei ein naheliegender Impuls, bei Arthrose das betroffene Gelenk zu schonen. Gerade, wenn der beschädigte Knorpel Schmerzen verursacht. Tatsächlich sei aber das Gegenteil wichtig: Patienten sollten das Gelenk so viel wie möglich schonend bewegen. „Zum einen wird bei Aktivität der Gelenkknorpel vermehrt mit Nährstoffen versorgt, zum anderen die Muskulatur um das Gelenk gekräftigt, was für mehr Stabilität sorgt und die Belastung verringert. So könne körperliche Aktivität eine Arthrose zwar nicht heilen, aber die Beschwerden verringern“, so Stöve.

Für Marianowicz verfüge der Körper über immense Selbstheilungskräfte, die gut kompensiert werden könnten – wenn man ihn dabei „richtig unterstützt“. Seine Unterstützung verweigerte inzwischen Marianowicz einem anderen Projekt, der Klinik in Tegernsee-Süd. Dort wurde er bis Dienstag als Pächter einer Akut-Klinik für Schmerztherapie und Psychosomatik gehandelt. Doch aus unüberbrückbaren Differenzen mit Investor Klaus Dieter Burkhart machte Marianowicz einen Rückzieher. Er wolle sich wieder auf seine Klinik Jägerwinkel konzentrieren. Nun bleibt ihm wieder mehr Zeit für seine Patienten und vielleicht auch für ein weiteres Buch.

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