Was bietet eine Regionalwährung für das Tal?

Letzte Woche hatte wir die Ideen einiger Initiativen vorgestellt, die „Zeit als Währung“ einsetzen. Ein paar interessante Kommentare und E-Mails an die Redaktion haben uns gezeigt, dass das damit verbundene Thema auf Interesse stößt.

Ein Kommentator ging sogar den gedanklichen Schritt weiter und hat eine echte Regionalwährung, die nur im Tegernseer Tal gilt, ins Gespräch gebracht. Ein anderer verwies auf bereits existierende Regiogelder in direkter Nachbarschaft:

Im Nachbarlandkreis funktioniert das Ganze schon. Unter Federführung der Raiffeisenbank übrigens! Davon profitieren vor allem die heimischen Geschäfte und Gaststätten. Dann können die Wirte auch Einheimischenpreise machen, wenn jemand mit dem Tegernseer bezahlt. Ich würde dann gern die eine oder andere Halbe mehr trinken.

Auf was der Leser anspielt, ist „der Regio“, der in einigen bayerischen Landkreisen seit mehreren Jahren im Umlauf ist. Die Raiffeisenbanken unterstützen das Projekt aktuell wieder sehr tatkräftig, um auf diese Weise die lokale Wirtschaft zu stärken.

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So gibt die Raiffeisenbank im Landkreis Bad-Tölz/Wolfratshausen momentan zum Beispiel 105 Regios im Tausch gegen 100 Euro aus. Fünf Euro sind also eine direkte “Spende” und Unterstützung für die Menschen und die Wirtschaft in der Region.

Der “Chiemgauer” als Beispiel für den “Tegernseer”?

Der Regio ist aber nicht das einzige Beispiel dafür, dass lokale Währungen inzwischen gut funktionieren und sowohl händlerseitig wie auch bei Einheimischen auf immer größeres Interesse stoßen. Die Krise der globalen Finanzmärkte scheint hier für reges Interesse an lokalen Alternativen zu sorgen.

Chiemgauer Scheine. Foto: Christian Gelleri/Chiemgauer e. V.

Ein anderes sehr positives Beispiel ist ebenfalls nicht weit weg von uns. Der Chiemgauer, der inzwischen als das Musterbeispiel für erfolgreiche Regionalwährung gilt.

Über 600 Unternehmen, Handwerker und lokale Geschäfte gibt es inzwischen im Landkreis Rosenheim und Traunstein, bei denen nicht nur mit Euro, sondern auch mit Chiemgauern bezahlt werden kann.

Fast 500.000 Chiemgauer sind dort inzwischen im Umlauf, mit denen jedes Jahr eine regionale Wirtschaftskraft von über fünf Millionen Euro erzielt wird.

Wie alle den Euro ergänzenden Regionalwährungen ist auch der Chiemgauer 1:1 an den Euro gebunden und hat sowohl beim Einkauf als auch in der Buchhaltung für das Finanzamt den exakt gleichen Wert.

Bezahlt werden kann entweder mit den ausgegebenen Geldscheinen oder immer öfter auch mit der Chiemgauer Girocard. Die Konten werden von den lokalen Sparkassen und Raiffeisenbanken geführt.

Wertverlust anstatt Zinsen

Spannend an diesen Regiogeldern ist, dass sie die Funktion von Geld anders herum denken, als man es vom Euro und dem bestehenden Geld- und Bankensystem kennt: Anstatt positiver Zinsen auf Spareinlagen werden bei Regiogeldern Gebühren, also negative Zinsen, erhoben, wenn das Geld nicht innerhalb eines gewissen Zeitraums wieder lokal ausgegeben wird. Immer zum Quartalsende verliert der Chiemgauer 2 % an Wert.

Der Gedanke und vor allem der Wertverlust der Regionalwährungen erscheint auf den ersten Blick vielleicht ungewohnt oder gar ungerecht – am Quartalsende sind 100 Chiemgauer schließlich nur noch 98 Chiemgauer wert.

Das hat seinen Ursprungsgedanken einfach darin, dass Geld nur für lokalen Wohlstand sorgt, wenn es auch lokal ausgegeben wird, wenn in lokalen Geschäften eingekauft wird, lokale Handwerker Aufträge bekommen und am Wochenende mal direkt um die Ecke essen gegangen oder ein Bier getrunken wird.

Einkaufen und gleichzeitig den eigenen Verein unterstützen

Spannend ist auch der soziale Gedanke, der den Währungen inne wohnt: so fließen beispielsweise 3 % der Gesamtumsätze als automatische Spende direkt in lokale Vereine. Das entspricht in etwa dem Prozentsatz, den lokale Händler auch als Gebühr bezahlen, sobald ein Kunde eine Kreditkarte benutzt. Welcher Verein die Spende erhält, kann von jedem selbst festgelegt werden.

Würden also die 1.300 Mitglieder der Sportfreunde Gmund jedes Jahr 100 Euro nicht in Euro, sondern in einer Regionalwährung ausgeben, wären das am Ende des Jahres 3.900 Regio-Euros für den Verein und 130.000 Regio-Euro Umsatz für die Wirtschaft im Tal.

Geschäfte wie der Dorfladen würden vom Tegernseer eventuell profitieren.

Geld, das am Tegernsee verdient wird, um anschließend aufs Bankkonto oder unters Kopfkissen zu wandern oder in München ausgegeben wird, wird streng gesehen dem Tal entzogen. Weder die lokale Wirtschaft noch die Talgemeinden profitieren davon.

Dem entgegenzusteuern, ist der einfache Grundgedanke jeder Regionalwährung, die erstens außerhalb des Tals nicht akzeptiert wird und zweitens versucht zu verhindern, dass zu viel Geld von Einzelnen gespart und dadurch dem lokalen Wirtschaftskreislauf entzogen wird.

Die Voraussetzungen am Tegernsee sind dafür eigentlich ganz gut: Durch die stark touristische Ausprägung gibt es ein spürbar stärkeres Bedürfnis vieler Einheimischer, sich vom “Rest” abzugrenzen. Man könnte das auch Lokalpatriotismus nennen. Vielleicht ist es aber auch eine Heimatverbundenheit, die manchen dazu veranlassen würde, mit einer lokalen Währung auch wieder mehr lokal einzukaufen.

Anstatt in den Supermarkt in den Dorfladen zu gehen und die nächsten Sportschuhe nicht in München, sondern im Tal zu kaufen – wenn er weiß, dass dadurch auch ganz automatisch seinem Sportverein geholfen wird.

Dass es funktionieren kann, haben einige unserer Nachbarn bereits gezeigt.

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