Nach dem Tod ihres Mannes sei sie nach Bad Wiessee gekommen, um ihre Halbschwester aufzusuchen, erzählt die Angeklagte bei der gestrigen Verhandlung vor dem Miesbacher Amtsgericht. Das war im Sommer 2017. Damals hatte die 73-jährige Rentnerin sich spontan dazu entschlossen, ihren Wohnsitz in Genf aufzugeben und an den Tegernsee zu ziehen. Weil ihr Mann gebürtiger Bayer gewesen sei, hätte sie zu der Region eine „emotionale Bindung“, erklärt sie Richter Walter Leitner.
Am 19. April 2017 mietete sie sich deshalb im Landhaus Strobl in Bad Wiessee ein. Bei der Abreise am 28. April wurde ihr dann die Rechnung präsentiert. Die Summe von 1.487,20 Euro konnte sie aber nicht bezahlen. Es hätte „Schwierigkeiten“ gegeben, gibt die Angeklagte an, ans „Geld in der Schweiz“ zu kommen. Sie versichert: „Ich hatte zum damaligen Zeitpunkt Geld und Einkommen. Was ich nicht hatte, war ein eigenes Bankkonto“.
Pfandrückgabe im Gerichtssaal
Knapp vier Monate nach diesem Zwischenfall – im August 2017 – kommt die Angeklagte in der Pension Meran in Bad Wiessee unter. Auch hier bucht sie ein Zimmer, ohne später die Rechnung von 1.428 Euro zu begleichen. Und auch hier gibt sie an, das erwartete Geld aus der Schweiz sei nicht eingetroffen, wie die als Zeugin geladene Tochter des Familienbetriebes gestern aussagt.
Als sie den Zeugenstand verlässt, überreicht sie der Angeklagten einen kleinen schwarzen Stoffbeutel. „Hier haben Sie Ihr Pfand zurück“, kommentiert sie beim Verlassen des Sitzungssaals. Flüsternd wendet sich Verteidiger Walch an seine Mandantin: „Was ist denn da drin?“ Nur Bruchstücke sind der anschließenden Unterhaltung zu entnehmen. Aber die Worte, die fallen, klingen wie Schmuck und Diamant.
Zwar hätte sie versucht, ein Konto in Deutschland zu eröffnen, was aber daran gescheitert sei, dass sie keinen festen Wohnsitz vorweisen konnte. Seit November 2017 wohne sie im Parkhotel Egerner Höfe in Rottach-Egern. Ihre Zahlungsschwierigkeiten in der Vergangenheit hätten einzig und allein daran gelegen, das Geld aus der Schweiz nach Deutschland zu transferieren, beteuert die Rentnerin.
Hatte die Angeklagte das Geld?
Auf die Idee, sich bei ihrer Halbschwester einzumieten, sei sie nicht gekommen. Woher denn das Geld in der Schweiz stamme, wollte Richter Leitner von ihr wissen. „Ich bin an einer Aktiengesellschaft in der Schweiz beteiligt, die ein Weltpatent für ein Luftfiltersystem angemeldet hat.“ Seit Jahren spiele sie dort eine „wichtige, strategische Rolle“, führt die Rentnerin weiter aus. Für jedes verkaufte Produkt bekäme sie außerdem Provision.
Dieses Geld sei von einem „guten Freund und Anwalt in der Schweiz“ betreut und treuhänderisch verwaltet worden. Im Sommer 2017 sei dieser allerdings nach Südamerika ausgereist. Einen Zugang zum Geschäftskonto hatte sie nicht, und ein privates besaß sie nicht. „Warum konnten sie denn nicht an ihr persönliches Geld?“ hakt Richter Leitner nach. „Ich bin nicht verpflichtet, Ihnen Auskunft zu erteilen“, blockt die Angeklagte die Frage ab, spricht aber kurz darauf von „globalen Strukturen“, die der Grund dafür gewesen seien.
Staatsanwältin sieht Betrugsabsicht
Anwalt Martin Walch macht den Richter darauf aufmerksam, dass die offenen Rechnungen in den Hotels inzwischen beglichen worden sind, und zwar im März dieses Jahres. Der Richter wiederum führt noch sechs weitere Hotels an, in denen sich die Angeklagte eingebucht hatte, ohne zunächst die Rechnungen zu bezahlen. Erst als der Treuhänder wieder aus seinem Südamerika-Urlaub zurück war, sei die Angeklagte im Sommer 2017 zahlungsfähig gewesen und hätte die ausstehenden Rechnungen beglichen.
Die Staatsanwältin will noch wissen, ob sie denn bei ihrem ersten Besuch am Tegernsee im März 2017 mit Bargeld angereist sei. „Ja, aber das war bis zum Sommer aufgebraucht“, erklärt die Angeklagte. Die Staatsanwältin unterbricht die Verhandlung für ein paar Minuten. In ihrem Schlussplädoyer weist sie kurze Zeit später darauf hin, dass sich der Sachverhalt des Einmietbetrugs durch die Beweisaufnahme bestätigt hat. Allein die Aussage der Angeklagten „Das Geld würde kommen“ reiche nicht aus, um einen vorsätzlichen Tatbestand zu widerlegen, begründet sie ihre Entscheidung.
Zumal die Angeklagte für den Geldtransfer aus der Schweiz einen Abrufcode hätte erhalten müssen. Die Angeklagte sei im Sommer 2017 einfach nicht zahlungsfähig gewesen und hätte sich damit strafbar gemacht, erklärt die Staatsanwältin. Dafür spreche auch die Tatsache, dass sie sich immer wieder aufs Neue eingemietet hat. Wissentlich, dass sie nicht zahlen konnte. Die Staatsanwältin fordert deshalb eine Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen zu je 15 Euro.
Angeklagte weder „zahlungsunfähig noch zahlungsunwillig“
Es handele sich „keineswegs“ um einen vorsätzlichen Tatbestand, verteidigt Walch seine Mandantin. Im Gegenteil. Die Beweisaufnahme hätte gezeigt, dass sämtliche Rechnungen bezahlt worden sind. Aus diesem Grund könne man hier nicht von „Schaden“ sprechen, sondern lediglich von „Gefährdungsschaden“. In der Summe seien es Minimum 30.000 bis 40.000 Euro, die seine Mandantin im Nachhinein bezahlt habe.
Der Vorwurf, sie sei nicht zahlungsfähig oder zahlungsunwillig gewesen, sei deshalb „zu weit hergeholt“. Bei der Buchung sei sie davon ausgegangen, dass sie die Unterbringung bezahlen kann. Mit den Verzögerungen aus der Schweiz hingegen hatte sie nicht gerechnet. Vor allem fehle ihm das Motiv. „Wenn meine Mandantin hätte betrügen wollen, wäre sie in die Schweiz zurückgekehrt.“
Richter Walter Leitners Urteil: Freispruch. Es sei bewiesen worden, so Leitner, dass die Angeklagte im Sommer 2017 Provisionsansprüche und Aktienanteile besaß und deshalb vermögend gewesen sei. Und auch ihre Zahlungswilligkeit stelle er nicht in Frage. Das Geld sei nur deshalb „nicht geflossen“, weil der Treuhänder im Südamerika-Urlaub war. Aus diesem Grund sehe das Gericht hier keine „Betrugsabsichten“, sondern lediglich „Schwierigkeiten beim Geldtransfer“.
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