Gmund:
Wellness-Tempel “Weber in der Wies”?

Ein alter Hof auf einer grünen Wiese am Rande von Gmund. Dahinter ein Steilhang. Der Kleinstbauernhof steht seit den 70er Jahren unter Denkmalschutz. Wird daraus ein Luxus-Anwesen?

Auf ner schönen grünen Wiese steht ein großer gelber Kran. / Foto: Redaktion.

Hinter einem grünen Hügel am Rande des Gmunder Einflussbereiches winkt ein gelber Kran. Darunter ein gewaltiger Rohbau. Hier baut das österreichische Unternehmen “Prime Properties” aus Kitzbühel (Quelle: Bautafel). Am Tegernsee hat es bereits ein“Bauernhof-Gut” hingestellt. Wohnfläche: 1.300 Quadratmeter, 120.000 Quadratmeter Grund, sieben Schlafzimmer. Jetzt also der “Weber in der Wies”.

Bauernhof aus dem 17. Jahrhundert

Viel Kies, Gewerk und Baumaschinen sind zu sehen. Der schlichte Kleinbauernhof aus dem 18. Jahrhundert hat einen massiven Anbau an die Seite gestellt. Das hat den ein oder anderen Spaziergänger aufgebracht und jüngst auch die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal. Denn der Neubau steht mitten im Außenbereich, also fernab jeglicher Siedlungsstruktur. Im Flächennutzungsplan der Gemeinde Gmund ist das Denkmal “Weber in der Wies” auf einer landwirtschaftlichen Fläche eingezeichnet, alles nur kein Bauland.

Das Bauernhaus

Das Bauernhaus ist ein eingetragenes Baudenkmal. Es ist mit folgender Beschreibung in der Denkmalliste verzeichnet, so die Pressestelle des Bayerischen Landesamt für Denkmalschutz: „Ehem. Bauernhauses, zweigeschossiger Flachsatteldachbau in Blockbauweise mit umlaufender Laube, 1. Hälfte 18. Jh.“

Anzeige

Chronik eines Nebengebäudes

Im Außenbereich, also auf der grünen Wiese, darf nichts gebaut werden. Nachzulesen ist das im §35 des Baugesetzbuches. Das Gesetz sieht Ausnahmen für die landwirtschaftliche Nutzung vor (man spricht dann von Privilegierung), also etwa für einen Stall. Auch für Energiethemen (Solaranlagen, Biomassen, Windkraft) gibt es Ausnahmen und dann sind da noch die Einzelfallentscheidungen. Darüber ist dann zu diskutieren.

Außenbereich: Drinnen, draußen, drinnen?

Ein Bauvorhaben im Außenbereich darf öffentliche Belange nicht beeinträchtigen. Dazu zählen unter anderem die Vermeidung von Zersiedelung, der Schutz des Landschaftsbildes, des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Der Flächennutzungsplan der Gemeinde spielt dabei eine wesentliche Rolle, da er die Nutzung der verschiedenen Flächen im Gemeindegebiet darstellt und somit auch Einfluss auf die Zulässigkeit von Bauvorhaben im Außenbereich hat.

Der Anbau hat den Bauausschuss Gmund in den letzten vier Jahren mehrmals beschäftigt: Einem ersten Tektur-Antrag haben die Ratsmitglieder einvernehmlich im Bauausschuss zugestimmt. Das war Oktober 2020. Damals war noch von einem Neubau “in Form eines Stadels” die Rede, etwa 21 Meter lang und 12 Meter breit. Doch bereits hier wurde der Bau einer Tiefgarage als auch ein Schwimmbad im Erdgeschoss geplant. Der Antrag ging einstimmig durch. Das Landratsamt genehmigte den Bau ein Jahr später.

Ein Glaspalast

Dann wechselte der Hof den Besitzer. Der neue Bauherr wollte mehr: ein Heimkino, einen Wellnessbereich mit Dampfbad und Sauna – ein Obergeschoss aus Glas. Das viele Glas schreckte die Bauausschuss-Mitglieder ab (März 2022). Von einem “Glaspalast” ist die Rede im Protokoll der entsprechenden Sitzung und weiter; “das hat nichts mehr mit der traditionellen Bauweise zu tun und widerspricht dem Ortsbild und Baustil der Gegend.” Auch, dass der denkmalgeschützte Teil in diesem Entwurf in den Hintergrund rückt, ärgert die Räte. Der Antrag wird einstimmig abgelehnt.

Barbara von Miller (SPD), Gemeinderätin in Gmund und Mitglied im Bauausschuss, erinnert sich, dass es im Ausschuss viel um die Fassadengestaltung gegangen sei. Sie erklärt weiter, dass dieser Bau im “Außenbereich” genehmigungsfähig war, “weil schon eine Bebauung da war”.

Das Gesetz ist ok mit einer Bebauung, unter anderem wenn es um die “zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz” geht oder wenn die “äußere Gestalt im Wesentlichen gewahrt bleibt”. Die Rede ist aber auch immer von einer “angemessenen Erweiterung”. Im besten Fall ist sie auch sinnhaft mit der ursprünglichen Bau-Funktion verknüpft. Aber welche landwirtschaftliche Funktion hat ein Luxus-Chalet?

Auch was genau eine angemessene Erweiterung ist, scheint frei interpretierbar. Die Leiterin des Bauamts Gmund, Christine Wild, verweist auf die Zuständigkeit des Landratsamtes Miesbach (LRA). Das habe den Bau schließlich im Oktober 2021 als “planvolle Erweiterung” genehmigt.

So richtig Verantwortung möchte keiner mehr übernehmen; jetzt, wo sich Spaziergängerinnen über den ausgefahrenen Bauernweg aufregen. Das LRA schreibt uns auf die Frage, wie der Genehmigungsprozess verlief, es handle sich “um ein Bauantragsverfahren (wie viele andere Hundert jedes Jahr im Landkreis auch), der das ganz normale Bauverfahren durchlaufen hat.”

Ein drittes Mal geht “der Weber in der Wies” im Juli 2022 in den Bauausschuss. Nachdem die Glasflächen im Obergeschoss reduziert wurden, gibt der Ausschuss dem Projekt seinen Segen.

Vorne alt, hinten neu. Auch eine Tiefgarage ist geplant. / Foto: Lange

Was ist mit dem Denkmalschutz?

Über den Hof aus Holzbauweise sagt Klaus Kratzsch, das der “wie ein armer Verwandter” aussähe: Kratzsch hat 32 Jahre am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege gearbeitet. Das Ausmaß des Neubaus und was mit dem Haus geschehe, bedauere er sehr.

Das LRA sieht das positiv: “In der Mitte und zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurden Teile an das ursprüngliche (schützenswerte) Gebäude angebaut, wodurch es seinen Charakter verlor. Das Denkmal wird nun wiederhergestellt bzw. verbessert, indem die hinzugefügten Teile abgebrochen und ein ursprünglicher Charakter des Hauses erbaut wird. Im Sinne des Denkmalschutzes handelt es sich also um eine große Verbesserung,” schreibt die Pressestelle.

Wir fragen beim Bayerischen Landesamt für Denkmalschutz nach, wie die Auflagen für einen Anbau aussehen und wie der Genehmigungsprozess verlief? Das Landesamt für Denkmalschutz hat den Fall aber nicht parat. Es will nochmal recherchieren. Dabei ist es Standard, dass bei Denkmälern im Landkreis das Landesamt eine Stellungnahme abgeben muss. Doch selbst der zuständige Ansprechpartner für den Landkreis scheint den Fall nicht zu kennen.

Randnotiz

Prime Properties möchten uns zum Stand des Bauprojekts keine Auskunft geben. Auf ihrer Webseite werben sie mit dem Slogan: Wir bauen Luxus-Immobilien in den exklusivsten Urlaubsregionen Europas. Vielleicht erübrigen sich damit die Fragen nach Außenbereich und Denkmalschutz …

Korrektur

Gestern haben wir von 13.000 Quadratmeter Wohnfläche geschrieben (Bauernhof-Tegernsee). Da ist uns eine Null zu viel untergekommen: Die Wohnfläche ist mit 1266 Quadratmeter angeben. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen. Ebenso haben wir das Baujahr aktualisiert: Nach Aussage des Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege handelt es sich um ein Bauernhaus aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts.

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Bauen & Wohnen

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner