Wenn Corona-Angst krank macht

Angst haben ist nicht nur menschlich sondern lebensnotwendig. Wird die Angst allerdings zum ständigen Begleiter, muss sich etwas ändern. Gerade in der aktuellen Situation ist es schwierig, mit den Ängsten umzugehen. Prof. Dr. Michael Landgrebe erklärt, woran das liegt, und was man dagegen tun kann.

Prof. Dr. Michael Landgrebe ist Chefarzt der kbo-Lech-Mangfall-Klinik in Agatharied. / Quelle: Öffentlichkeitsarbeit kbo-Lech-Mangfall-Kliniken GmbH

Leben wir in einer Zeit der Angst? Das Gefühl, unter Zweifel, Unsicherheit und Ungewissheit begraben zu sein, ist für viele in der Corona-Krise tagtäglich vorhanden. Tausend Fragen schwirren im Kopf, überall liest man halbe Antworten, nie ist man auf dem aktuellen Stand. Angst zu haben, ist da wohl völlig normal, oder?

Die Angstquelle ist nicht greifbar

Angst sei situationsgebunden, kurzzeitig, steigt an und verschwindet wieder, erklärt Prof. Dr. Michael Landgrebe, Chefarzt der kbo-Lech-Mangfall-Klinik in Agatharied. Momentan gibt es allerdings viele Menschen, bei denen das Gefühl der Angst den ganzen Tag besteht – und das seit Wochen, ja bald Monaten. Dafür gibt es einen signifikanten Grund: Das Virus ist nicht greifbar. Landgrebe erklärt:

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Je unspezifischer die Auslösesituation für eine Angst ist, desto schwieriger kann ich damit umgehen. Und das ist ja gerade in der jetzigen Coronasituation das Problem.

Man habe es nicht mit einer Schlange zu tun, die auf uns zukriecht – da könne man die Angstquelle ganz klar lokalisieren und die Situation verlassen. Das Virus hingegen sei nicht greifbar. Noch hinzu komme, dass es alle möglichen Theorien gibt, die durch die Welt geistern.

Landgrebe hat selbst schon Patienten behandelt, die wegen Corona massive Ängste entwickelt haben. „Ich kann mich an eine Patientin relativ am Anfang der Phase erinnern, die sich explizit wegen Angst vor Corona und Ansteckung ins Krankenhaus geflüchtet hat“, erinnert sich der Chefarzt. „Das war aber nach wenigen Tagen gut auflösbar und auch zu besprechen“.

So geht man mit einer anhaltenden Angst um

Es ging bei dieser Patientin um die Informationsvermittlung, erklärt er. Wer von ständiger Angst begleitet wird, solle sich daher zunächst die wirklichen Fakten vor Augen führen. „Das heißt, ich versuche mich zu belesen. Was spielt eigentlich eine Rolle? Und versuche erstmal rational an die Angst heranzugehen und damit meine eigenen Ängste zu relativieren“.

Also: Das Gefühl der Angst bewusst hinterfragen, die Ursache identifizieren und in Worte fassen. Erst dann kann man sehen: Welche Angst ist real, und welche unrealistisch. Gegen die Angst vor einer Infektion vorzugehen, bedeutet außerdem sich klar zu werden: Wie kann ich mich schützen? Händehygiene, Mundschutz, Abstand zum Beispiel. Landgrebe versichert:

Wenn ich das alles beachte, kann ich mich eigentlich sehr sicher bewegen und muss keinen großen Grund haben, im Alltag Ängste vor Corona zu haben. Gerade in der aktuellen Phase nicht, wo die Zahlen runtergehen.

Dennoch merkt der Chefarzt: Die Angst vor einer Infektion ist vorhanden – obwohl es sich in vielen Fällen bei genauerem hinsehen um eine unrealistische Angst handelt. „Gerade im Niedergelassenen Bereich höre ich von vielen Kollegen, auch von unserer eigenen Zweigstelle in Bad Tölz, dass viele Patienten absagen aus Angst vor Corona. Und das macht mir wirklich Sorgen.“

Unterstützung wahrnehmen und nutzen

Wessen Alltag von der Angst bestimmt ist, und wessen Lebensqualität unter einer Angst deutlich leidet, benötigt Hilfe. Besonders psychische Erkrankungen bleiben im Moment oft unbehandelt, befürchtet Landgrebe. Die soziale Isolation sorge dafür, dass ein vermehrtes Maß an depressiven Reaktionen in der Bevölkerung aufkomme.

Doch damit ist man nicht allein, auch nicht in einer solchen Krisenlage. Wichtig ist es, so früh wie möglich zu realisieren, dass man effektive Hilfe bekommen kann. Einen Artikel zum Thema Selbstisolation und den Auswirkungen mit Prof. Dr. Michael Landgrebe gibt es hier.


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