Hochwasser-Demenz auch bei uns?
Wenn der Mann von der Versicherung nicht kommt

Die Flut geht. Der Ruf nach der Versicherung erfolgt. Aber sind alle gegen die Schäden durch Starkregen versichert? Wie sieht das bei uns im Tal aus?

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Der Tegernsee tritt über das Ufer. / Foto: Peter Posztos

Erst regnet es, im Garten steht das Wasser. Am Abend geht einer aus der Familie in den Keller. Und da steht das Wasser, knietief. Schäden, die nicht nur Nerven, sondern auch Geld kosten. Wohl dem, der versichert ist. Elementarversicherung – das klingt nach wirklich den großen Kräften. Und in der Tat: Wer ein Haus besitzt, sollte sie abschließen. In Deutschland gibt fast 19,38 Millionen Wohngebäude. Fast alle Hausbesitzer haben für ihre Immobilie lediglich eine entsprechende Wohngebäude-Versicherung abgeschlossen. Meist sind damit Schäden am Gebäude abgedeckt, die durch Brand, Blitzschlag, Sturm ab Windstärke acht, Hagel und bestimmungswidrig ausgetretenes Leitungswasser verursacht werden.

Schäden, hervorgerufen durch weitere Naturrisiken wie Hochwasser, Schneedruck, Erdrutsch, Erdbeben, Lawinen, oder durch Überschwemmungen aufgrund von Starkregen, werden nur über einen Elementarschutz abgesichert. Und den haben weniger als 50 Prozent der Hausbesitzer in Deutschland abgesichert.

Klar, das ist auch nicht günstig: Je nach Versicherung und Lage des Hauses, können da schon einmal bis zu 3.000 Euro für ein Einfamilienhaus zusammenkommen. Wichtig: Bei einigen Versicherungen werden Schäden durch aufsteigendes Grundwasser nicht immer abgedeckt! Das Oberland und im Speziellen die Orte in den Tälern bergen ein großes Risiko für Elementarschäden. Wer in den letzten Tagen gesehen hat, wie schnell kleine Bäche blitzschnell zu reißenden Flüssen anschwellen, alles mit sich reißen, ahnt, warum Versicherer die Augenbrauen hochziehen, wenn es um Abschlüsse in unserer Region geht. Die allermeisten Häuser stehen in oder in der Nähe von Hochrisikogebiet. Dabei sind die großen Fließgewässer wie Rottach und Weissach durch jahrelangen Ausbau noch die geringeren Gefahrenstellen. Speziell die kleinen Bäche, Zuläufe zu den großen Bächen wie Alp-, Zeisel- oder Breitenbach im Tegernseer Tal oder der Tiefenbach in Hausham können, wenn sie verklausen, also mit Treibgut verfüllt sind und das Wasser aus dem Bett drücken, rasant schnell ganze Nachbarschaften unter Wasser setzen.

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Nach jedem Hochwasser bittet die Politik die Hausbesitzer, eben vorzusorgen.  Hier setzt aber etwas ein, was Fachleute gern als die “Hochwasser-Demenz” bezeichnen. Gemeint ist damit: Kurz nach Ereignissen wie im Ahrtal oder jetzt in Bayern ist das Bewusstsein bei Hauseigentümern hoch, dass sie sich besser absichern müssten. Doch diese Erkenntnis geht schnell wieder vergessen, wenn das Thema aus den Schlagzeilen verschwunden ist. Sollte es eine Pflicht geben, diese Versicherung einzugehen? Der Ministerpräsident Bayerns ist dafür: Im Bayerischen Rundfunk sagte Markus Söder: “Ich plädiere nachhaltig dafür, dass wir diese Elementarschadensversicherung haben.” Solch eine verpflichtende Versicherung solle auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz auf jeden Fall beschlossen werden. Freiwilligkeit sei zwar normalerweise immer besser, aber in diesem Bereich brauche es eine Pflicht zur Versicherung. “Denn wir können diese Schäden nicht immer jeweils staatlich einfach ersetzen.” Es sei ein anderer Grundschutz nötig.

Das könnte also ein erster Schritt sein. Aber viele Hausbesitzer setzen auch hier wieder auf den Solidareffekt. Im Ahrtal wurde den Geschädigten bis zu 80 Prozent der Schäden durch Staatshilfe ersetzt. Darauf mögen einige setzen. Nur, was wenn die Ereignisse zunehmen? Wenn die Politik nicht willens oder in der Lage ist, einzuspringen?

Aber das gilt auch für Versicherer:

Ein Blick in die USA hilft da. Seit einigen Jahren werden in Staaten wie Florida Gebäude in Risikogebieten nicht mehr versichert. Für die Besitzer ein Alptraum: Ständig leben sie in der Angst, in einer Totalabschreibung zu leben. Und: Beim Wiederverkauf erlebt der Neubesitzer oft ein knallhartes “Nein” der Banken, die die Hauskredite bewilligen sollen. Das ist alles nicht neu: Schon 2021 sagten sechs von zehn Experten für Versicherungsrisiken in einer Umfrage voraus, dass der Klimawandel bestimmte Regionen »unversicherbar« machen werde. Und der Voralpenbereich mit seiner besonderen Wetterstau-Situation kann da bald dazugehören.

Mit der Zunahme an Ereignissen werden auch hier Versicherer Häuser bei uns, idyllisch gelegen an Bächen oder am Seeufer, nicht mehr absichern wollen und können. Mindestens aber werden die Kosten für die Versicherung steigen. Eine Pflichtversicherung für alle Hausbesitzer, die das aktuelle Missverhältnis der Bundesländer ausgleicht (In Bayern sind 41 Prozent elementar versichert, in Hamburg 30 % Quelle: GDV), könnte hier Druck aus der Situation nehmen.

Aber auch hier bei uns wird die Hochwasser-Demenz recht schnell um sich greifen. Wir sehen den Trend, aber schauen lieber weg. Das kann sich rächen …

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