Wenn die Türen zu bleiben

Die Zeitung ist aus Papier, in Bayern regiert die CSU und im Tal werden die öffentlichen Gemeinderatssitzungen vor den nichtöffentlichen abgehalten.

Manche Dinge sind eben so und sollen – so die Hoffnung der Verantwortlichen – bitteschön auch bleiben, wie sie eben sind. Doch manchmal lohnt es gewisse Sachzwänge zu überdenken. Wir machen das heute mit den Gemeinderatssitzungen im Tegernseer Tal. Besser gesagt, mit den normalen Abläufen, die hinter öffentlichen und nichtöffentlichen Sitzungen stecken.

Privatsphäre und Geheimhaltung dienen auch als Vorwand

Die offensichtlichen Gründe für den Ausschluss der Öffentlichkeit sind einleuchtend: Es gibt Themen, die gehen die Allgemeinheit nichts an. Weil zum Beispiel die Privatsphäre einzelner geschützt werden muss.

Leider wird aber genau das, der Schutz, die Geheimhaltung und die Privatsphäre allzuoft als Vorwand genommen, um Themen aus der Öffentlichkeit zu halten und so Diskussionen zu vermeiden. Im Tal konnte man das schon oft genug beobachten.

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Über den Bau einer neuen Rottacher Turnhalle wurde nichtöffentlich entschieden. “Befindlichkeiten einiger Gemeinderäte” lautete die Begründung.

Zum Beispiel wenn in Rottach hinter verschlossenen Türen über die neue Sporthalle diskutiert wird, um die Debatte vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Einige Gemeinderätte hatten wohl schlicht Bauchweh:

Befindlichkeiten verschiedener Gemeinderäte” – so lautet die Aussage Hafners auf die konkrete Nachfrage, warum der Gemeinderat in diesem Fall vom Grundsatz der Öffentlichkeit abgewichen ist. Der Bürgermeister stellt zwar klar, dass er persönlich das Thema gerne vor Zuschauern diskutiert hätte. Doch die Mehrheit der Gemeinderäte habe sich dagegen ausgesprochen.

Oder wenn in Gmund hinter verschlossenen Türen über den Wolf diskutiert wird. Die Begründung von damals veranlasste uns zum folgenden Absatz:

“(..)man wollte eine einstimmige Entscheidung herbeiführen”. Das ist eine interessante Aussage, die zeigt, dass öffentliches Interesse als etwas verstanden wird, was man gerne in Anspruch nimmt. Wenn es denn den eigenen Zielen dienlich ist. Wenn es das nicht ist, wird die Öffentlichkeit gemieden, wie der Teufel das Weihwasser.

Ähnlich fadenscheinig war es, was in Tegernsee bei der Erweiterung der Seesauna ablief. Damals blieb die Öffentlichkeit außen vor, weil es einfach geschickter war:

Da das Thema auch privatrechtliche Verträge mit dem Architekten und Planer umfasst, und solche Themen prinzipiell in nicht-öffentlichen Stadtratssitzungen besprochen werden, dachte sich Peter Janssen, dass man auch gleich mal die Baugenehmigung für die Erweiterung (immer öffentlich) und die damit verbundenen Kosten in Höhe von 160.000 Euro durchwinken kann. Sozusagen auf dem “nicht-öffentlichen kurzen Dienstweg”.

Beispiele wie diese gibt es genug. Weder die Privatsphäre Einzelner, noch die Öffentlichkeit, musste dabei geschützt werden. Sie zeigen jedoch eines: Man will manche Entscheidungen gezielt hinter verschlossenen Türen treffen, weil das Interesse an der öffentlichen Diskussion relativ gering ist.

Dabei bedienen sich die Verantwortlichen eines Paragraphen aus der Bayerischen Gemeindeverordnung, der besagt: “Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche einzelner entgegenstehen.”

Richtig ausgelegt machen die Regelungen Sinn

Eine Vorgabe, die durchaus Sinn macht. Geht es doch oft um konkrete Preisangebote verschiedener Bauunternehmen, private Daten bei Neuanstellungen oder um die zukünftige Geschäftsentwicklung eines Unternehmers. Das geht die Öffentlichkeit nichts an.

Doch meistens sind die “geheimen” Fakten nur Bestandteile eines großen Themas. Die Zahlen, die Namen, die konkreten Details sind das Eine. Das ist die Grundlage, die die Gemeinderäte zur Entscheidungsfindung benötigen.

Die Diskussionen, die Debatten, das Pro und Contra, sind etwas anderes. Und da ist das Interesse der Öffentlichkeit berechtigt und müsste eigentlich bedient werden. Eigentlich.

Oft genug bleiben die Türen der Rathäuser für die Öffentlichkeit verschlossen. Nicht nur in Rottach-Egern.

Dass man die Themen eben nicht getrennt behandelt, hat neben dem nicht seltenen Wunsch Kritisches aus der Öffentlichkeit zu halten, allerdings auch ganz profane Gründe. In den Tal-Gemeinden, wie übrigens in fast allen deutschen Gemeinderäten, werden zuerst die Bürger wie auch die Presse zur öffentlichen Gemeinderatssitzungen eingeladen. Zu humanen Uhrzeiten. Am frühen Abend zwischen 18:30 und 19:00 Uhr geht es los.

Dann wird debattiert, diskutiert, entschieden und verkündet. Einige der kritischen Themen werden aber, wie selbstverständlich, auf die anschließende “nichtöffentliche Sitzung” verschoben. Das passiert auch gerne, sobald die Diskussionen zu hitzig werden. 

Die Begründungen klingen oft ähnlich: “Lass das später besprechen”, “Es macht keinen Sinn, jetzt darüber zu streiten, solange wir die Zahlen nicht vorliegen haben”, oder “das ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt”.

Mit diesen Argumenten werden im Endeffekt aber nicht nur einzelne schutzwürdige Informationen vor der Öffentlichkeit verborgen, sondern oft genug komplette Themenkomplexe

Zahlen und Namen sind geheim – Diskussionen öffentlich

Dabei könnte es ganz einfach sein: würde man sich darauf einigen zuerst in einer Art nichtöffentlichem Briefing die Zahlen, Namen, Bauangebote und so weiter, den Gemeinderäten zur Verfügung zu stellen, könnte man anschließend ganz öffentlich darüber diskutieren. Die Privatsphäre der Betroffenen bliebe gewahrt. Die Öffentlichkeit würde transparent informiert.

Dokumente und geheime Zahlen könnten im Vorfeld verteilt werden.

Klar, auch das liefe nicht vollkommen problemlos ab: Alleine weil nichtöffentliche Sitzungen manchmal zeitlich etwas ausschweifen und die Öffentlichkeit dadurch stellenweise Geduld haben müsste, bis es losgeht. Auch eine Einigung darüber, wie man die geheimen Punkte in der öffentlichen Diskussion benennt, um den geforderten Schutz zu wahren, wäre wahrscheinlich sinnvoll.

Es gibt Lösungen, wenn man Transparenz möchte

Viele der praktischen Herausforderungen, die mit den Änderungen einhergingen, wären jedoch lösbar. Was nicht lösbar wäre, wären die “Konsequenzen”, die sich durch die Transparenz ergeben. Echte Diskussionen und Streitereien, die eigentlich nicht für “die Öffentlichkeit” bestimmt sind und die es manchmal bedarf, bis sich ein bis zwei Dutzend Menschen auf einen Kompromiss einigt.

Interessant wäre auch, ob es dann tatsächlich nur noch, wie von Lokalpolitikern immer wieder angemerkt, ausschließlich Scheindiskussionen geben würde. Argumente für die Galerie, weil die Öffentlichkeit ja alles mitbekommt. Eine sachbezogene Diskussion wäre unter diesen Umständen, so die Befürchtungen, nicht mehr möglich.

Doch all die Gegen-Argumente zeigen nur eins: Transparenz ist kein Selbstläufer. Wer sie will, muss sich den Problemen stellen, um diese zu lösen. Ein weiter so, ausschließlich aus dem Grund “weil man es eben schon immer so gemacht hat” dürfte es aufgrund des sich immer weiter verfestigenden Wunsches der Bürger nach Transparenz schwer haben. Manche Dinge werden sich eben ändern müssen.

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