Wenn Diskriminierung zum Alltag wird

Die Stadtbücherei reagierte im Februar auf die aktuelle Situation der Flüchtlinge in Tegernsee: Eine kleine Asylothek soll den Männern ein Bildungsangebot bieten. Bücher über die Deutsche Geschichte, Sprache und Rechtssystem stehen ihnen dort zur Verfügung. Doch nicht jeder ist von diesem Projekt begeistert – Touristen wie auch Einheimische beschweren sich.

Die Flüchtlinge halten sich gerne in der Tegernsee Asylothek auf - doch da sind sie nicht bei allen Willkommen
Die Flüchtlinge halten sich gerne in der Tegernsee Asylothek auf – doch da sind sie nicht bei allen Willkommen

„Sie haben ein Recht, sich dort aufzuhalten“, verteidigt Bürgermeister Johannes Hagn die Asylbewerber aus der Tegernseer Turnhalle. Explizit geht es um ihren Aufenthalt in der für sie eingerichteten Asylothek im Rathaus.

Maria-Luise Ress und Franziska Mazuhn von der Tegernseer Stadtbücherei St. Quirinus stellen den Asylbewerbern mit diesem Projekt Romane und Lehrbücher kostenlos zur Verfügung. So wollen sie die Flüchtlinge beim Deutschlernen unterstützen. „Ein paar Männer kommen wirklich regelmäßig hierher, aber es sind auch immer wieder Neue mit dabei“, erzählt Mazuhn. Das Angebot werde gut angenommen, auch wenn es nicht immer leicht sei. „Manche können ja noch nicht mal richtig Englisch.“

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Gestank und Unruhe durch Flüchtlinge

Doch nicht jeder findet die neue Situation so erfreulich. Hagn habe bereits Beschwerden per Mail von Touristen, aber auch persönliche Beschwerden von Tegernseern erhalten. „Sie sagen, man könne sich dort nicht mehr aufhalten und sie fühlen sich gestört“, berichtet der Bürgermeister. Unter anderem sei der angebliche Gestank im Lesesaal daran Schuld.

Auch vor Ort machte Mazuhn ähnliche Erfahrungen. Es gebe zwar sehr viele freundliche Leute, „aber oft kommen Besucher rein und sind direkt geschockt, dass sich Asylbewerber in der Bücherei aufhalten.“ Oft werden die Betreiberinnen gefragt, ob das so bleibt. Es sei widersinnig, dass Menschen, denen es wirklich gut gehe, es den Flüchtlingen nicht gönnen im Lesesaal zu sitzen und sich zu informieren. Mazuhn tut sich schwer, das zu verstehen:

Wir sind nicht glücklich über die Situation – wir wollten ja nur helfen. Aber wir werden uns auf keinen Fall einschüchtern lassen.

Sie nennt die Beschwerden „Stimmungsmache“ und als diese will sie sie auch weiterhin sehen. „Wir bleiben dran“, versichert Mazuhn. Denn die Betreiberinnen der Asylothek wollen nicht nur die Asylbewerber beim Lernen und Informieren unterstützen. Unter anderem mit Büchern über das Asylrecht „versuchen wir, zur Aufklärung beizutragen, damit man in der Gesellschaft qualifiziert über das Thema sprechen kann.“

Mazuhn hofft, dass sich das durch die Renovierungsarbeiten und die damit verbundene vorübergehende Schließung der Bücherei beruhigt. „Vielleicht wird die Situation ja damit entzerrt.“ Wann genau und wie lange die Stadtbücherei geschlossen ist, wisse sie jedoch noch nicht. Doch auch nach der Renovierung werde sie an der Asylothek festhalten: “Wir lassen uns nicht unterkriegen.” Auch Andreas Obermüller, FWG-Fraktionssprecher im Stadtrat, äußert sich im TS-Forum positiv:

Ich unterstütze ausdrücklich das Vorhaben, den Asylbewerbern hier einen Platz zur Verfügung zu stellen. Die Veränderungen zum sonstigen Betrieb sind angesichts des Nutzens völlig akzeptabel.

Auch Hagn versucht die Wogen zu glätten. „Wenn ein Teil der Asylbewerber im Bastenhaus einzieht, sind sie ja von der Straße weg.“ Dort haben die Flüchtlinge dann Wohnungen. Das heißt, sie sind nicht mehr mit knapp 200 anderen Personen in der Turnhalle untergebracht und weichen auf andere Orte aus. Das Projekt Asylothek wird also trotz Beschwerden weiter fortgeführt.

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