Wenn Elli losgelassen…

Da kommt ein Hund! Was nun? In unserem Video erklärt die Rottacher Hundetrainerin Kerstin Lühr, wie man sich verhalten sollte, wenn ein Hund auf einen zu läuft, bellt, knurrt oder beißt. Und jetzt Achtung! Elli kommt…

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=vmGorbLbZto&w=740&h=402]

„Keine Angst! Sie hat eigentlich noch nie gebissen.“ Erleichterung fühlt sich anders an. Liegt vielleicht auch daran, dass mir Hunde-Expertin Kerstin Lühr eine Wasserflasche in die Hand drückt. „Reine Vorsichtsmaßnahme – nur für den Fall, sie hört nicht auf mich.“

Ich stehe also in der Hofeinfahrt in Rottach-Egern und warte. Auf Elli. Die zweijährige Hündin ist eine Mischung aus einem ungarischen Viszla und Bernersennen. Sie kennt aus ihrem bisherigen Leben nur wenige Bezugspersonen. Und ich gehöre definitiv nicht dazu.

Anzeige

Schwanzwedeln ist nicht gleich Schwanzwedeln

Wie verhalte ich mich, wenn ein Hund bellend auf mich zu rennt? Meine Frage werde ich gleich praxisnah beantworten können. Oder aber, ich finde es in meiner Wade wieder. Und dann höre ich sie. In einer Geschwindigkeit, die Speedy Gonzalez vor Neid hätte verblassen lassen, streift die kläffende Elli um die Haushecke. Meine Schrecksekunde ist ihre Erfolgsminute. „Die hab` ich im Sack“, lese ich aus ihrem Blick. Kein Wunder, da würde ich auch mit dem Schwanz wedeln. Vorausgesetzt, ich hätte einen.

Falsch interpretiert. Schwanzwedeln bedeute nicht zwangsläufig, die junge Hundedame wolle mich vor Freude abschlecken, erklärt mir Kerstin Lühr später. Stattdessen ist Schwanzwedeln in erster Linie ein Ausdruck von Aufregung. Na bitte! So wie meine “Chicken Wings” wahrscheinlich klappern, wenn ich eine alte Freundin in der Stadt entdecke. Der Hund und ich sind auf einem Level.

Falsch gedacht. „Der größte Fehler ist, den Hund zu vermenschlichen“, sagt Kerstin Lühr. Und die gelernte Tierpsychologin kennt sich aus. Seit 20 Jahren arbeitet die 48-Jährige bereits als Hundetrainerin. Sie ist sogar nach §11 des Tierschutzgesetzes zertifiziert. „Dieser Sachkundenachweis ist wichtig, weil nach neuester Gesetzeslage nur geprüfte Hundetrainer diesen Beruf ausüben dürfen“, betont Lühr.

Kommunikation ist das A und O

Statt Menschlichkeit ist also mehr „Hundlichkeit“ gefragt. Aber was heißt das genau? Braucht der Hund den kommandogebenden Rudelführer Mensch, der nur einmal kurz und knapp in die Runde bellt: „HALT!“, „SITZ!“, „KOOOOMMMMST DU HIERHEERR!“, „HIEEERHEEER!“ Es müsse definitiv kein Befehlston sein, wie man immer denkt, versichert die Rottacherin.

Gehorsam soll was Tolles sein.

Sie selbst versuche, nicht viel mit den Hunden zu reden. Vielmehr sollen die Vierbeiner bei ihr lernen, sich verbunden zu fühlen, indem sie beispielsweise stehenbleiben, wenn sie selbst stehenbleibt.

Kerstin Lühr und ihre drei Collies: Lanna, Enya und Noah
Kerstin Lühr und ihre drei Collies: Lanna, Enya und Noah

Gerade Frauen verfallen ja in diesen säuselnden Singsangton, wenn ihnen etwas Kleines unter die Augen kommt: „Ach, wie süüüüüß!“ Nichtsahnend, dass dieses kleine, goldige Etwas zwei Minuten später vom linken Bein abgeschüttelt werden muss. „Man darf sich von der Größe eines Hundes nicht täuschen lassen“, sagt die Hundetrainerin lächelnd und fährt fort: „Auch kleine Hunde können zwicken.“

Die Sache mit den Joggern

Vor allem als Jogger lebt man gefährlich. Denn alles, was sich bewegt, ist natürlich auch für Hunde interessant und ein indirekter Aufruf zum Spielen. Allerdings haben Jogger dafür weder Verständnis noch die Zeit. Wer jetzt denkt, was soll`s, der Jogger-Puls ist doch sowieso schon auf Hundertachtzig, dem empfiehlt Lühr:

Ein rücksichtsvolles Miteinander sollte immer gelten. Wenn mir ein angeleinter Hund entgegenkommt, dann leine ich meinen Hund natürlich auch an. Sehe ich einen Jogger, pfeife ich meinen Hund zurück und nehme ihn ebenfalls an die Leine.

Wichtig sei die eigene Präsenz und ein konsequentes Handeln im Umgang mit dem Hund, erklärt Kerstin Lühr. Viele glauben, die Vierbeiner bräuchten eine Dauerbeschäftigung. Dem ist aber nicht so, sagt die Hundetrainerin. „Es ist wie bei der Kindererziehung. Das Wichtigste ist Gelassenheit.“ Ansonsten sei es am besten, der eigenen Intuition zu folgen, denn

Es gibt keine goldene Regel. Weil nicht jeder Hund gleich ist.

Für Kerstin Lühr ist klar: Hunde sind tolle Begleiter und bringen Klarheit und Ruhe ins menschliche Dasein. Ihre eigenen drei Collies Noah, Enya und Lanna (Anm.d.R.: Die Colli-Hündin Enya ist leider ein paar Tage nach dem Interview verstorben) zeigen ihr täglich, wann die eigene Entschlossenheit ins Wanken gerät. Nämlich dann, wenn Hektik den Alltag bestimmt. Dann fordern sie Präsenz.

Mischlingshund Elli
Mischlingshund Elli

Ich hatte übrigens Glück. Mein Outfit scheint Elli gefallen zu haben. Wäre ich schwarz gekleidet gewesen oder gar mit Gehilfe aufgetaucht, hätte sie mich vermutlich als bedrohlich empfunden. Ganz zu schweigen von meiner Gangart, die ihr negativ hätte auffallen können.

Gut, dass ich in der Hofeinfahrt stand. Unbeweglich. Lauernd. Um Hautfetzen bangend. Denn sonst hätte sie bemerkt, dass ich stampfe wie ein Soldat. Weil mich mein Vater schon in jungen Jahren ständig im Militärschritt durch die Gegend schleifte… Aber das ist ein anderes Thema. Eins, zwei, drei und „AUS!“

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Allgemein

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner