Wenn Romantik an der Realität scheitert

Seit über 40 Jahren existiert die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal. Und die vielen Jahre im Kampf gegen Bausünden im Tal haben Spuren hinterlassen. Zwischen den SGT-Vertretern und der Tal-Politik herrschte in der Vergangenheit oft genug eisiges Schweigen.

Aus dem Grund war es eine gewisse Abwechslung, dass TTT-Chef Georg Overs gestern Abend auf dem Podium im Barocksaal saß. Zur Frage “Welchen Tourismus brauchen wir?” hatte Overs zwar einiges zu sagen. Doch seine Aussagen sorgten nicht gerade für Begeisterung im Publikum.

Im Tegernseer Barocksaal fand gestern Abend eine Podiumsdiskussion zur Zukunft des Tourismus statt.
Im Tegernseer Barocksaal fand gestern Abend eine Podiumsdiskussion zur Zukunft des Tourismus am Tegernsee statt.

Die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal hat ein Akzeptanzproblem. Im Tal ist das eine Binse. Ein Verein wohlhabender Menschen, der am liebsten überhaupt keine Veränderung am Tegernsee hätte. So lautet der Hauptvorwurf, dem sich die SGTler oft ausgesetzt sehen.

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Demgegenüber steht das Selbstbild der rund 450 Mitglieder unter dem Vorsitz von Angela Brogsitter-Fink, die sich zu Unrecht angegriffen fühlen. Man engagiere sich für die Ursprünglichkeit des Tals und die Bewahrung der Natur. Und das mit Erfolg. So sieht die SGT die jüngste Entwicklung rund um das Gut Kaltenbrunn als zum Teil eigenen Verdienst an. “Im Grunde genommen müsste uns der Gmunder Bürgermeister dankbar sein, dass wir so hartnäckig gewesen sind”, so Brogsitters Reaktion zu den Plänen.

Welchen Tourist wollen wir?

Und auch bei der gestrigen, von der Schutzgemeinschaft initiierten Podiumsdiskussion im Barocksaal des Tegernseer Schlosses war das “große Schweigen” ein Thema, allerdings nur am Rande. Hauptsächlich ging es um die Frage “Welchen Tourismus brauchen wir – welche Heimat wollen wir?” Neben Georg Overs, Martin Wölzmüller, Thomas Bausch und Florian Linzmeyer saß auf dem Podium auch Karl Ganser, der als Moderator agierte.

Ganser versuchte, im Rahmen der Diskussion immer wieder auf den Kern der eigentlichen Fragestellung zurückzukommen. Doch oft genug scheiterten seine Versuche an den Umständen der touristischen Realität, die von den beiden Touristik-Experten auf dem Podium skizziert wurden.

So erklärte Tourismus-Professor Dr. Thomas Bausch auf die Frage “Welchen Tourist wollen wir hier im am Tegernsee?”, dass diese Denke grundsätzlich schwierig umzusetzen sei. Man könne zwar als Destination versuchen, die Richtung durch Angebote zu steuern. Doch am Ende würden, so Bauschs Überzeugung, immer noch die Unternehmer und Hoteliers selbst entscheiden, welchen Weg sie beschreiten.

Die Instrumente, um das zu steuern, sind extrem eingeschränkt.

Und Georg Overs erklärte, dass der Tourismus “ein knallharter Wirtschaftszweig” sei, in dem talweit rund 4.000 Menschen arbeiten. Der Tegernsee habe alleine im letzten Jahr vier Prozent Bettenverlust erleiden müssen. Diesen Rückstand gelte es durch neue Investitionen aufzuholen. Dass die Politik dabei gegen die Interessen der Bürger arbeite und sich nicht für die negativen Auswirkungen auf die Natur interessiere, wies Overs dabei vehement zurück.

Auf dem Podium von links nach rechts: Martin Wölzmüller, Georg Overs, Karl Ganser, Thomas Bausch und Florian Linzmeyer.
Auf dem Podium von links nach rechts: Martin Wölzmüller, Georg Overs, Karl Ganser, Thomas Bausch und Florian Linzmeyer.

Für Martin Wölzmüller ist das Maß der Bautätigkeit im Tal dabei bereits überschritten. Man sehe, dass hier unglaublich viel Potenzial besteht. “Doch die Landschaft ist übernutzt und hoch gefährdet.” So kommen laut Wölzmüller die Menschen seit 150 Jahren an den Tegernsee, weil sie das “Besondere, das Authentische, das Außergewöhnliche suchen”. Nach und nach werde die Gegend allerdings zum Opfer der Investitionitis.

Eine Aussage, die wiederum Bausch nicht so stehenlassen konnte. Wenn man Tourismus und beispielsweise den Zweitwohnungsbau miteinander vergleiche, so sei der Flächenverbrauch bei Zweitem deutlich höher. “Der Treiber bei der negativen Entwicklung der letzten Jahre war nicht der Tourismus”, so Bauschs Meinung. Und Overs fügte hinzu, dass es im Tal deutlich weniger Bau- und Natursünden gäbe als im benachbarten Tirol.

Ist ein “Gesundschrumpfen” politisch gewollt?

Dabei lief die gesamte Diskussion am Ende auf einen grundlegenden Widerspruch hinaus. Zwar betonten die Diskutanten auf dem Podium, dass man im Tal weiter an einem qualitativ hochwertigen Tourismus arbeiten müsse. Authentizität bewahren und die natürlichen Stärken der Region ausspielen, so der Konsens. Doch die Vorstellung darüber, wie dieses Ziel zu erreichen ist, unterscheidet sich in entscheidenden Punkten.

Die einen – Naturschützer, SGT und auch viele Bürger – sehen in der Konsequenz ihrer Forderungen nur die Möglichkeit eines touristischen Gesundschrumpfens. Weniger Betten, die dafür teurer, schon gar keine Bettenburgen, weniger Tagestouristen, kein Verkehrskollaps. Martin Wölzmüller brachte die weitere Entwicklung mit dem folgenden Satz auf den Punkt:

Die Verbesserung für den zukünftigen Tourismus muss qualitativ geschehen und nicht quantitativ.

Dagegen steht der von der Politik gewollte und bereits in die Wege geleitete Wachstumsschub. So zeigen die strategischen Ziele des Masterplan Tourismus klar, wo es auch im Tal hingehen muss. Landkreisweit 20 Prozent Übernachtungszuwachs bis zum Jahr 2020 schafft man nicht nur durch den Bau exquisiter Boutiquehotels mit Platz für zehn Gäste.

Wie der Tourismus der Zukunft im Tal aussieht? Das wurde auch gestern nicht klar. Denn die Konzeption der Hotels und touristischen Einrichtungen wird nur selten, wie im Fall des Wiesseer Jodbad-Areals, von den Gemeinden gesteuert. Die Möglichkeiten der TTT sind ebenfalls eingeschränkt.

Und so übernehmen im schlimmsten Fall ausschließlich der zunehmende Wachstumsdruck und potente Investoren die Ausgestaltung der Realität. Und das kann tatsächlich keiner wollen, der ein ernsthaftes Interesse an der Heimat Tegernseer Tal hat.

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