Die Differenzen zeigten vor allem eines: die Distanz zwischen Bevölkerung und Touristikern wächst. Nun wollen alle aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und mehr Transparenz leben. Was vorläufig jedoch bleibt, ist fehlendes Vertrauen.
Sicherlich werden auch die Verantwortlichen von der TTT und der ATS sowie einige Politiker froh sein, dass das Jahr 2013 bald hinter ihnen liegt. Die vergangenen Monate waren hart.
Bei zu vielen Projekten geht es derzeit nur mühsam voran, weil es nicht gelingt, die Menschen mitzunehmen und Akzeptanz zu schaffen. Ganz offenbar hatte man den Widerstand der Bevölkerung und der Gemeinderäte unterschätzt.
Gegensätzliche Interessen
Das Problem fußt dabei auf den grundsätzlich gegensätzlichen Interessen der Bürger und Anwohner gegenüber den Tourismusbetreibern. Diese Distanz zwischen „dem Tourismus“ und „den Einheimischen“ wurde auf einer Veranstaltung zum Thema „Welchen Tourismus brauchen wir?“ besonders deutlich.
Während sich die Bürger lieber kleine und umweltverträgliche Hotels wünschen, die sich in die (Kultur-)Landschaft einfügen, scheitert dies oft an der Realität, sagen zumindest die Experten. So erklärte TTT-Chef Georg Overs, dass der Tourismus heutzutage ein knallharter Wirtschaftszweig sei, bei dem am Ende die Hoteliers entscheiden, wie sie sich ausrichten.
Dieses vorgelebte „Größer-gleich-besser“-Prinzip findet sich allerdings auch im Masterplan Tourismus des Landkreises wieder. Folgerichtig fanden dann auch die Probleme ihre Fortsetzung in dem Streit um die geplante Fusion der beiden Tourismusorganisationen TTT und ATS. Durch den Zusammenschluss soll eine schlagkräftige Organisation entstehen, mit der man der wachsenden Konkurrenz aus dem In- und Ausland entgegentreten will. So haben es sich zumindest die Vertreter der zuständigen Gremien vorgestellt.
Schliersee will mehr Infos
Insbesondere Schliersee konnte sich allerdings nicht so recht mit dem vorgelegten Konzept anfreunden. Anders als die restlichen Kommunen forderte die Marktgemeinde mehr Informationen über die zukünftige Organisation. Ohne Informationen kein positiver Grundsatzbeschluss, so der Tenor.
Doch diese blieben ihnen zunächst verwehrt. Alle Gemeinden müssten über den Grundsatzbeschluss entscheiden, ehe man in die Detailplanung gehen könne, so die immer wiederkehrende Antwort der Touristiker. Man wollte also bereits im Vorfeld einen Blankoscheck der Gemeinden, ohne den späteren effektiven Nutzen mit konkreten Zahlen oder Konzepten zu untermauern. Man sollte sich blind in das Abenteuer Fusion begeben.
„Ich habe immer wieder gehört, wir sollten uns doch erst einmal grundsätzlich zu den Plänen bekennen. Über die Details könne man sich immer noch später unterhalten“, teilte der Schlierseer Bürgermeister seinem Gemeinderat in einer Sondersitzung mit. Für die Räte der Marktgemeinde war dies indes keine echte Option. Und so entschied man im Juli mit großer Mehrheit, den Grundsatzbeschluss zunächst einmal abzulehnen.
Misstrauen tritt zutage
Aufgeschreckt durch diese unerwartete Ablehnung, bemühten sich Politik und Touristiker, die Schlierseer im Nachhinein doch noch ins Boot zu holen, und versorgten sie mit den geforderten Informationen. Doch als sich der Gemeinderat im Oktober schlussendlich mit knapper Mehrheit für eine Zusage zur Fusion entschied, war es bereits zu spät.
Denn nicht nur der geplante Starttermin für die Fusion musste um ein ganzes Jahr nach hinten verschoben werden. Auch trat nun ein Misstrauen zutage – einerseits unter den Gemeinden, andererseits aber vor allem gegenüber einer noch diffusen „ATS neu“.
Gerade die Gemeinderäte aus Kreuth und Rottach, in denen die geplante Fusion bereits im Vorfeld stark umstritten war, witterten in der späten Zustimmung Schliersees einen billigen Kuhhandel. So befürchtete man, dass Schliersee Zugeständnisse gemacht wurden, und befeuerte damit das Gefühl, dass das Tegernseer Tal am Ende der Leidtragende der Fusion sein wird.
Der Rottacher Rathaus-Chef Franz Hafner brachte die talweiten Befürchtungen vieler Gemeinderäte auf den Punkt, indem er forderte:
Ändert sich der Grundsatzbeschluss auch nur in einem Komma, müssen alle 17 Gemeinderäte im Landkreis noch einmal abstimmen.
Schuld an diesem Misstrauen war dabei in erster Linie die schlechte Kommunikation der Verantwortlichen aus Tourismusorganisationen und Landratsamt. Jeder Gemeinderat hatte zur gleichen Zeit unterschiedliche Informationen über den geplanten Zusammenschluss, sodass dieser Zustand der Unsicherheit die Missverständnisse erst schürte.
Anstatt den Landkreis zu einen, hat man die Gemeinden in Sachen Tourismus weiter voneinander entfernt. Keine gute Basis für eine langfristige Zusammenarbeit, meint auch Bürgermeister Schnitzenbaumer. „Wir müssen dieses Misstrauen überwinden. Gemeinsam heißt dann auch gemeinsam“, so der Schlierseer Bürgermeister.
Fehlende Akzeptanz
Und wenn schon bei den Gemeinderäten der Sinn und Nutzen einer Fusion nicht wirklich ankommt, wie soll es dann der einfache Vermieter verstehen, der einzig die Diskussionen und Informationen aus den Medien kennt?
Es wird über grundlegende Strukturen in Sachen Tourismus entschieden, und der Bürger wird dabei nicht mit eingebunden. Die Einheimischen werden vor vollendete Tatsache gestellt, da die Fusion notwendig und alternativlos erscheint. Eine große Akzeptanz bei der Mehrheit der Bevölkerung zu schaffen, erscheint auf diesem Wege allerdings schwierig.
Logos in der Kritik
Folgerichtig mangelte es dann auch bei dem letzten, großen Tourismusthema des Jahres an Bürgerbeteiligung. So hagelte es nach der Vorstellung des neuen Logos für die Premiummarke Tegernsee im November Kritik an den Touristikern.
Der Geschäftsführer der Tegernseer Tal Tourismus GmbH Georg Overs verteidigte jedoch die Entwürfe: „Die neuen Logos sind nicht altbacken, sondern zeitlos“, so Overs im Interview mit der Tegernseer Stimme. Ausgesucht hatte das Logo ein Kompetenzteam. Ob eine stärkere Beteiligung von Bürgern trotzdem nicht sinnvoller gewesen wäre, ist eine Frage, die man im Nachhinein durchaus stellen kann.
All diese Probleme haben natürlich Spuren hinterlassen. Möglicherweise auch im laufenden Betrieb der Organisationen. Zumindest musste Georg Overs irgendwann einräumen: „Wir haben uns übernommen“.
Zukünftige Herausforderungen
Was am Ende des Jahres bleibt, ist ein tiefes Misstrauen zwischen den kommenden Fusionsmitgliedern, den Touristikern und den Anwohnern. Das Ziel muss es sein, dieses Misstrauen nun im neuen Jahr abzubauen und eine fruchtbare und wirkungsvolle Zusammenarbeit der einzelnen Parteien zu ermöglichen.
Die Lösung für das Problem soll nach Landrat Jakob Kreidl eine Transparenzoffensive sein. Gemeinderäte und Vermieter sollten künftig besser mitgenommen werden. Denn man könne die Leute schließlich nicht zwingen, mitzumachen. Man müsse sie überzeugen.
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