Fraglich bleibt bei alldem, in welchen Rahmen eine solche Liste eingebettet ist. Rechtlich und politisch ist sie unbedeutend. Einen verbindlichen Rahmen für eine derartige Bürgerbeteiligung sucht man bisher vergeblich.
Was man mit einer 700 Unterschriften umfassenden Liste macht, wie sie vom Rottacher Thomas Tomaschek letzte Woche an das Landratsamt in Miesbach überreicht wurde, weiß eigentlich niemand so genau. Eines ist klar: diese Liste zeigt, dass der Unmut über den geplanten Abriss des Glasl einer breiten Schicht sauer aufstößt.
Ein neuer, aber noch geheimer Interessent soll sich daraufhin gemeldet haben, und auch in den Medien ist dadurch einiger Wirbel entstanden, der sowohl im Rottacher Rathaus wie auch im Landratsamt sowie beim alten und neuen Eigentümer des Glasl durchaus wahrgenommen wird. Das Thema steht seither ziemlich weit oben auf der Tagesordnung ziemlich vieler Menschen.
Frust durch Unverbindlichkeit vorprogrammiert?
Die Liste bürgt aber auch einiges an Frustpotenzial: rein rechtlich spielt sie keine Rolle. Es gibt kein vorgesehenes Verfahren, wie mit einer derartigen Meinungsäußerung der Bürgerschaft umgegangen wird. Sie könnte also von der Gemeinde auch einfach ignoriert werden.
Man dürfe so etwas auch nicht mit einem rechtlich verbindlichen Bürgerbegehren vergleichen, stellt auch der Rottacher Bürgermeister Franz Hafner auf Rückfrage klar:
Das Ganze ist ja kein Bürgerbegehren. Ein solches könnten wir auch überhaupt nicht anerkennen, da es sich nicht um eine gemeindliche Planung handelt. Wir hatten im Vorfeld alles Rechtliche abgeklärt, ob wir da irgendwie handeln können, mussten dem Vorhaben aber zustimmen.
Bevor keine neue Einschätzung aus dem Landratsamt vorliege, beispielsweise in Hinsicht auf den Denkmalschutz, sind darum auch noch keine weiteren Schritte geplant. Es gebe einfach keinen Rahmen, innerhalb dessen man handeln könne. Daran ändert auch eine Unterschriftenliste nichts.
So sieht man es auch im Landratsamt. Zwar werden die Denkmalschutzrichtlinien im Rahmen der Planungsrichtlinien geprüft, das hänge aber nicht mit der Unterschriftenliste zusammen, wie der Sprecher betont:
Wir haben aufgrund der Liste erst mal gar nichts zu tun. Selbst wenn es ein Bürgerbegehren wäre, wäre das Aufgabe der Gemeinde. Wir können da nichts machen.
Zusammengefasst bedeuten diese Aussage nur eines: Auf eine solche Bürgerbeteiligung ist man nicht vorbereitet. Es gibt weder einen verbindlichen Rahmen noch eine Möglichkeit, derartiges in laufende Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Noch nicht mal die Wiedervorlage im Gemeinderat könnte dadurch von Bürgern “erzwungen” werden. Den medialen Druck einmal außen vor gelassen, ist die Liste also ein zahnloser Tiger.
Wie könnten Beteiligungsverfahren aussehen?
In bundesweiten Initiativen wird darum auch seit einigen Jahren versucht, Beteiligungsverfahren in Zukunft in einen festen Rahmen einzubinden. Dadurch soll, wie in einem Vertrag zwischen Politik und Bürgern, geregelt werden, welche Möglichkeiten und Auswirkungen beispielsweise eine Unterschriftenliste haben könnte.
So soll es in Zukunft klare Regeln geben, wann und bei welchen Themen eine Beteiligung vonseiten der Kommunen angeboten oder angestoßen werden muss. Einer der Vorreiter ist dabei die Universitätsstadt Heidelberg, die in den letzten Jahren ein verbindliches Regelwerk erarbeitet hat.
Es soll in diesen Richtlinien aber auch geregelt werden, welche aktiven Mitsprachemöglichkeiten Bürger im politischen Alltag haben sollen und können. Beispielsweise, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit Bürger ein Thema erneut zur Verhandlung in den Gemeinderat “zwingen” können.
Anders als Bürgerbegehren oder Volksentscheide sollen diese Richtlinien keine Verhinderungsmöglichkeit sein, mit der Bürger die Gemeinde “überstimmen” können. Sie sollen eher auf einer gemeinsamen Basis den Rahmen festlegen, wie man produktiv zusammenarbeiten kann, ohne dass politische Entscheidungen unmöglich werden oder aufseiten der Bürger Frust entsteht, da das Engagement keinen Wert hat.
Zusammenarbeit neu regeln
Was gerade rund um den Gasthof Glasl passiert, ist nur ein kleines Beispiel, an dem sich erkennen lässt, dass es auch im Tegernseer Tal ratsam wäre, die Zusammenarbeit zwischen Bürgern und Gemeinden auf eine neue Basis zu stellen.
Gerade in Hinsicht auf weitere anstehende Großprojekte, wie das Jodschwefel-Areal, Kaltenbrunn oder noch immer auch das Maximilian. Engagement wurde und wird auch bei diesen Projekten von der Bürgerschaft eingefordert. Es gab Beteiligungsverfahren, Zukunftswerkstätten und Bürgerinformationsabende.
Welchen Wert Meinungen, Ideen und Wünsche im Endeffekt haben, ist dagegen weder festgelegt noch in Aussicht gestellt. Oft vermutlich alleine deshalb, weil der rechtliche Rahmen – der Vertrag zwischen Bürger und Politik – fehlt. An einem solchen zu arbeiten, könnte darum nicht nur Frust verhindern, sondern auch für mehr und bessere Beteiligung sorgen. Weil klar ist, dass 700 Unterschriften tatsächlich einen Wert haben.
SOCIAL MEDIA SEITEN