Wer Gift sät, wird Geld ernten

Das Pestizid Glyphosat ist im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde: Unbemerkt schluckt es der Verbraucher, wenn Getreide und Obst zuvor mit dem Unkrautvernichter behandelt worden sind. Aber ist ein Verzicht auf den Gifteinsatz überhaupt möglich? Ein Landwirt nimmt Stellung.

Wenn das Grün stört, muss es weg. Schneller geht’s mit Chemie. / Archivbild

Seit den 70er Jahren ist das Pestizid Glyphosat als Unkrautvernichter in der Landwirtschaft im Einsatz. Wie berichtet beschloss der Kreistag bereits im Juli dieses Jahres, auf landkreiseigenen Flächen auf den Einsatz dieses Giftes zu verzichten. Und auch Gemeinden, Privatleute und Firmen sollten auf andere Unkrautvernichtungsmittel zurückgreifen.

Aber können Landwirte wirklich darauf verzichten? Ein Landwirt aus dem Oberland, der namentlich nicht genannt werden will, sagt ganz klar: „Nein. Ohne chemische Zusätze geht es nicht.“ Zwar käme Glyphosat hauptsächlich auf den Getreidefeldern zum Einsatz und weniger in der Milchwirtschaft, dennoch werde das Gift auch auf Weiden und Wiesen vereinzelt gespritzt.

Anzeige

Die Masse macht‘s

Als Unkrautvernichter sei Glyphosat ebenso gnadenlos wie effektiv. „Ein Landwirt muss Leistung bringen“, so der Bauer. Aus wirtschaftlichen Aspekten bliebe ihm gar nichts anderes übrig, als Chemie einzusetzen. „Ohne Chemie kannst du nix mehr produzieren.“ Heutzutage gehe es nur noch darum, den Verbraucher zufriedenzustellen.

Die Anforderung an den Landwirt lautet: „Immer schneller, immer mehr, immer größer“. Der Umwelt zuliebe auf weniger Masse, dafür auf ökologisch einwandfreie Ware zu setzen, könnten sich seiner Meinung nach heutzutage nur noch Idealisten leisten. Überleben könnten nur noch gut funktionierende, große Betriebe. Kleinere Betriebe würden bei diesem Vorsatz alle kaputtgehen.

Ideologie hilft nicht beim Überleben

Auch er habe seine Landwirtschaft irgendwann aufgeben müssen. Sein eigenes Unkraut habe er noch mit der Hand ausgestochen. „Ein extremer Aufwand, der nie bezahlt wurde“. Diese Portion Idealismus habe er leider nicht auf den Preis umlegen können.

„Wer selbst einen Garten hat, der weiß, dass man den Ertrag daraus nicht jedes Jahr voll ausschöpfen kann.” Was natürlich wächst, brauche Zeit, Pflege und das Inkaufnehmen von Phasen, in denen die Ernte miserabel ist. Doch ohne finanzielle Unterstützung des Landwirtschaftsamtes könne man solche Phasen nicht überbrücken und rentabel wirtschaften.

Ein Teufelskreis

Auch die strengen Hygienvorschriften der letzten zehn Jahre hätten den Einsatz von chemischen Mitteln verstärkt, sagt der Landwirt. Alles müsse noch steriler, noch hygienischer sein, weil den Menschen die Abwehrkräfte fehlen. Schon der kleinste Keim mache sie krank. Je stärker jedoch die Kontrolle in den Betrieben, umso stärker der Einsatz von Reinigungsmitteln. Ein Teufelskreis.

Um im harten Wettbewerb überleben zu können, bliebe den Landwirten zudem nichts anderes übrig, als in moderne Technik zu investieren, so der Landwirt. Aber nicht jeder hätte beispielweise 100.000 Euro für ein landwirtschaftliches Gerät auf dem Haben-Konto, also verschuldet er sich. Wenn dann nach zehn, fünfzehn Jahren das Fahrzeug wieder veraltet ist und nicht mehr läuft, so läuft immerhin eines weiter: Die Finanzierungsrate.

Ein Bauer verkauft nix

Mit den billigen Milchpreisen kann der Landwirt die investierte Summe nicht erwirtschaften, und schon ist er bei der nächsten Anfrage der Gemeinde geneigt, Bauland herzugeben, um seine Schulden loszuwerden. „Ein Skandal“, wie der Landwirt findet. „Denn wenn es dem Landwirt gutgeht, dann gibt er keinen Grund her“.

So aber würden Firmen, die „scharf auf Bauland oder Ausgleichsflächen sind“ billig an Flächen herankommen. Für 80 Euro pro Quadratmeter würden teilweise Flächen hergegeben, die die Gemeinde dann für 570 Euro pro Quadratmeter weiterverkauft, sagt er.

Nur wenige Großbetriebe überleben

Sein Resumee: „Die Landwirtschaft ist eine reine Scheiße in Deutschland“. Lebensmittel könne man nur noch im Ausland produzieren lassen. Ansonsten blieben nur zwei Möglichkeiten: Entweder man produziert weniger und erhöht den Preis. Oder aber man passt sich dem Preismarkt an und setzt auf Masse. In beiden Fällen bleiben die Kosten gleich.

Wenn Glyphosat beim Anbau von Gerste verwendet wird und es später im Bier landet, wenn es auf den Erdbeerfeldern eingesetzt wird, damit die grüne Wiese verschwindet, auf dessen Boden die Pflanzen ihre roten Früchte austragen, wenn hiesige Golfplätze Wachstumsblocker spritzen, damit der Rasen nicht mehr so stark wächst, dann war das Motiv so alt wie die Hoffnung, die damit verknüpft war: Wer Gift sät, wird Geld ernten.

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Allgemein

Auch interessant

NGG Wackelige Jobs im Landkreis Miesbach

NGG
Wackelige Jobs im Landkreis Miesbach

RedaktionNov 22, 2024

Trotz Fachkräftemangel setzen viele Unternehmen im Landkreis Miesbach weiterhin auf befristete Arbeitsverträge. Die Gewerkschaft NGG kritisiert: Zeitverträge bieten keine Perspektive,…


Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner