Das Hotel Carrera in Rottach-Egern wird abgerissen, um Platz für ein Wohn- und Geschäftshaus zu machen. Viele Einheimische erinnern sich jedoch gut an die Zeiten, als das Hotel noch „Franzen“ hieß und seinen prominenten Platz als kleines, feines, familiengeführtes Haus an der Kreuzung Südliche Hauptstrasse und Karl-Theodor-Strasse innehatte. Über 30 Jahre prägte das Hotel Franzen mit seinem Restaurant Pfeffermühle das Ortsbild – im dänischen Billund wurde es sogar als oberbayerisches Exponat stellvertretend für ganz Bayern nachgebaut.
1967 kaufte der gelernte Hotelfachmann Walter Franzen ein kleines Einfamilienhaus mit vier Zimmern und ohne fließend Wasser an der Karl-Theodor-Strasse. Nach seinem Abschluss an der Hotelfachschule in Luzern arbeitete der gebürtige Westfale unter anderem in Tunesien und Paris. Sein Traum war jedoch ein eigenes Hotel, den er sich am Tegernsee verwirklichte. In insgesamt drei Stufen wurde das kleine Haus zu einem zweistöckigen Hotel mit 16 Zimmern, inklusive einer Suite, ausgebaut und schließlich im Sommer 1968 eröffnet.
Das Besondere damals: jedes Zimmer verfügte über ein eigenes Bad. Das war zu jener Zeit sehr exklusiv, boten doch sonst nur die großen Hotels, wie zum Beispiel das Bachmair am See oder das Überfahrt, solchen Komfort an. In kleinen Hotels und Gästehäusern war das noch nicht üblich. Und so warben die Franzens dann auch in ihrem Hotelprospekt:
Das „Franzen“ ist ein kleines, liebevoll geführtes Hotel mit charmantem Ambiente. Stilvoll, gemütlich und komfortabel. Und kulinarisch ein kleines Erlebnis.
Fortan arbeiteten Gabriele und Walter Franzen 33 Jahre lang, bis August 2001, in und an ihrem Hotel täglich rund um die Uhr, ihr Haus war immer geöffnet. Urlaube und freie Zeit mit ihren zwei Kindern waren rar. Zum einen managte das Hotelierspaar natürlich den gesamten Betrieb. Und sie, ebenfalls gelernte Hotelfachfrau, bildete wiederum Hotelfachfrauen in ihrem Haus aus. Zum anderen machten sie auch vieles selber, wie Fließen legen, Teppiche verlegen oder Vorhänge nähen. Er sammelte antike Möbelstücke, wie beispielsweise Kommoden, Uhren oder Bauernschränke, mit denen die Franzens ihre Gästezimmer individuell einrichteten. „Mein Mann hat viel Geld und Liebe in unser Hotel investiert“, erzählt Gabriele Franzen.
Der Dank für ihre Mühen waren viele Stammgäste, die nicht nur wegen des schönen Tegernsees, sondern auch wegen des familiengeführten Hauses und seiner familiären Atmosphäre anreisten. Einige VIPs waren ebenfalls zu Gast, so zum Beispiel Rudolf-August Oetker aus der Oetker-Dynastie, Hans-Adam II. Fürst von Liechtenstein oder der ehemalige Landwirtschaftsminister Josef Ertl. Letzterer reiste kurz nach der Schleyer-Entführung (1977) mit einem grossen Sicherheitsteam an, das „mit den Händen am Holster“, so Walter Franzen, die Eingangslobby bewachte.
Hotel Franzen wird nachgebaut
Und dann war da noch die kleine Delegation aus Dänemark, die für einige Tage im Hotel Franzen wohnte. Drei Dänen reisten im Auftrag von Legoland an den Tegernsee, um oberbayerische Häuser abzufotografieren. Ein „Mini-Bayern“ sollte entstehen und dazu wurden viele Gebäude fotografiert, die nach Auffassung der Dänen gut in das „Miniland“ passen würden, erklärt PR-Manager Kasper Tangsig vom Legoland Billund auf Nachfrage.
Warum ausgerechnet das Hotel Franzen, neben zwei weiteren Gebäuden vom Tegernsee, für Legoland das Rennen machte, kann Tangsig nicht eindeutig beantworten. Vermutlich hatte es einfach das richtige Aussehen. Ein Kriterium war auch die passende Größe, das Franzen fügte sich wohl von den Maßen her gut in die bayrische Legolandschaft ein. Für einen korrekten Maßstab stellten die Dänen immer einen Kollegen ins Bild, anhand dessen Größe dann die Gebäudemaße beim Modellbau kalkuliert wurden.
So entstand ein akkurater Lego-Nachbau des Hotels Franzen, detailgetreu bis hin zu den Blumenkästen und den Schriften der Hotel- und Restaurantnamen. Es befindet sich in nachbarschaftlicher Runde mit dem Landhaus Lochbihler aus Bad Wiessee und der katholischen Pfarrkirche St. Laurentius aus Egern. Gemeinsam stellen sie Bayern dar. Oder zumindest ein Bayern, wie es sich die Dänen in Billund vorstellen.
Dass ihr ehemaliges Hotel nun abgerissen wird, geht den Franzens nahe. „Ihm geht es ans Herz“, verrät Gabriele Franzen über ihren Mann, „das ist sein Lebenswerk“. Umso glücklicher macht es sie, dass sie immer noch Kontakt zu vielen ihrer früheren Gäste haben, sogar zwei Ehepaare aus England statten ihnen und dem Tegernsee jedes Jahr einen Besuch ab. Und was meinen die Franzens zu „ihrem“ Hotel im Legoland? „Das finden wir prima.“
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