Vorgenanntes “Paradies” hat der Zither Manä, alias Manfred Zick, seines Zeichens Partisane an der Zither, schon Anfang der 1980er Jahre besungen und tat es zum Auftakt dieses Abends höchstpersönlich noch einmal: Dieses Paradies am Tegernsee, über das die Geldigen und Preißn und Narrischen und Ehrlosen hereinbrechen wie die Kormorane über einen Fischweiher. In diesem Stückl kommt sogar auch Holzkirchen vor – als der Ort, an dem man abbiegt. Quasi richtig liegt. Vorhof zu allem Möglichen. Vorhof zu den Bergen, Vorhof zu München Innenstadt, Vorhof der Lebensqualität und seit kurzem irgendwie doch mittendrin statt nur davor.
Und jetzt kommt die taz aus Berlin, bekanntermaßen ja nicht gerade das Zentralorgan der CSU, und gibt vielleicht zu, sie meinte eigentlich “Vorhölle” und grillt uns alle richtig. Haut uns die Handtuchgärten um die Ohren und unsere selbstzufriedene, vollgefressene Art und erkennt an unserem hausgemachten Verkehr augenblicklich, dass wir hier unten einfach rundum noch nicht soweit sind, hier im Vorhof der Zukunft. Aber mitnichten.
Geschützter Raum
In der gemütlichen und akkurat voll besetzten Marktstube des Oberbräus entstand recht schnell eine vertraute Stimmung, als hätte man gemeinsam vor dem Sauwetter oder feindlichem Schrotfeuer Unterschlupf gesucht und müsse nun über die Zukunft Deutschlands befinden. Diese beinahe “altbayerische taz-Stimmung” war nicht zuletzt dem gepflegten Münchner Duktus des Moderators und taz-Redakteurs Andreas Rüttenauer geschuldet, der aus der politischen Runde beinahe eine Gernstl-Reise machte, ja, einen geschützten Raum entstehen ließ, in dem Standpunkte klingen durften.
Nun, arg kontrovers wurde es nicht, das sei vorweggenommen. Aber warum auch? Die taz kann weder Wohnraum für anerkannte Asylbewerber auftun noch das Verkehrsproblem lösen. Aber man durfte sich das Paradies ja auch mal aus Berlin bescheinigen lassen, oder eben den Vorhof davon. Sich zumindest parteiübergreifend das Zuckerl schmecken lassen, dass man es im Gegensatz zur Bundespolitik oder dem Berliner LaGeSo gut bayrisch hinbekommen habe mit den Flüchtlingen. Schließlich war dieses Team aus Journalisten ebenso wie das Publikum der unausgeprochenen Überzeugung, dass es an den meisten der anderen 50 Stationen auf der taz.meinland– Roadshow weniger gesegnet zugehen dürfte als hier.
Demokratisches Quartett
Es war der Rahmen für eine Diskussion zwischen dem Bürgermeister Olaf von Löwis und aus dem Nachbarlandkreis angereisten Jugendlichen über “Bleibeperspektiven” für junge Oberlandler, Freiheit innerhalb der CSU und dass Horst nicht Olaf ist. Es waren die Momente des Karl Bär, der elaboriert und konzise argumentierte, es waren die Analogien des taz-Urgesteins Bettina Ismair, dass Holzkirchen irgendwo auch bloß Markt Schwaben ist und der beredte Erfahrungsschatz des ehemaligen Integrationsbeauftragten Franz Lutje, dem endlich jemand sagen sollte, dass er wirklich die einzige Personalie wäre, wenn die Linke bei uns jemals einen Fuß auf die Schotterebene bekommen will.
Man hätte sich in diesem Geiste und an diesem Tische noch so manchen gewünscht: Robert Wiechmann, Johannes Loth, Christoph Schmid, Herbert Franz oder den bärtigen Mann mit dem barock geschmückten Fahrrad. Und es hätte noch gerne zwei Stunden länger dauern können, diese Diskussion über Wesen und Zukunft unseres Marktfleckens. Weil es eine kostbare Sach’ ist, in solch gepflegtem Rahmen demokratische Kultur zu erleben.
taz als Kontext
Es ging also gar nicht so sehr um das “Mindset” der taz. Gut, der kleine Merchandise-Stand in der Stube verströmte noch einen Rest von Punk und der Zither Manä und der Rüttenauer Andreas beschworen noch einmal die Zeit des Protestes gegen Franz-Josef Strauß, die WAA und Pershing II. Aber, dass sich Würdenträger eines kleinen Ortes gemeinsam und vor Publikum in einem neuen Kontext zusammensetzen, weil eine große und profilierte deutsche Tageszeitung sie dazu anstiftet, ist eine großartige Idee.
Und ein nicht unwesentlicher Baustein dafür, in Zeiten von Verschwörungstheorien, Gekeife und Dauerbesorgnis die Fahne des guten gesellschaftlichen Stils hochhalten zu können.
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