Doch was bedeutet das knappe Ergebnis für die künftige Politik im Gemeinderat? Werden CSU und ranBW nun einen Kurswechsel einleiten? Eine Analyse der künftigen Verhältnisse.
Bad Wiessee steht in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen. Die Gemeinde ist mit 30 Millionen hoch verschuldet, will aber trotzdem auch die über 200 gemeindeeigenen Wohnungen sanieren. Und dann ist da noch das 100-Millionen-Projekt im Wiesseer Kurviertel. Dass die Politik von Gemeinderat und Bürgermeister Peter Höß (Wieseeer Block) nicht bei allen Wiesseern auf Zustimmung stößt, lässt zumindest das knappe Ergebnis der letzten Wahl vermuten.
Badepark als einziges Thema
43 Prozent der Stimmen holte Außenseiter Rolf Neresheimer aus dem Stand. Das ist besonders bemerkenswert, da der 50-jährige Wirtschaftsingenieur und heutige Tagesvater bis vor fünf Monaten noch gar nicht in der Wiesseer Politik vertreten war. Im Dezember 2013 hatte Neresheimer überraschend seine Kandidatur für das Bürgermeisteramt verkündet und sich im Wahlkampf voll auf die Themen „Zukunft des Jodbadareals“ und „Erhalt des Badeparks“ konzentriert.
Die Mehrheit des Wiesseer Gemeinderates hat sich hier für den Plan von Architekt Matteo Thun ausgesprochen. Demnach sollen im Wiesseer Kurviertel ein Thermenkomplex mit Hotel und Gesundheitszentrum entstehen. Kostenpunkt: 120 Millionen Euro. Nun ist Bad Wiessee auf der Suche nach einem Investor. Rolf Neresheimer kritisiert diesen Ansatz und fordert einen Wettbewerb verschiedener Konzepte und zudem den Fortbestand des Badeparks.
Zu anderen offenen Wiesseer Baustellen, wie der schwierigen Haushaltslage und den sanierungsbedürftigen Gemeindewohnungen, hatte er sich im Laufe des Wahlkampfs zwar nicht geäußert. Doch auch mit diesem monothematischen Ansatz wäre es Neresheimer beinahe gelungen, in Wiessee Bürgermeister zu werden. Was bedeutet das für die Wiesseer Politik, wenn es einem „politischen Nobody“ aus dem Stand gelingt, so viele Stimmen zu erlangen? Ein Wiesseer Gemeinderat, der sich namentlich nicht äußern möchte, machte schon im Vorfeld der Kommunalwahlen klar:
Wenn es Herrn Neresheimer gelingt, mehr als 25 Prozent der Stimmen zu holen, müssen wir uns Gedanken machen, ob der Weg, den man in den vergangenen Jahren eingeschlagen hat, auch der Richtige ist.
Nach der Wahl klingen die Aussagen in der Wiesseer Opposition nicht grundlegend anders. „Das Ergebnis von Herrn Neresheimer ist trotz der geringen Wahlbeteiligung auch als Zeichen zu sehen, dass eine große Zahl der Wiesseer Bürger sich einen anderen Führungsstil in der Gemeinde wünscht“, erklärt beispielsweise der CSU-Vorsitzende Florian Sareiter, der zum ersten Mal auch im Gemeinderat sitzen wird.
Sareiter hat hier vor allem die aus seiner Sicht einseitige Planung rund um das Jodbadareal im Blick. Auch Teile der Wiesseer CSU-Gemeinderäte hatten sich in der Vergangenheit für den Erhalt des Badeparks ausgesprochen und von Bürgermeister Peter Höß Alternativen zur gegenwärtigen Planung von Architekt Matteo Thun eingefordert.
SPD und Wiesseer Block haben eine Stimme mehr
Betrachtet man die künftige Sitzverteilung, hat sich im Wiesseer Gemeinderat dagegen nicht viel verändert. So hat die CSU künftig fünf Sitze (K. Sareiter, Erlacher, F. Sareiter, Versen, Stadler). RanBW kommt auf drei Sitze (Neresheimer, Meister, Thim). Arbeiten die beiden Fraktionen zusammen und geschlossen gegen die sechs Vertreter vom Wiesseer Block (Höß, Brenner, Niedermaier, B. Trinkl, Kathan, M. Trinkl) und die drei SPDler (Huber, Kunze-Fechner, Martini), könnte die eine oder andere Kampfabstimmung ins Haus stehen.
Das war in der Vergangenheit aber nicht anders, die Opposition war im alten Gemeinderat fast stärker. Bislang hatte die CSU acht Stimmen alleine. Eine geschlossene Opposition braucht in Zukunft eine Koalition über Parteigrenzen hinweg. Doch die soll laut Florian Sareiter kein Automatismus sein:
Eine grundsätzliche Koalition zwischen der CSU und ranBW wird es nicht geben. Wir werden aber sicherlich in einigen Punkten zusammenarbeiten.
Wiessees Zweiter Bürgermeister Robert Huber (SPD) sieht das Stimmenverhältnis dagegen pragmatisch. An den Mehrheiten habe sich eigentlich nicht viel geändert, da die CSU alleine ja derzeit acht Sitze habe, erklärt Huber. „Wir hatten in den vergangenen sechs Jahren hervorragende Abstimmungen. Es wurde immer aufgrund der besseren Argumente entschieden und daran wird sich, denke ich, auch nichts ändern“, so Wiessees Vize-Bürgermeister weiter.
Den Erfolg von Rolf Neresheimer führt Huber vor allem auf die geringe Wahlbeteiligung und einige Protestwähler im Rahmen der Schließung des Badeparks zurück. „Kandidaten, die sich nur ein einziges Thema raussuchen, können damit zwar wie gesehen punkten. Das hat aber nichts mit einer Politik für die gesamte Gemeinde zu tun“, betont Huber.
Auch der alte und neue Bürgermeister Peter Höß sieht das ähnlich. „Man sollte immer das große Ganze und alle wichtigen Themen der Gemeinde im Blick haben.“ Sowohl der Rathauschef, wie auch Robert Huber wollen am eingeschlagenen Kurs der Gemeinde festhalten. „Ich denke, wir haben in den vergangenen sechs Jahren die richtige Politik gemacht. Vor allem der Erwerb des Jodbadareals ist in der schwierigen Lage, in der sich Wiessee damals befunden hat, ein großer Verdienst des gesamten Gemeinderats“, sagt beispielsweise Höß.
Gleichwohl verspricht der Bürgermeister, auch mit Rolf Neresheimer konstruktiv zusammenarbeiten zu wollen. Er habe diesem schon am Wahlabend die Hand gereicht und werde dessen Vorschläge im Gemeinderat genauso ernst nehmen wie die jedes anderen Mitglieds des Gremiums, betont Höß. Das klingt nach zielgerichteter Zusammenarbeit. Auch Rolf Neresheimer selbst hatte sich am Wahlabend des 16. März ähnlich geäußert: „Ich hoffe, dass sich die Gemeinderäte unabhängig von Parteizugehörigkeit von einem guten Vorschlag überzeugen lassen“, so der unterlegene Bürgermeisterkandidat.
Schon am Anfang droht Streit
Ob und wie lange es im Wiesseer Gemeinderat so friedlich bleibt, wird sich dagegen erst zeigen müssen. Schon in der Vergangenheit hatte es die eine oder andere sehr hitzige Debatte gegeben. Und auch die erste Sitzung des neuen Gemeinderats birgt viel Zündstoff. Dann entscheidet sich, wer neuer Zweiter Bürgermeister wird. Rolf Neresheimer hatte bereits vor zwei Wochen seine Ambitionen auf das Amt bestätigt.
Sowohl Bürgermeister Peter Höß als auch der bisherige Vize Robert Huber sehen das allerdings kritisch und haben Neresheimer bereits die Eignung für dieses Amt abgesprochen. Dazu Robert Huber Mitte März:
Er bringt überhaupt nichts mit, was man für den Posten als Zweiter Bürgermeister braucht.
Anders sieht das hingegen Florian Sareiter (CSU). Er sehe keinen Grund, warum Rolf Neresheimer nicht Zweiter Bürgermeister werden sollte. 1.574 Stimmen, und damit die meisten Stimmen aller gewählten Gemeinderäte, seien ein klares Zeichen, so Sareiter. Für Spannung ist also schon Anfang Mai gesorgt.
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